Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Fünfter Gesang. Wie wir den neuen Beherrscher mit neuen Ehren empfangen,Wenn er nun kömmt, und von uns den noch schuldigen Knietribut fordert. Niederträchtiges Niederwerfen! Zu viel schon für Einen, 755Aber für zwey, wie da zu ertragen? Für Einen, und nun auch Für den zweyten, den er zu seinem Abbild erklärt hat. Aber wie? wenn ein besserer Rath zu höhern Gedanken Unsre Gemüther erhüb', und dieses Sklavenjoch endlich Abzuwerfen uns lehrte! Wollt ihr die Nacken ihm beugen, 760Beugen euer gelenksames Knie? Jhr wollt nicht, wofern ich Recht zu kennen euch glaube, und ihr euch selber recht kennet, Jhr, Geburthen und Söhne des Himmels, den vor euch noch niemand Jm Besitze gehabt. Wofern ihr alle nicht gleich seyd, Seyd ihr doch alle frey, gleich frey! denn Orden und Grade 765Können gar wohl mit der Freyheit bestehn. Wer kann mit Vernunft denn, Oder mit Recht, über die der Monarchie sich bemächtgen, Die ihm gleich sind durchs Recht, in Freyheit ihm gleich sind, wofern sie Auch geringer als er an Macht und an Herrlichkeit wären, Und wer kann mit neuen Gesetzen Unsterbliche binden, 770Da wir auch ohne Gesetze doch niemals zu irren vermögen; Oder wie kann er am wenigsten noch von Göttern verlangen, Daß der unser Oberherr sey, und Anbetung verlange Diesen Königestiteln zum Hohn, die gnugsam beweisen, Daß wir zum herrschen allein, und nicht zum dienen, bestimmt sind. 775Seine vermessene Rede fand, ohn' unterbrochen zu werden, So weit Gehör; als Abdiel, einer der Seraphim aufstand. Keiner, E e 2
Fuͤnfter Geſang. Wie wir den neuen Beherrſcher mit neuen Ehren empfangen,Wenn er nun koͤmmt, und von uns den noch ſchuldigen Knietribut fordert. Niedertraͤchtiges Niederwerfen! Zu viel ſchon fuͤr Einen, 755Aber fuͤr zwey, wie da zu ertragen? Fuͤr Einen, und nun auch Fuͤr den zweyten, den er zu ſeinem Abbild erklaͤrt hat. Aber wie? wenn ein beſſerer Rath zu hoͤhern Gedanken Unſre Gemuͤther erhuͤb’, und dieſes Sklavenjoch endlich Abzuwerfen uns lehrte! Wollt ihr die Nacken ihm beugen, 760Beugen euer gelenkſames Knie? Jhr wollt nicht, wofern ich Recht zu kennen euch glaube, und ihr euch ſelber recht kennet, Jhr, Geburthen und Soͤhne des Himmels, den vor euch noch niemand Jm Beſitze gehabt. Wofern ihr alle nicht gleich ſeyd, Seyd ihr doch alle frey, gleich frey! denn Orden und Grade 765Koͤnnen gar wohl mit der Freyheit beſtehn. Wer kann mit Vernunft denn, Oder mit Recht, uͤber die der Monarchie ſich bemaͤchtgen, Die ihm gleich ſind durchs Recht, in Freyheit ihm gleich ſind, wofern ſie Auch geringer als er an Macht und an Herrlichkeit waͤren, Und wer kann mit neuen Geſetzen Unſterbliche binden, 770Da wir auch ohne Geſetze doch niemals zu irren vermoͤgen; Oder wie kann er am wenigſten noch von Goͤttern verlangen, Daß der unſer Oberherr ſey, und Anbetung verlange Dieſen Koͤnigestiteln zum Hohn, die gnugſam beweiſen, Daß wir zum herrſchen allein, und nicht zum dienen, beſtimmt ſind. 775Seine vermeſſene Rede fand, ohn’ unterbrochen zu werden, So weit Gehoͤr; als Abdiel, einer der Seraphim aufſtand. Keiner, E e 2
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Fuͤnfter Geſang.
Wie wir den neuen Beherrſcher mit neuen Ehren empfangen,
Wenn er nun koͤmmt, und von uns den noch ſchuldigen Knietribut fordert.
Niedertraͤchtiges Niederwerfen! Zu viel ſchon fuͤr Einen,
Aber fuͤr zwey, wie da zu ertragen? Fuͤr Einen, und nun auch
Fuͤr den zweyten, den er zu ſeinem Abbild erklaͤrt hat.
Aber wie? wenn ein beſſerer Rath zu hoͤhern Gedanken
Unſre Gemuͤther erhuͤb’, und dieſes Sklavenjoch endlich
Abzuwerfen uns lehrte! Wollt ihr die Nacken ihm beugen,
Beugen euer gelenkſames Knie? Jhr wollt nicht, wofern ich
Recht zu kennen euch glaube, und ihr euch ſelber recht kennet,
Jhr, Geburthen und Soͤhne des Himmels, den vor euch noch niemand
Jm Beſitze gehabt. Wofern ihr alle nicht gleich ſeyd,
Seyd ihr doch alle frey, gleich frey! denn Orden und Grade
Koͤnnen gar wohl mit der Freyheit beſtehn. Wer kann mit Vernunft denn,
Oder mit Recht, uͤber die der Monarchie ſich bemaͤchtgen,
Die ihm gleich ſind durchs Recht, in Freyheit ihm gleich ſind, wofern ſie
Auch geringer als er an Macht und an Herrlichkeit waͤren,
Und wer kann mit neuen Geſetzen Unſterbliche binden,
Da wir auch ohne Geſetze doch niemals zu irren vermoͤgen;
Oder wie kann er am wenigſten noch von Goͤttern verlangen,
Daß der unſer Oberherr ſey, und Anbetung verlange
Dieſen Koͤnigestiteln zum Hohn, die gnugſam beweiſen,
Daß wir zum herrſchen allein, und nicht zum dienen, beſtimmt ſind.
Seine vermeſſene Rede fand, ohn’ unterbrochen zu werden,
So weit Gehoͤr; als Abdiel, einer der Seraphim aufſtand.
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