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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Das verlohrne Paradies.
Kann dies Tod seyn? können sie nur durch Unwissenheit stehen,
Und ist dieses ihr glücklicher Zustand? Jst dieses die Probe
Jhres Gehorsams, und ihrer Treu? Vortrefflicher Grundstein
520Jhr Verderben darauf zu erbaun! Jn ihren Gemüthern
Will ich noch größre Verlangen entzünden, noch mehr zu erkennen,
Und das neidsche Gebot zu verwerfen, unfehlbar erfunden
Jn der Absicht als Sclaven sie stets in der Tiefe zu halten;
Da sie Erkenntniß erhöht, und Göttern gleich gemacht hätte.
525Hiernach werden sie streben, und werden essen und sterben.
Wird nicht dies so vermuthlich erfolgen? Doch muß ich vorher noch
Rund um diesen Garten mit fleißigem Nachforschen wandern,
Keinen Winkel unausgespäht lassen. Vielleicht, daß ich irgend
Ungefähr einen wandernden Geist des Himmels entdecke,
530Der am Rand eines Quells, oder einsam im dunkeln Schatten
Sitzt, um etwa noch mehr, was mir nützt, von ihm zu erfahren.
Leb itzt wohl, glückseliges Paar, genieße, so lange
Als du noch kannst, bis zu meiner Zurückkunft, der kurzen Freuden;
Freuden, denen gar bald ein langer Jammer soll folgen.

535Also sprach er, und wandte die stolzen Schritte verächtlich
Von dem glücklichen Paare hinweg, doch mit schlauem Umherschaun.
Und fieng an durch den Wald und durch die Wildniß zu streifen,
Ueber Hügel und Thäler. Die untergehende Sonne
Sank indeß im äußersten Westen, da wo sich der Himmel
540Mit der Erd, und dem Meere vermischt, allmählich hinunter,
Und schoß gegen die östliche Pforte des Paradieses
Jhren

Das verlohrne Paradies.
Kann dies Tod ſeyn? koͤnnen ſie nur durch Unwiſſenheit ſtehen,
Und iſt dieſes ihr gluͤcklicher Zuſtand? Jſt dieſes die Probe
Jhres Gehorſams, und ihrer Treu? Vortrefflicher Grundſtein
520Jhr Verderben darauf zu erbaun! Jn ihren Gemuͤthern
Will ich noch groͤßre Verlangen entzuͤnden, noch mehr zu erkennen,
Und das neidſche Gebot zu verwerfen, unfehlbar erfunden
Jn der Abſicht als Sclaven ſie ſtets in der Tiefe zu halten;
Da ſie Erkenntniß erhoͤht, und Goͤttern gleich gemacht haͤtte.
525Hiernach werden ſie ſtreben, und werden eſſen und ſterben.
Wird nicht dies ſo vermuthlich erfolgen? Doch muß ich vorher noch
Rund um dieſen Garten mit fleißigem Nachforſchen wandern,
Keinen Winkel unausgeſpaͤht laſſen. Vielleicht, daß ich irgend
Ungefaͤhr einen wandernden Geiſt des Himmels entdecke,
530Der am Rand eines Quells, oder einſam im dunkeln Schatten
Sitzt, um etwa noch mehr, was mir nuͤtzt, von ihm zu erfahren.
Leb itzt wohl, gluͤckſeliges Paar, genieße, ſo lange
Als du noch kannſt, bis zu meiner Zuruͤckkunft, der kurzen Freuden;
Freuden, denen gar bald ein langer Jammer ſoll folgen.

535Alſo ſprach er, und wandte die ſtolzen Schritte veraͤchtlich
Von dem gluͤcklichen Paare hinweg, doch mit ſchlauem Umherſchaun.
Und fieng an durch den Wald und durch die Wildniß zu ſtreifen,
Ueber Huͤgel und Thaͤler. Die untergehende Sonne
Sank indeß im aͤußerſten Weſten, da wo ſich der Himmel
540Mit der Erd, und dem Meere vermiſcht, allmaͤhlich hinunter,
Und ſchoß gegen die oͤſtliche Pforte des Paradieſes
Jhren
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[158/0178] Das verlohrne Paradies. Kann dies Tod ſeyn? koͤnnen ſie nur durch Unwiſſenheit ſtehen, Und iſt dieſes ihr gluͤcklicher Zuſtand? Jſt dieſes die Probe Jhres Gehorſams, und ihrer Treu? Vortrefflicher Grundſtein Jhr Verderben darauf zu erbaun! Jn ihren Gemuͤthern Will ich noch groͤßre Verlangen entzuͤnden, noch mehr zu erkennen, Und das neidſche Gebot zu verwerfen, unfehlbar erfunden Jn der Abſicht als Sclaven ſie ſtets in der Tiefe zu halten; Da ſie Erkenntniß erhoͤht, und Goͤttern gleich gemacht haͤtte. Hiernach werden ſie ſtreben, und werden eſſen und ſterben. Wird nicht dies ſo vermuthlich erfolgen? Doch muß ich vorher noch Rund um dieſen Garten mit fleißigem Nachforſchen wandern, Keinen Winkel unausgeſpaͤht laſſen. Vielleicht, daß ich irgend Ungefaͤhr einen wandernden Geiſt des Himmels entdecke, Der am Rand eines Quells, oder einſam im dunkeln Schatten Sitzt, um etwa noch mehr, was mir nuͤtzt, von ihm zu erfahren. Leb itzt wohl, gluͤckſeliges Paar, genieße, ſo lange Als du noch kannſt, bis zu meiner Zuruͤckkunft, der kurzen Freuden; Freuden, denen gar bald ein langer Jammer ſoll folgen. Alſo ſprach er, und wandte die ſtolzen Schritte veraͤchtlich Von dem gluͤcklichen Paare hinweg, doch mit ſchlauem Umherſchaun. Und fieng an durch den Wald und durch die Wildniß zu ſtreifen, Ueber Huͤgel und Thaͤler. Die untergehende Sonne Sank indeß im aͤußerſten Weſten, da wo ſich der Himmel Mit der Erd, und dem Meere vermiſcht, allmaͤhlich hinunter, Und ſchoß gegen die oͤſtliche Pforte des Paradieſes Jhren

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/178>, abgerufen am 21.11.2024.