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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Das verlohrne Paradies.
15So wie Zephir Floren [Spaltenumbruch] b) anhaucht, und indem er die Hand ihr
Sanft berührte, lispelt er zärtlich ihr also: Erwache,
Meine Schönste, meine Vermählte c)! Mein letztes gefundnes,
Letztes, bestes Geschenke des Himmels, o du, mein Alles,
Du mein immer neues Vergnügen, erwache! der Morgen
20Stralt; uns ruft das thauigte Feld; wir verlieren die Frühzeit,
Wo wir beobachten können, wie unsre gewarteten Pflanzen
Aufschossen, wie der Myrthenbaum tropft und die Balsamgesträuche;
Wie die Natur die Farben mahlt, und die fleißige Biene
Auf den Blumen sitzt, und fließende Süßigkeit auszieht.

25Also lispelnd weckt er sie auf; doch mit starrendem Auge
Sah sie auf Adam empor, umarmt ihn feurig, und sagte:
O du einzger, in dem ich mit allen meinen Gedanken
Ruhe finde; mein Ruhm, und meine Vollkommenheit! Fröhlich
Seh
b) Als wenn die sanften westlichen
Lüfte über Blumen wehn. Dies ist
außerordentlich schön und poetisch.
Richardson.
c) Der Poet hat unstreitig bey die-
ser Rede zwey Stellen aus dem ho-
hen Lied Salomons vor Augen ge-
habt, die in gleichem Geschmacke ge-
schrieben, und mit eben so anmuthi-
gen Bildern angefüllt sind. Mein
Freund spricht zu mir: Stehe
auf, meine Freundinn, meine Schö-
ne, und komme her. Denn siehe
der Winter ist vergangen, der
Regen ist weg und dahin. Die
Blumen sind hervorkommen im
[Spaltenumbruch] Lande, der Lenz ist herbeykom-
men, und die Turteltaube läßt
sich hören in unserm Lande. Der
Feigenbaum hat Knoten gewon-
nen, und geben ihren Ruch. Ste-
he auf, meine Freundinn, und
komm, meine Schöne, komm her.

Hohe Lied Salom. II. 10. Und Kap.
VII. 11. 12. Romm, mein Freund,
laß uns aufs Feld gehn -- daß
wir früh aufstehn zu den Wein-
bergen, daß wir sehen, ob der
Weinstock blühe, und Augen ge-
wonnen habe, ob die Granat-
äpfelbäume ausgeschlagen sind.

Addison.

Das verlohrne Paradies.
15So wie Zephir Floren [Spaltenumbruch] b) anhaucht, und indem er die Hand ihr
Sanft beruͤhrte, liſpelt er zaͤrtlich ihr alſo: Erwache,
Meine Schoͤnſte, meine Vermaͤhlte c)! Mein letztes gefundnes,
Letztes, beſtes Geſchenke des Himmels, o du, mein Alles,
Du mein immer neues Vergnuͤgen, erwache! der Morgen
20Stralt; uns ruft das thauigte Feld; wir verlieren die Fruͤhzeit,
Wo wir beobachten koͤnnen, wie unſre gewarteten Pflanzen
Aufſchoſſen, wie der Myrthenbaum tropft und die Balſamgeſtraͤuche;
Wie die Natur die Farben mahlt, und die fleißige Biene
Auf den Blumen ſitzt, und fließende Suͤßigkeit auszieht.

25Alſo liſpelnd weckt er ſie auf; doch mit ſtarrendem Auge
Sah ſie auf Adam empor, umarmt ihn feurig, und ſagte:
O du einzger, in dem ich mit allen meinen Gedanken
Ruhe finde; mein Ruhm, und meine Vollkommenheit! Froͤhlich
Seh
b) Als wenn die ſanften weſtlichen
Luͤfte uͤber Blumen wehn. Dies iſt
außerordentlich ſchoͤn und poetiſch.
Richardſon.
c) Der Poet hat unſtreitig bey die-
ſer Rede zwey Stellen aus dem ho-
hen Lied Salomons vor Augen ge-
habt, die in gleichem Geſchmacke ge-
ſchrieben, und mit eben ſo anmuthi-
gen Bildern angefuͤllt ſind. Mein
Freund ſpricht zu mir: Stehe
auf, meine Freundinn, meine Schö-
ne, und komme her. Denn ſiehe
der Winter iſt vergangen, der
Regen iſt weg und dahin. Die
Blumen ſind hervorkommen im
[Spaltenumbruch] Lande, der Lenz iſt herbeykom-
men, und die Turteltaube läßt
ſich hören in unſerm Lande. Der
Feigenbaum hat Knoten gewon-
nen, und geben ihren Ruch. Ste-
he auf, meine Freundinn, und
komm, meine Schöne, komm her.

Hohe Lied Salom. II. 10. Und Kap.
VII. 11. 12. Romm, mein Freund,
laß uns aufs Feld gehn — daß
wir früh aufſtehn zu den Wein-
bergen, daß wir ſehen, ob der
Weinſtock blühe, und Augen ge-
wonnen habe, ob die Granat-
äpfelbäume ausgeſchlagen ſind.

Addiſon.
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[184/0206] Das verlohrne Paradies. So wie Zephir Floren b) anhaucht, und indem er die Hand ihr Sanft beruͤhrte, liſpelt er zaͤrtlich ihr alſo: Erwache, Meine Schoͤnſte, meine Vermaͤhlte c)! Mein letztes gefundnes, Letztes, beſtes Geſchenke des Himmels, o du, mein Alles, Du mein immer neues Vergnuͤgen, erwache! der Morgen Stralt; uns ruft das thauigte Feld; wir verlieren die Fruͤhzeit, Wo wir beobachten koͤnnen, wie unſre gewarteten Pflanzen Aufſchoſſen, wie der Myrthenbaum tropft und die Balſamgeſtraͤuche; Wie die Natur die Farben mahlt, und die fleißige Biene Auf den Blumen ſitzt, und fließende Suͤßigkeit auszieht. Alſo liſpelnd weckt er ſie auf; doch mit ſtarrendem Auge Sah ſie auf Adam empor, umarmt ihn feurig, und ſagte: O du einzger, in dem ich mit allen meinen Gedanken Ruhe finde; mein Ruhm, und meine Vollkommenheit! Froͤhlich Seh b) Als wenn die ſanften weſtlichen Luͤfte uͤber Blumen wehn. Dies iſt außerordentlich ſchoͤn und poetiſch. Richardſon. c) Der Poet hat unſtreitig bey die- ſer Rede zwey Stellen aus dem ho- hen Lied Salomons vor Augen ge- habt, die in gleichem Geſchmacke ge- ſchrieben, und mit eben ſo anmuthi- gen Bildern angefuͤllt ſind. Mein Freund ſpricht zu mir: Stehe auf, meine Freundinn, meine Schö- ne, und komme her. Denn ſiehe der Winter iſt vergangen, der Regen iſt weg und dahin. Die Blumen ſind hervorkommen im Lande, der Lenz iſt herbeykom- men, und die Turteltaube läßt ſich hören in unſerm Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewon- nen, und geben ihren Ruch. Ste- he auf, meine Freundinn, und komm, meine Schöne, komm her. Hohe Lied Salom. II. 10. Und Kap. VII. 11. 12. Romm, mein Freund, laß uns aufs Feld gehn — daß wir früh aufſtehn zu den Wein- bergen, daß wir ſehen, ob der Weinſtock blühe, und Augen ge- wonnen habe, ob die Granat- äpfelbäume ausgeſchlagen ſind. Addiſon.

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/206>, abgerufen am 23.11.2024.