Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. 485Daß er der allgemeinen Sicherheit wegen die eigneZu verachten gewust. (Denn auch bey verworfenen Geistern Jst nicht alle Tugend verlohren, damit nicht des Lasters Anhänger ihrer scheinbaren Thaten auf Erden sich rühmen; Thaten von Ehrgeiz erzeugt, und von verborgenem Stolze 490Ueberfirnißt mit Eyfer.) So schloß sich ihr finsterer Reichstag Zweifelsvoll, aber doch freuten sie sich des muthigen Hauptes. So wie von der Gebirge Gipfeln die dunkelen Wolken Aufsteigen, weil der Nordwind schläft [Spaltenumbruch] s), und über des Himmels Holde s) So drückt es Homer aus Iliad.
V, 524. -- [fremdsprachliches Material - 1 Zeile fehlt] -- Weil dieser Wind gemeiniglich die Luft auf klärt, und die Wolken zerstreuet. Jedermann muß durch dieses Gleichniß ausserordentlich aufgeheitert werden; die Bilder sind eben so angenehm in der Natur, als sie für den Leser nach seiner langen Aufmerksamkeit auf die vorhergegangene Berathschlagung er- quickend sind. Ein ähnliches Gleich- niß haben wir im Homer, ob es gleich bey einer sehr verschiednen Gelegen- heit angebracht ist. II. XVI, 297. [fremdsprachliches Material - 6 Zeilen fehlen] So wie der Donnerer itzt von eines mächtigen Berges Gipfel die dunkeln Wolken verjagt; auf einmal erscheinen Alle Warten, die Spitzen der Fel- sen, und Wälder und Haine; Und der Schimmer zerreißt den un- ermeßlichen Aether. [Spaltenumbruch] Noch ein solches ähnliches Gleichniß findet man in einem Sonnet von Spen- ser, wie Thyer angemerkt. Sonn. 40. Mark when she smiles with amiable chear, And tell me whereto can you liken it: When on each eye-lid sweetly do appear An hundred Graces as in shade to sit. Likest it seemeth, in my simple wit, Unto the fair sun shine in sum- mer's day, That when a dreadfull storm away is flit, Through the broad world doth spread his goodly ray: At sight whereof each bird that sits on spray, And every beast that to his den was fled, Come forth afresh out of their late dismay And to the light lift up their droop- ing head. So my storm-beaten heart likewise is cheared, With that sun-shine, when cloudy looks are cleared. Bemerke, Das verlohrne Paradies. 485Daß er der allgemeinen Sicherheit wegen die eigneZu verachten gewuſt. (Denn auch bey verworfenen Geiſtern Jſt nicht alle Tugend verlohren, damit nicht des Laſters Anhaͤnger ihrer ſcheinbaren Thaten auf Erden ſich ruͤhmen; Thaten von Ehrgeiz erzeugt, und von verborgenem Stolze 490Ueberfirnißt mit Eyfer.) So ſchloß ſich ihr finſterer Reichstag Zweifelsvoll, aber doch freuten ſie ſich des muthigen Hauptes. So wie von der Gebirge Gipfeln die dunkelen Wolken Aufſteigen, weil der Nordwind ſchlaͤft [Spaltenumbruch] s), und uͤber des Himmels Holde s) So druͤckt es Homer aus Iliad.
V, 524. — [fremdsprachliches Material – 1 Zeile fehlt] — Weil dieſer Wind gemeiniglich die Luft auf klaͤrt, und die Wolken zerſtreuet. Jedermann muß durch dieſes Gleichniß auſſerordentlich aufgeheitert werden; die Bilder ſind eben ſo angenehm in der Natur, als ſie fuͤr den Leſer nach ſeiner langen Aufmerkſamkeit auf die vorhergegangene Berathſchlagung er- quickend ſind. Ein aͤhnliches Gleich- niß haben wir im Homer, ob es gleich bey einer ſehr verſchiednen Gelegen- heit angebracht iſt. II. XVI, 297. [fremdsprachliches Material – 6 Zeilen fehlen] So wie der Donnerer itzt von eines maͤchtigen Berges Gipfel die dunkeln Wolken verjagt; auf einmal erſcheinen Alle Warten, die Spitzen der Fel- ſen, und Waͤlder und Haine; Und der Schimmer zerreißt den un- ermeßlichen Aether. [Spaltenumbruch] Noch ein ſolches aͤhnliches Gleichniß findet man in einem Sonnet von Spen- ſer, wie Thyer angemerkt. Sonn. 40. Mark when ſhe ſmiles with amiable chear, And tell me whereto can you liken it: When on each eye-lid ſweetly do appear An hundred Graces as in ſhade to ſit. Likeſt it ſeemeth, in my ſimple wit, Unto the fair ſun ſhine in ſum- mer’s day, That when a dreadfull ſtorm away is flit, Through the broad world doth ſpread his goodly ray: At ſight whereof each bird that ſits on ſpray, And every beaſt that to his den was fled, Come forth afreſh out of their late dismay And to the light lift up their droop- ing head. So my ſtorm-beaten heart likewiſe is cheared, With that ſun-ſhine, when cloudy looks are cleared. Bemerke, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="11"> <pb facs="#f0084" n="68"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l><note place="left">485</note>Daß er der allgemeinen Sicherheit wegen die eigne</l><lb/> <l>Zu verachten gewuſt. (Denn auch bey verworfenen Geiſtern</l><lb/> <l>Jſt nicht alle Tugend verlohren, damit nicht des Laſters</l><lb/> <l>Anhaͤnger ihrer ſcheinbaren Thaten auf Erden ſich ruͤhmen;</l><lb/> <l>Thaten von Ehrgeiz erzeugt, und von verborgenem Stolze</l><lb/> <l><note place="left">490</note>Ueberfirnißt mit Eyfer.) So ſchloß ſich ihr finſterer Reichstag</l><lb/> <l>Zweifelsvoll, aber doch freuten ſie ſich des muthigen Hauptes.</l><lb/> <l>So wie von der Gebirge Gipfeln die dunkelen Wolken</l><lb/> <l>Aufſteigen, weil der Nordwind ſchlaͤft <cb/> <note xml:id="a11" next="#a12" place="foot" n="s)">So druͤckt es Homer aus <hi rendition="#aq">Iliad.<lb/> V,</hi> 524.<lb/> — <gap reason="fm" unit="lines" quantity="1"/> —<lb/> Weil dieſer Wind gemeiniglich die Luft<lb/> auf klaͤrt, und die Wolken zerſtreuet.<lb/> Jedermann muß durch dieſes Gleichniß<lb/> auſſerordentlich aufgeheitert werden;<lb/> die Bilder ſind eben ſo angenehm in<lb/> der Natur, als ſie fuͤr den Leſer nach<lb/> ſeiner langen Aufmerkſamkeit auf die<lb/> vorhergegangene Berathſchlagung er-<lb/> quickend ſind. Ein aͤhnliches Gleich-<lb/> niß haben wir im Homer, ob es gleich<lb/> bey einer ſehr verſchiednen Gelegen-<lb/> heit angebracht iſt. <hi rendition="#aq">II. XVI,</hi> 297.<lb/><gap reason="fm" unit="lines" quantity="6"/> So wie der Donnerer itzt von eines<lb/><hi rendition="#et">maͤchtigen Berges</hi><lb/> Gipfel die dunkeln Wolken verjagt;<lb/><hi rendition="#et">auf einmal erſcheinen</hi><lb/> Alle Warten, die Spitzen der Fel-<lb/><hi rendition="#et">ſen, und Waͤlder und Haine;</hi><lb/> Und der Schimmer zerreißt den un-<lb/><hi rendition="#et">ermeßlichen Aether.</hi><lb/><cb/> Noch ein ſolches aͤhnliches Gleichniß<lb/> findet man in einem Sonnet von Spen-<lb/> ſer, wie Thyer angemerkt. Sonn. 40.<lb/><hi rendition="#aq">Mark when ſhe ſmiles with<lb/><hi rendition="#et">amiable chear,</hi><lb/> And tell me whereto can you<lb/><hi rendition="#et">liken it:</hi><lb/> When on each eye-lid ſweetly do<lb/><hi rendition="#et">appear</hi><lb/> An hundred Graces as in ſhade to ſit.<lb/> Likeſt it ſeemeth, in my ſimple wit,<lb/> Unto the fair ſun ſhine in ſum-<lb/><hi rendition="#et">mer’s day,</hi><lb/> That when a dreadfull ſtorm<lb/><hi rendition="#et">away is flit,</hi><lb/> Through the broad world doth<lb/><hi rendition="#et">ſpread his goodly ray:</hi><lb/> At ſight whereof each bird that<lb/><hi rendition="#et">ſits on ſpray,</hi><lb/> And every beaſt that to his den<lb/><hi rendition="#et">was fled,</hi><lb/> Come forth afreſh out of their<lb/><hi rendition="#et">late dismay</hi><lb/> And to the light lift up their droop-<lb/><hi rendition="#et">ing head.</hi><lb/> So my ſtorm-beaten heart likewiſe<lb/><hi rendition="#et">is cheared,</hi><lb/> With that ſun-ſhine, when cloudy<lb/><hi rendition="#et">looks are cleared.</hi></hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Bemerke,</fw></note>, und uͤber des Himmels</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Holde</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [68/0084]
Das verlohrne Paradies.
Daß er der allgemeinen Sicherheit wegen die eigne
Zu verachten gewuſt. (Denn auch bey verworfenen Geiſtern
Jſt nicht alle Tugend verlohren, damit nicht des Laſters
Anhaͤnger ihrer ſcheinbaren Thaten auf Erden ſich ruͤhmen;
Thaten von Ehrgeiz erzeugt, und von verborgenem Stolze
Ueberfirnißt mit Eyfer.) So ſchloß ſich ihr finſterer Reichstag
Zweifelsvoll, aber doch freuten ſie ſich des muthigen Hauptes.
So wie von der Gebirge Gipfeln die dunkelen Wolken
Aufſteigen, weil der Nordwind ſchlaͤft
s), und uͤber des Himmels
Holde
s) So druͤckt es Homer aus Iliad.
V, 524.
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Weil dieſer Wind gemeiniglich die Luft
auf klaͤrt, und die Wolken zerſtreuet.
Jedermann muß durch dieſes Gleichniß
auſſerordentlich aufgeheitert werden;
die Bilder ſind eben ſo angenehm in
der Natur, als ſie fuͤr den Leſer nach
ſeiner langen Aufmerkſamkeit auf die
vorhergegangene Berathſchlagung er-
quickend ſind. Ein aͤhnliches Gleich-
niß haben wir im Homer, ob es gleich
bey einer ſehr verſchiednen Gelegen-
heit angebracht iſt. II. XVI, 297.
______ So wie der Donnerer itzt von eines
maͤchtigen Berges
Gipfel die dunkeln Wolken verjagt;
auf einmal erſcheinen
Alle Warten, die Spitzen der Fel-
ſen, und Waͤlder und Haine;
Und der Schimmer zerreißt den un-
ermeßlichen Aether.
Noch ein ſolches aͤhnliches Gleichniß
findet man in einem Sonnet von Spen-
ſer, wie Thyer angemerkt. Sonn. 40.
Mark when ſhe ſmiles with
amiable chear,
And tell me whereto can you
liken it:
When on each eye-lid ſweetly do
appear
An hundred Graces as in ſhade to ſit.
Likeſt it ſeemeth, in my ſimple wit,
Unto the fair ſun ſhine in ſum-
mer’s day,
That when a dreadfull ſtorm
away is flit,
Through the broad world doth
ſpread his goodly ray:
At ſight whereof each bird that
ſits on ſpray,
And every beaſt that to his den
was fled,
Come forth afreſh out of their
late dismay
And to the light lift up their droop-
ing head.
So my ſtorm-beaten heart likewiſe
is cheared,
With that ſun-ſhine, when cloudy
looks are cleared.
Bemerke,
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