Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
Keiner, als er, verehrte die Gottheit mit festerer Treue,
Und gehorchte mit größerem Eifer. Voll flammenden Zornes
Setzt er sich also dem Strom des rasenden Unsinns entgegen.

780O der stolzen betrügrischen Reden! der lästernden Worte!
Worte, die nimmer ein Ohr im Himmel zu hören erwartet,
Und am mindsten von dir, du Undankbarer! Jndem du
Ueber deine Gefährten so hoch erhaben bist. Kannst du
Gottes gerechten Ausspruch mit gottloser Schmähsucht verdammen,
785Da er erklärt, und beschworen, daß seinem einigen Sohne,
Von ihm mit Recht mit dem Königeszepter bekleidet, im Himmel
Jede Seele die Knie soll beugen, durch diese Verehrung
Für den rechtmäßigen ewigen König ihn zu erkennen
Ungerecht, sagst du, höchstungerecht seys, mit Gebot und Gesetzen
790Die zu binden, die frey sind; und über Gleiche den Gleichen
Herrschen zu lassen; den Einen mit ungetheilter Regierung
Ueber die andern herrschen zu lassen. Willst du denn, Vermeßner,
Gotte Gesetze vorschreiben? Willst über die Punkte der Freyheit
Mit ihm rechten? Er, der dich gemacht -- was du bist, dich gemacht hat?
795Der die Kräfte des Himmels nach seinem Gefallen formieret,
Und ihr Wesen beschränkt. Und wissen wir nicht aus Erfahrung,
Wie er höchstgütig für unser Bestes, für unsere Würde,
Sorgt, und so sehr vom Gedanken, uns zu verringern, entfernt ist,
Daß er beständig nur sucht, in unserm glücklichen Zustand
800Uns noch mehr zu erhöhn, da wir mit ihm näher vereint sind
Unter

Das verlohrne Paradies.
Keiner, als er, verehrte die Gottheit mit feſterer Treue,
Und gehorchte mit groͤßerem Eifer. Voll flammenden Zornes
Setzt er ſich alſo dem Strom des raſenden Unſinns entgegen.

780O der ſtolzen betruͤgriſchen Reden! der laͤſternden Worte!
Worte, die nimmer ein Ohr im Himmel zu hoͤren erwartet,
Und am mindſten von dir, du Undankbarer! Jndem du
Ueber deine Gefaͤhrten ſo hoch erhaben biſt. Kannſt du
Gottes gerechten Ausſpruch mit gottloſer Schmaͤhſucht verdammen,
785Da er erklaͤrt, und beſchworen, daß ſeinem einigen Sohne,
Von ihm mit Recht mit dem Koͤnigeszepter bekleidet, im Himmel
Jede Seele die Knie ſoll beugen, durch dieſe Verehrung
Fuͤr den rechtmaͤßigen ewigen Koͤnig ihn zu erkennen
Ungerecht, ſagſt du, hoͤchſtungerecht ſeys, mit Gebot und Geſetzen
790Die zu binden, die frey ſind; und uͤber Gleiche den Gleichen
Herrſchen zu laſſen; den Einen mit ungetheilter Regierung
Ueber die andern herrſchen zu laſſen. Willſt du denn, Vermeßner,
Gotte Geſetze vorſchreiben? Willſt uͤber die Punkte der Freyheit
Mit ihm rechten? Er, der dich gemacht — was du biſt, dich gemacht hat?
795Der die Kraͤfte des Himmels nach ſeinem Gefallen formieret,
Und ihr Weſen beſchraͤnkt. Und wiſſen wir nicht aus Erfahrung,
Wie er hoͤchſtguͤtig fuͤr unſer Beſtes, fuͤr unſere Wuͤrde,
Sorgt, und ſo ſehr vom Gedanken, uns zu verringern, entfernt iſt,
Daß er beſtaͤndig nur ſucht, in unſerm gluͤcklichen Zuſtand
800Uns noch mehr zu erhoͤhn, da wir mit ihm naͤher vereint ſind
Unter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="47">
            <pb facs="#f0242" n="220"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l>Keiner, als er, verehrte die Gottheit mit fe&#x017F;terer Treue,</l><lb/>
            <l>Und gehorchte mit gro&#x0364;ßerem Eifer. Voll flammenden Zornes</l><lb/>
            <l>Setzt er &#x017F;ich al&#x017F;o dem Strom des ra&#x017F;enden Un&#x017F;inns entgegen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="48">
            <l><note place="left">780</note>O der &#x017F;tolzen betru&#x0364;gri&#x017F;chen Reden! der la&#x0364;&#x017F;ternden Worte!</l><lb/>
            <l>Worte, die nimmer ein Ohr im Himmel zu ho&#x0364;ren erwartet,</l><lb/>
            <l>Und am mind&#x017F;ten von dir, du Undankbarer! Jndem du</l><lb/>
            <l>Ueber deine Gefa&#x0364;hrten &#x017F;o hoch erhaben bi&#x017F;t. Kann&#x017F;t du</l><lb/>
            <l>Gottes gerechten Aus&#x017F;pruch mit gottlo&#x017F;er Schma&#x0364;h&#x017F;ucht verdammen,</l><lb/>
            <l><note place="left">785</note>Da er erkla&#x0364;rt, und be&#x017F;chworen, daß &#x017F;einem einigen Sohne,</l><lb/>
            <l>Von ihm mit Recht mit dem Ko&#x0364;nigeszepter bekleidet, im Himmel</l><lb/>
            <l>Jede Seele die Knie &#x017F;oll beugen, durch die&#x017F;e Verehrung</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r den rechtma&#x0364;ßigen ewigen Ko&#x0364;nig ihn zu erkennen</l><lb/>
            <l>Ungerecht, &#x017F;ag&#x017F;t du, ho&#x0364;ch&#x017F;tungerecht &#x017F;eys, mit Gebot und Ge&#x017F;etzen</l><lb/>
            <l><note place="left">790</note>Die zu binden, die frey &#x017F;ind; und u&#x0364;ber Gleiche den Gleichen</l><lb/>
            <l>Herr&#x017F;chen zu la&#x017F;&#x017F;en; den Einen mit ungetheilter Regierung</l><lb/>
            <l>Ueber die andern herr&#x017F;chen zu la&#x017F;&#x017F;en. Will&#x017F;t du denn, Vermeßner,</l><lb/>
            <l>Gotte Ge&#x017F;etze vor&#x017F;chreiben? Will&#x017F;t u&#x0364;ber die Punkte der Freyheit</l><lb/>
            <l>Mit ihm rechten? Er, der dich gemacht &#x2014; was du bi&#x017F;t, dich gemacht hat?</l><lb/>
            <l><note place="left">795</note>Der die Kra&#x0364;fte des Himmels nach &#x017F;einem Gefallen formieret,</l><lb/>
            <l>Und ihr We&#x017F;en be&#x017F;chra&#x0364;nkt. Und wi&#x017F;&#x017F;en wir nicht aus Erfahrung,</l><lb/>
            <l>Wie er ho&#x0364;ch&#x017F;tgu&#x0364;tig fu&#x0364;r un&#x017F;er Be&#x017F;tes, fu&#x0364;r un&#x017F;ere Wu&#x0364;rde,</l><lb/>
            <l>Sorgt, und &#x017F;o &#x017F;ehr vom Gedanken, uns zu verringern, entfernt i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Daß er be&#x017F;ta&#x0364;ndig nur &#x017F;ucht, in un&#x017F;erm glu&#x0364;cklichen Zu&#x017F;tand</l><lb/>
            <l><note place="left">800</note>Uns noch mehr zu erho&#x0364;hn, da wir mit ihm na&#x0364;her vereint &#x017F;ind</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Unter</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0242] Das verlohrne Paradies. Keiner, als er, verehrte die Gottheit mit feſterer Treue, Und gehorchte mit groͤßerem Eifer. Voll flammenden Zornes Setzt er ſich alſo dem Strom des raſenden Unſinns entgegen. O der ſtolzen betruͤgriſchen Reden! der laͤſternden Worte! Worte, die nimmer ein Ohr im Himmel zu hoͤren erwartet, Und am mindſten von dir, du Undankbarer! Jndem du Ueber deine Gefaͤhrten ſo hoch erhaben biſt. Kannſt du Gottes gerechten Ausſpruch mit gottloſer Schmaͤhſucht verdammen, Da er erklaͤrt, und beſchworen, daß ſeinem einigen Sohne, Von ihm mit Recht mit dem Koͤnigeszepter bekleidet, im Himmel Jede Seele die Knie ſoll beugen, durch dieſe Verehrung Fuͤr den rechtmaͤßigen ewigen Koͤnig ihn zu erkennen Ungerecht, ſagſt du, hoͤchſtungerecht ſeys, mit Gebot und Geſetzen Die zu binden, die frey ſind; und uͤber Gleiche den Gleichen Herrſchen zu laſſen; den Einen mit ungetheilter Regierung Ueber die andern herrſchen zu laſſen. Willſt du denn, Vermeßner, Gotte Geſetze vorſchreiben? Willſt uͤber die Punkte der Freyheit Mit ihm rechten? Er, der dich gemacht — was du biſt, dich gemacht hat? Der die Kraͤfte des Himmels nach ſeinem Gefallen formieret, Und ihr Weſen beſchraͤnkt. Und wiſſen wir nicht aus Erfahrung, Wie er hoͤchſtguͤtig fuͤr unſer Beſtes, fuͤr unſere Wuͤrde, Sorgt, und ſo ſehr vom Gedanken, uns zu verringern, entfernt iſt, Daß er beſtaͤndig nur ſucht, in unſerm gluͤcklichen Zuſtand Uns noch mehr zu erhoͤhn, da wir mit ihm naͤher vereint ſind Unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/242
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/242>, abgerufen am 23.11.2024.