Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Daß wir recht fern sind von dem, der uns nach Billigkeit gleich war,245Doch den Gewalt über die, die gleich ihm waren, erhoben. Jhr glückseelgen Gefilde, worauf die ewige Freude Wohnet, gehabt euch wohl! Jhr Schrecknisse, seyd mir gegrüßet! Sey mir gegrüßt, unterirdische Welt; Du, tiefste Hölle, Nimm mich, deinen neuen Besitzer! Er bringt ein Gemüthe 250Zu dir, welches kein Ort, und keine Zeit, kann verändern! Das Gemüth ist sein eigener Platz [Spaltenumbruch] a), und macht in sich selber Aus der Hölle den Himmel, und aus dem Himmel die Hölle. Und was geht es mich an, wo ich sey, wofern ich nur der bin, Der ich war, und der ich seyn soll; geringer allein nur 255Als wie Er, den bloß sein Donner noch größer gemacht hat. Hier zum wenigsten, werden wir frey seyn; hier hat der Allmächtge Nicht, uns zu beneiden, gebaut; er wird uns von hier nicht Wegtreiben wollen; wir werden allhier in Sicherheit herrschen, Und nach meinem Ermessen ist, wär es auch nur in der Hölle, 260Herrschen des Ehrgeizes würdig. Viel besser, geherrscht in der Hölle, Als im Himmel gedient! -- Doch warum lassen wir also Unsre getreuen Freunde, und unsers Verlustes Gefährten, So zerstreut, und betäubt, auf dem Pful der Vergessenheit liegen? Warum rufen wir sie nicht zu uns, die traurige Wohnung 265Mit uns zu theilen; oder aufs neu mit vereinigten Waffen Zu versuchen, was etwann im Himmel noch itzt zu gewinnen, Oder hier in der Hölle für uns noch mehr zu verlieren? Dieses a) Diese ausschweifenden Meynun-
gen der Stoiker konnten nicht besser lächerlich gemacht werden, als in Sa- [Spaltenumbruch] tans Munde, und in seinem itzigen Zustand. Thyer. Das verlohrne Paradies. Daß wir recht fern ſind von dem, der uns nach Billigkeit gleich war,245Doch den Gewalt uͤber die, die gleich ihm waren, erhoben. Jhr gluͤckſeelgen Gefilde, worauf die ewige Freude Wohnet, gehabt euch wohl! Jhr Schreckniſſe, ſeyd mir gegruͤßet! Sey mir gegruͤßt, unterirdiſche Welt; Du, tiefſte Hoͤlle, Nimm mich, deinen neuen Beſitzer! Er bringt ein Gemuͤthe 250Zu dir, welches kein Ort, und keine Zeit, kann veraͤndern! Das Gemuͤth iſt ſein eigener Platz [Spaltenumbruch] a), und macht in ſich ſelber Aus der Hoͤlle den Himmel, und aus dem Himmel die Hoͤlle. Und was geht es mich an, wo ich ſey, wofern ich nur der bin, Der ich war, und der ich ſeyn ſoll; geringer allein nur 255Als wie Er, den bloß ſein Donner noch groͤßer gemacht hat. Hier zum wenigſten, werden wir frey ſeyn; hier hat der Allmaͤchtge Nicht, uns zu beneiden, gebaut; er wird uns von hier nicht Wegtreiben wollen; wir werden allhier in Sicherheit herrſchen, Und nach meinem Ermeſſen iſt, waͤr es auch nur in der Hoͤlle, 260Herrſchen des Ehrgeizes wuͤrdig. Viel beſſer, geherrſcht in der Hoͤlle, Als im Himmel gedient! — Doch warum laſſen wir alſo Unſre getreuen Freunde, und unſers Verluſtes Gefaͤhrten, So zerſtreut, und betaͤubt, auf dem Pful der Vergeſſenheit liegen? Warum rufen wir ſie nicht zu uns, die traurige Wohnung 265Mit uns zu theilen; oder aufs neu mit vereinigten Waffen Zu verſuchen, was etwann im Himmel noch itzt zu gewinnen, Oder hier in der Hoͤlle fuͤr uns noch mehr zu verlieren? Dieſes a) Dieſe ausſchweifenden Meynun-
gen der Stoiker konnten nicht beſſer laͤcherlich gemacht werden, als in Sa- [Spaltenumbruch] tans Munde, und in ſeinem itzigen Zuſtand. Thyer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="10"> <pb facs="#f0030" n="16"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Daß wir recht fern ſind von dem, der uns nach Billigkeit gleich war,</l><lb/> <l><note place="left">245</note>Doch den Gewalt uͤber die, die gleich ihm waren, erhoben.</l><lb/> <l>Jhr gluͤckſeelgen Gefilde, worauf die ewige Freude</l><lb/> <l>Wohnet, gehabt euch wohl! Jhr Schreckniſſe, ſeyd mir gegruͤßet!</l><lb/> <l>Sey mir gegruͤßt, unterirdiſche Welt; Du, tiefſte Hoͤlle,</l><lb/> <l>Nimm mich, deinen neuen Beſitzer! Er bringt ein Gemuͤthe</l><lb/> <l><note place="left">250</note>Zu dir, welches kein Ort, und keine Zeit, kann veraͤndern!</l><lb/> <l>Das Gemuͤth iſt ſein eigener Platz <cb/> <note place="foot" n="a)">Dieſe ausſchweifenden Meynun-<lb/> gen der Stoiker konnten nicht beſſer<lb/> laͤcherlich gemacht werden, als in Sa-<lb/><cb/> tans Munde, und in ſeinem itzigen<lb/> Zuſtand. <hi rendition="#fr">Thyer.</hi></note>, und macht in ſich ſelber</l><lb/> <l>Aus der Hoͤlle den Himmel, und aus dem Himmel die Hoͤlle.</l><lb/> <l>Und was geht es mich an, wo ich ſey, wofern ich nur der bin,</l><lb/> <l>Der ich war, und der ich ſeyn ſoll; geringer allein nur</l><lb/> <l><note place="left">255</note>Als wie Er, den bloß ſein Donner noch groͤßer gemacht hat.</l><lb/> <l>Hier zum wenigſten, werden wir frey ſeyn; hier hat der Allmaͤchtge</l><lb/> <l>Nicht, uns zu beneiden, gebaut; er wird uns von hier nicht</l><lb/> <l>Wegtreiben wollen; wir werden allhier in Sicherheit herrſchen,</l><lb/> <l>Und nach meinem Ermeſſen iſt, waͤr es auch nur in der Hoͤlle,</l><lb/> <l><note place="left">260</note>Herrſchen des Ehrgeizes wuͤrdig. Viel beſſer, geherrſcht in der Hoͤlle,</l><lb/> <l>Als im Himmel gedient! — Doch warum laſſen wir alſo</l><lb/> <l>Unſre getreuen Freunde, und unſers Verluſtes Gefaͤhrten,</l><lb/> <l>So zerſtreut, und betaͤubt, auf dem Pful der Vergeſſenheit liegen?</l><lb/> <l>Warum rufen wir ſie nicht zu uns, die traurige Wohnung</l><lb/> <l><note place="left">265</note>Mit uns zu theilen; oder aufs neu mit vereinigten Waffen</l><lb/> <l>Zu verſuchen, was etwann im Himmel noch itzt zu gewinnen,</l><lb/> <l>Oder hier in der Hoͤlle fuͤr uns noch mehr zu verlieren?</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieſes</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [16/0030]
Das verlohrne Paradies.
Daß wir recht fern ſind von dem, der uns nach Billigkeit gleich war,
Doch den Gewalt uͤber die, die gleich ihm waren, erhoben.
Jhr gluͤckſeelgen Gefilde, worauf die ewige Freude
Wohnet, gehabt euch wohl! Jhr Schreckniſſe, ſeyd mir gegruͤßet!
Sey mir gegruͤßt, unterirdiſche Welt; Du, tiefſte Hoͤlle,
Nimm mich, deinen neuen Beſitzer! Er bringt ein Gemuͤthe
Zu dir, welches kein Ort, und keine Zeit, kann veraͤndern!
Das Gemuͤth iſt ſein eigener Platz
a), und macht in ſich ſelber
Aus der Hoͤlle den Himmel, und aus dem Himmel die Hoͤlle.
Und was geht es mich an, wo ich ſey, wofern ich nur der bin,
Der ich war, und der ich ſeyn ſoll; geringer allein nur
Als wie Er, den bloß ſein Donner noch groͤßer gemacht hat.
Hier zum wenigſten, werden wir frey ſeyn; hier hat der Allmaͤchtge
Nicht, uns zu beneiden, gebaut; er wird uns von hier nicht
Wegtreiben wollen; wir werden allhier in Sicherheit herrſchen,
Und nach meinem Ermeſſen iſt, waͤr es auch nur in der Hoͤlle,
Herrſchen des Ehrgeizes wuͤrdig. Viel beſſer, geherrſcht in der Hoͤlle,
Als im Himmel gedient! — Doch warum laſſen wir alſo
Unſre getreuen Freunde, und unſers Verluſtes Gefaͤhrten,
So zerſtreut, und betaͤubt, auf dem Pful der Vergeſſenheit liegen?
Warum rufen wir ſie nicht zu uns, die traurige Wohnung
Mit uns zu theilen; oder aufs neu mit vereinigten Waffen
Zu verſuchen, was etwann im Himmel noch itzt zu gewinnen,
Oder hier in der Hoͤlle fuͤr uns noch mehr zu verlieren?
Dieſes
a) Dieſe ausſchweifenden Meynun-
gen der Stoiker konnten nicht beſſer
laͤcherlich gemacht werden, als in Sa-
tans Munde, und in ſeinem itzigen
Zuſtand. Thyer.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |