Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Sechster Gesang. Um den göttlichen Thron, darauf zu erheben. Jhr AnschlagAber mislung auf halbem Wege. Zwar kam es uns anfangs Seltsam und wunderbar vor, daß Engel Engel bekriegen, Und sich feindlich die anfallen sollten, die ehmals so einig 85An des Himmels festlichen Tagen in Lieb und in Freuden Sich voll Freundschaft umfiengen, als Eines großen Beherrschers Söhne, die alle mit Hymnen den Ewigen Vater besangen; Aber der Kriegslärm hub an; des Anfalls rauschend Getöse Macht schnell jedem mildern Gedanken des Friedens ein Ende. 90Jn der Mitte, vor allen hoch, einem Gott gleich, erhaben, Saß der Abtrünnige stolz auf seinem Sonnglänzenden Wagen, Als der Götze der Majestät Gottes, rundum ihn umgaben Flammende Cherubim ihn und güldene leuchtende Schilde. Jtzo sprang er herunter von seinem prächtigen Throne, 95Und ein geringer Raum, ein furchtbarer Unterschied war noch Zwischen Heer und Heer; die Fronte stand gegen die Fronte Jn erschrecklicher Schlachtordnung von entsetzlicher Länge. Eh sie einander erreichten, trat Satan mit stolzen Schritten An der scharfen Spitze der Schlacht vor den wolkigten Vortrab; 100Einem Thurm gleich; in schimmernden Waffen von Demant und Golde. Seraph Abdiel konnte nicht diesen Anblick ertragen, Welcher unter den Mächtigsten stund, auf erhabene Thaten Sinnend; -- sein eignes furchtloses Herz erforschet er also: Himmel, daß solche Gleichheit noch mit dem Höchsten zurückbleibt, 105Wenn die Pflicht und die Treu nicht mehr bleibt; und sollte die Macht nicht Und
Sechſter Geſang. Um den goͤttlichen Thron, darauf zu erheben. Jhr AnſchlagAber mislung auf halbem Wege. Zwar kam es uns anfangs Seltſam und wunderbar vor, daß Engel Engel bekriegen, Und ſich feindlich die anfallen ſollten, die ehmals ſo einig 85An des Himmels feſtlichen Tagen in Lieb und in Freuden Sich voll Freundſchaft umfiengen, als Eines großen Beherrſchers Soͤhne, die alle mit Hymnen den Ewigen Vater beſangen; Aber der Kriegslaͤrm hub an; des Anfalls rauſchend Getoͤſe Macht ſchnell jedem mildern Gedanken des Friedens ein Ende. 90Jn der Mitte, vor allen hoch, einem Gott gleich, erhaben, Saß der Abtruͤnnige ſtolz auf ſeinem Sonnglaͤnzenden Wagen, Als der Goͤtze der Majeſtaͤt Gottes, rundum ihn umgaben Flammende Cherubim ihn und guͤldene leuchtende Schilde. Jtzo ſprang er herunter von ſeinem praͤchtigen Throne, 95Und ein geringer Raum, ein furchtbarer Unterſchied war noch Zwiſchen Heer und Heer; die Fronte ſtand gegen die Fronte Jn erſchrecklicher Schlachtordnung von entſetzlicher Laͤnge. Eh ſie einander erreichten, trat Satan mit ſtolzen Schritten An der ſcharfen Spitze der Schlacht vor den wolkigten Vortrab; 100Einem Thurm gleich; in ſchimmernden Waffen von Demant und Golde. Seraph Abdiel konnte nicht dieſen Anblick ertragen, Welcher unter den Maͤchtigſten ſtund, auf erhabene Thaten Sinnend; — ſein eignes furchtloſes Herz erforſchet er alſo: Himmel, daß ſolche Gleichheit noch mit dem Hoͤchſten zuruͤckbleibt, 105Wenn die Pflicht und die Treu nicht mehr bleibt; und ſollte die Macht nicht Und
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Sechſter Geſang.
Um den goͤttlichen Thron, darauf zu erheben. Jhr Anſchlag
Aber mislung auf halbem Wege. Zwar kam es uns anfangs
Seltſam und wunderbar vor, daß Engel Engel bekriegen,
Und ſich feindlich die anfallen ſollten, die ehmals ſo einig
An des Himmels feſtlichen Tagen in Lieb und in Freuden
Sich voll Freundſchaft umfiengen, als Eines großen Beherrſchers
Soͤhne, die alle mit Hymnen den Ewigen Vater beſangen;
Aber der Kriegslaͤrm hub an; des Anfalls rauſchend Getoͤſe
Macht ſchnell jedem mildern Gedanken des Friedens ein Ende.
Jn der Mitte, vor allen hoch, einem Gott gleich, erhaben,
Saß der Abtruͤnnige ſtolz auf ſeinem Sonnglaͤnzenden Wagen,
Als der Goͤtze der Majeſtaͤt Gottes, rundum ihn umgaben
Flammende Cherubim ihn und guͤldene leuchtende Schilde.
Jtzo ſprang er herunter von ſeinem praͤchtigen Throne,
Und ein geringer Raum, ein furchtbarer Unterſchied war noch
Zwiſchen Heer und Heer; die Fronte ſtand gegen die Fronte
Jn erſchrecklicher Schlachtordnung von entſetzlicher Laͤnge.
Eh ſie einander erreichten, trat Satan mit ſtolzen Schritten
An der ſcharfen Spitze der Schlacht vor den wolkigten Vortrab;
Einem Thurm gleich; in ſchimmernden Waffen von Demant und Golde.
Seraph Abdiel konnte nicht dieſen Anblick ertragen,
Welcher unter den Maͤchtigſten ſtund, auf erhabene Thaten
Sinnend; — ſein eignes furchtloſes Herz erforſchet er alſo:
Himmel, daß ſolche Gleichheit noch mit dem Hoͤchſten zuruͤckbleibt,
Wenn die Pflicht und die Treu nicht mehr bleibt; und ſollte die Macht nicht
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