Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.
Unser Gefängniß ist fest; dies ungeheure Gewölbe
Von verzehrendem Feuer umringt uns mit neunfachen Mauern;
440Neben uns schließen sich starke Pforten, von brennendem Demant,
Und verwehren uns allen Ausgang; und so man hindurchkömmt,
Wenn ja jemand hindurch kommen kann, so empfängt dann weit offen,
Jhn der unwesentlich schrecklichen Nacht entsetzliches Leere,
Welches, wofern er versinkt im mißgebährenden Abgrund,
445Mit dem letzten Verluste von seinem Wesen ihm drohet.
Sollt er von da auch entrinnen in andre Welten und andre
Unbekanntre Bezirke; was kann er geringers erwarten,
Als noch unbekannte Gefahren, aus denen es schwer wird
Zu entfliehn. Doch, mächtige Fürsten, ich würde gewiß nicht
450Diesen Thron verdienen, und diese monarchische Herrschaft,
So mit Glanze geziert, und mit Macht bewaffnet, wenn etwas,
Zu der gemeinen Wohlfahrt Bestem, mich abschrecken könnte
Durch der Schwierigkeit Schein, und durch die Gestalt der Gefahren,
Es zu wagen. Weswegen nehm ich die glänzende Hoheit
455Dieser erhabenen Würden an, und schlag es nicht lieber
Aus, zu regieren, wofern ich mich weigre, so wohl als die Ehre,
Auch die Gefahren auf mich zu nehmen, da dem, der regieret,
Beyde gleich seyn müssen, und noch viel mehr die Gefahren
Jhm geziemen, indem er vor andern in hohen Ehren
460Königlich sitzt. So gehet denn hin, gefürchtete Mächte,

Noch
[Spaltenumbruch] Sed revocare gradum superasque
evadere ad auras,
Hoc opus, hic labor est.

[Spaltenumbruch] Aber den Schritt zurücke zu rufen,
die oberen Lüfte
Wieder zu athmen, dieses ist schwer
und dieses ist Arbeit N.

Das verlohrne Paradies.
Unſer Gefaͤngniß iſt feſt; dies ungeheure Gewoͤlbe
Von verzehrendem Feuer umringt uns mit neunfachen Mauern;
440Neben uns ſchließen ſich ſtarke Pforten, von brennendem Demant,
Und verwehren uns allen Ausgang; und ſo man hindurchkoͤmmt,
Wenn ja jemand hindurch kommen kann, ſo empfaͤngt dann weit offen,
Jhn der unweſentlich ſchrecklichen Nacht entſetzliches Leere,
Welches, wofern er verſinkt im mißgebaͤhrenden Abgrund,
445Mit dem letzten Verluſte von ſeinem Weſen ihm drohet.
Sollt er von da auch entrinnen in andre Welten und andre
Unbekanntre Bezirke; was kann er geringers erwarten,
Als noch unbekannte Gefahren, aus denen es ſchwer wird
Zu entfliehn. Doch, maͤchtige Fuͤrſten, ich wuͤrde gewiß nicht
450Dieſen Thron verdienen, und dieſe monarchiſche Herrſchaft,
So mit Glanze geziert, und mit Macht bewaffnet, wenn etwas,
Zu der gemeinen Wohlfahrt Beſtem, mich abſchrecken koͤnnte
Durch der Schwierigkeit Schein, und durch die Geſtalt der Gefahren,
Es zu wagen. Weswegen nehm ich die glaͤnzende Hoheit
455Dieſer erhabenen Wuͤrden an, und ſchlag es nicht lieber
Aus, zu regieren, wofern ich mich weigre, ſo wohl als die Ehre,
Auch die Gefahren auf mich zu nehmen, da dem, der regieret,
Beyde gleich ſeyn muͤſſen, und noch viel mehr die Gefahren
Jhm geziemen, indem er vor andern in hohen Ehren
460Koͤniglich ſitzt. So gehet denn hin, gefuͤrchtete Maͤchte,

Noch
[Spaltenumbruch] Sed revocare gradum ſuperasque
evadere ad auras,
Hoc opus, hic labor eſt.

[Spaltenumbruch] Aber den Schritt zuruͤcke zu rufen,
die oberen Luͤfte
Wieder zu athmen, dieſes iſt ſchwer
und dieſes iſt Arbeit N.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="11">
            <pb facs="#f0082" n="66"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/>
            <l>Un&#x017F;er Gefa&#x0364;ngniß i&#x017F;t fe&#x017F;t; dies ungeheure Gewo&#x0364;lbe</l><lb/>
            <l>Von verzehrendem Feuer umringt uns mit neunfachen Mauern;</l><lb/>
            <l><note place="left">440</note>Neben uns &#x017F;chließen &#x017F;ich &#x017F;tarke Pforten, von brennendem Demant,</l><lb/>
            <l>Und verwehren uns allen Ausgang; und &#x017F;o man hindurchko&#x0364;mmt,</l><lb/>
            <l>Wenn ja jemand hindurch kommen kann, &#x017F;o empfa&#x0364;ngt dann weit offen,</l><lb/>
            <l>Jhn der unwe&#x017F;entlich &#x017F;chrecklichen Nacht ent&#x017F;etzliches Leere,</l><lb/>
            <l>Welches, wofern er ver&#x017F;inkt im mißgeba&#x0364;hrenden Abgrund,</l><lb/>
            <l><note place="left">445</note>Mit dem letzten Verlu&#x017F;te von &#x017F;einem We&#x017F;en ihm drohet.</l><lb/>
            <l>Sollt er von da auch entrinnen in andre Welten und andre</l><lb/>
            <l>Unbekanntre Bezirke; was kann er geringers erwarten,</l><lb/>
            <l>Als noch unbekannte Gefahren, aus denen es &#x017F;chwer wird</l><lb/>
            <l>Zu entfliehn. Doch, ma&#x0364;chtige Fu&#x0364;r&#x017F;ten, ich wu&#x0364;rde gewiß nicht</l><lb/>
            <l><note place="left">450</note>Die&#x017F;en Thron verdienen, und die&#x017F;e monarchi&#x017F;che Herr&#x017F;chaft,</l><lb/>
            <l>So mit Glanze geziert, und mit Macht bewaffnet, wenn etwas,</l><lb/>
            <l>Zu der gemeinen Wohlfahrt Be&#x017F;tem, mich ab&#x017F;chrecken ko&#x0364;nnte</l><lb/>
            <l>Durch der Schwierigkeit Schein, und durch die Ge&#x017F;talt der Gefahren,</l><lb/>
            <l>Es zu wagen. Weswegen nehm ich die gla&#x0364;nzende Hoheit</l><lb/>
            <l><note place="left">455</note>Die&#x017F;er erhabenen Wu&#x0364;rden an, und &#x017F;chlag es nicht lieber</l><lb/>
            <l>Aus, zu regieren, wofern ich mich weigre, &#x017F;o wohl als die Ehre,</l><lb/>
            <l>Auch die Gefahren auf mich zu nehmen, da dem, der regieret,</l><lb/>
            <l>Beyde gleich &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und noch viel mehr die Gefahren</l><lb/>
            <l>Jhm geziemen, indem er vor andern in hohen Ehren</l><lb/>
            <l><note place="left">460</note>Ko&#x0364;niglich &#x017F;itzt. So gehet denn hin, gefu&#x0364;rchtete Ma&#x0364;chte,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
            <note xml:id="a10" prev="#a09" place="foot" n="q)"><cb/><hi rendition="#aq">Sed revocare gradum &#x017F;uperasque<lb/><hi rendition="#et">evadere ad auras,</hi><lb/>
Hoc opus, hic labor e&#x017F;t.</hi><lb/><cb/>
Aber den Schritt zuru&#x0364;cke zu rufen,<lb/><hi rendition="#et">die oberen Lu&#x0364;fte</hi><lb/>
Wieder zu athmen, die&#x017F;es i&#x017F;t &#x017F;chwer<lb/><hi rendition="#et">und die&#x017F;es i&#x017F;t Arbeit <hi rendition="#fr">N.</hi></hi></note><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0082] Das verlohrne Paradies. Unſer Gefaͤngniß iſt feſt; dies ungeheure Gewoͤlbe Von verzehrendem Feuer umringt uns mit neunfachen Mauern; Neben uns ſchließen ſich ſtarke Pforten, von brennendem Demant, Und verwehren uns allen Ausgang; und ſo man hindurchkoͤmmt, Wenn ja jemand hindurch kommen kann, ſo empfaͤngt dann weit offen, Jhn der unweſentlich ſchrecklichen Nacht entſetzliches Leere, Welches, wofern er verſinkt im mißgebaͤhrenden Abgrund, Mit dem letzten Verluſte von ſeinem Weſen ihm drohet. Sollt er von da auch entrinnen in andre Welten und andre Unbekanntre Bezirke; was kann er geringers erwarten, Als noch unbekannte Gefahren, aus denen es ſchwer wird Zu entfliehn. Doch, maͤchtige Fuͤrſten, ich wuͤrde gewiß nicht Dieſen Thron verdienen, und dieſe monarchiſche Herrſchaft, So mit Glanze geziert, und mit Macht bewaffnet, wenn etwas, Zu der gemeinen Wohlfahrt Beſtem, mich abſchrecken koͤnnte Durch der Schwierigkeit Schein, und durch die Geſtalt der Gefahren, Es zu wagen. Weswegen nehm ich die glaͤnzende Hoheit Dieſer erhabenen Wuͤrden an, und ſchlag es nicht lieber Aus, zu regieren, wofern ich mich weigre, ſo wohl als die Ehre, Auch die Gefahren auf mich zu nehmen, da dem, der regieret, Beyde gleich ſeyn muͤſſen, und noch viel mehr die Gefahren Jhm geziemen, indem er vor andern in hohen Ehren Koͤniglich ſitzt. So gehet denn hin, gefuͤrchtete Maͤchte, Noch q) q) Sed revocare gradum ſuperasque evadere ad auras, Hoc opus, hic labor eſt. Aber den Schritt zuruͤcke zu rufen, die oberen Luͤfte Wieder zu athmen, dieſes iſt ſchwer und dieſes iſt Arbeit N.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/82
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/82>, abgerufen am 25.11.2024.