Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Feurig erwiedert ihr drauf der Vater der Menschen die Antwort; Alles ist so am besten, o Weib [Spaltenumbruch] f)! so wie es des Höchsten 360Wille bestimmt. Die schaffende Hand ließ nicht das geringste Mangelhaft, und am mindsten den Menschen. Jhm fehlt nichts von allem, Welches sein Glück zu beschützen vermag -- vor äußrer Gewalt es Zu beschützen vermag; denn bloß in ihm selber verborgen Liegt die Gefahr, doch auch die Kraft, davor sich zu hüten. 365Jhm kann, wenn er's nicht will, kein Leid, kein Unglück begegnen; Doch Gott läßt den Willen ihm frey; denn, was der Vernunft folgt, Das ist frey. Er schuf die Vernunft rein, gut, und geboth ihr, Jmmer auf ihrer Wache zu seyn, damit sie, betrogen Durch ein falsches scheinendes Gut, nicht den Willen verleite, 370Etwas zu thun, was die Stimme des Schöpfers ausdrücklich verbothen Mistraun ist es drum nicht, vielmehr die zärtlichste Liebe, Wenn ich oftermals dich, und du mich wieder ermahnest. Standhaft stehen wir zwar, allein wir können auch gleiten, Da sehr leicht der Vernunft ein täuschender Gegenstand aufstößt, 375Den der betrügrische Feind ihr untergeschoben. So fällt sie Jn f) Jn dieser ganzen Unterredung, wel-
che der Poet in allen Stücken zur höch- sten Vollkommenheit ausgearbeitet hat, wird der Charakter mit der sorgfältigsten Genauigkeit beobachtet. Mit weicher Stärke wird der höhere Verstand des Mannes hier geschildert, und wie fein entwirft der Poet die allgemeinen Män- [Spaltenumbruch] gel der weiblichen Sinnen! Mit welcher Kunst läßt er endlich Adam wider seine bessern Gründe seiner Gehülfinn willfah- ren, indem er mit vieler Kunst unsern ersten Stammvater das wahr machen läßt, was er nicht lange zuvor dem En- gel Raphael gestanden! Thyer.
Feurig erwiedert ihr drauf der Vater der Menſchen die Antwort; Alles iſt ſo am beſten, o Weib [Spaltenumbruch] f)! ſo wie es des Hoͤchſten 360Wille beſtimmt. Die ſchaffende Hand ließ nicht das geringſte Mangelhaft, und am mindſten den Menſchen. Jhm fehlt nichts von allem, Welches ſein Gluͤck zu beſchuͤtzen vermag — vor aͤußrer Gewalt es Zu beſchuͤtzen vermag; denn bloß in ihm ſelber verborgen Liegt die Gefahr, doch auch die Kraft, davor ſich zu huͤten. 365Jhm kann, wenn er’s nicht will, kein Leid, kein Ungluͤck begegnen; Doch Gott laͤßt den Willen ihm frey; denn, was der Vernunft folgt, Das iſt frey. Er ſchuf die Vernunft rein, gut, und geboth ihr, Jmmer auf ihrer Wache zu ſeyn, damit ſie, betrogen Durch ein falſches ſcheinendes Gut, nicht den Willen verleite, 370Etwas zu thun, was die Stimme des Schoͤpfers ausdruͤcklich verbothen Mistraun iſt es drum nicht, vielmehr die zaͤrtlichſte Liebe, Wenn ich oftermals dich, und du mich wieder ermahneſt. Standhaft ſtehen wir zwar, allein wir koͤnnen auch gleiten, Da ſehr leicht der Vernunft ein taͤuſchender Gegenſtand aufſtoͤßt, 375Den der betruͤgriſche Feind ihr untergeſchoben. So faͤllt ſie Jn f) Jn dieſer ganzen Unterredung, wel-
che der Poet in allen Stuͤcken zur hoͤch- ſten Vollkommenheit ausgearbeitet hat, wird der Charakter mit der ſorgfaͤltigſten Genauigkeit beobachtet. Mit weicher Staͤrke wird der hoͤhere Verſtand des Mannes hier geſchildert, und wie fein entwirft der Poet die allgemeinen Maͤn- [Spaltenumbruch] gel der weiblichen Sinnen! Mit welcher Kunſt laͤßt er endlich Adam wider ſeine beſſern Gruͤnde ſeiner Gehuͤlfinn willfah- ren, indem er mit vieler Kunſt unſern erſten Stammvater das wahr machen laͤßt, was er nicht lange zuvor dem En- gel Raphael geſtanden! Thyer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="11"> <l> <pb facs="#f0102" n="82"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Sicher ſeyn koͤnnte. Wie ſchlecht waͤr unſer Gluͤck nicht befeſtigt!<lb/><hi rendition="#fr">Eden</hi> waͤre kein Eden, wenn ſolche Gefahren ihm drohten.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Feurig erwiedert ihr drauf der Vater der Menſchen die Antwort;</l><lb/> <l>Alles iſt ſo am beſten, o Weib <cb/> <note place="foot" n="f)">Jn dieſer ganzen Unterredung, wel-<lb/> che der Poet in allen Stuͤcken zur hoͤch-<lb/> ſten Vollkommenheit ausgearbeitet hat,<lb/> wird der Charakter mit der ſorgfaͤltigſten<lb/> Genauigkeit beobachtet. Mit weicher<lb/> Staͤrke wird der hoͤhere Verſtand des<lb/> Mannes hier geſchildert, und wie fein<lb/> entwirft der Poet die allgemeinen Maͤn-<lb/><cb/> gel der weiblichen Sinnen! Mit welcher<lb/> Kunſt laͤßt er endlich Adam wider ſeine<lb/> beſſern Gruͤnde ſeiner Gehuͤlfinn willfah-<lb/> ren, indem er mit vieler Kunſt unſern<lb/> erſten Stammvater das wahr machen<lb/> laͤßt, was er nicht lange zuvor dem En-<lb/> gel Raphael geſtanden! <hi rendition="#fr">Thyer.</hi></note>! ſo wie es des Hoͤchſten<lb/><note place="left">360</note>Wille beſtimmt. Die ſchaffende Hand ließ nicht das geringſte</l><lb/> <l>Mangelhaft, und am mindſten den Menſchen. Jhm fehlt nichts von allem,</l><lb/> <l>Welches ſein Gluͤck zu beſchuͤtzen vermag — vor aͤußrer Gewalt es</l><lb/> <l>Zu beſchuͤtzen vermag; denn bloß in ihm ſelber verborgen</l><lb/> <l>Liegt die Gefahr, doch auch die Kraft, davor ſich zu huͤten.<lb/><note place="left">365</note>Jhm kann, wenn er’s nicht will, kein Leid, kein Ungluͤck begegnen;</l><lb/> <l>Doch Gott laͤßt den Willen ihm frey; denn, was der Vernunft folgt,</l><lb/> <l>Das iſt frey. Er ſchuf die Vernunft rein, gut, und geboth ihr,</l><lb/> <l>Jmmer auf ihrer Wache zu ſeyn, damit ſie, betrogen</l><lb/> <l>Durch ein falſches ſcheinendes Gut, nicht den Willen verleite,<lb/><note place="left">370</note>Etwas zu thun, was die Stimme des Schoͤpfers ausdruͤcklich verbothen</l><lb/> <l>Mistraun iſt es drum nicht, vielmehr die zaͤrtlichſte Liebe,</l><lb/> <l>Wenn ich oftermals dich, und du mich wieder ermahneſt.</l><lb/> <l>Standhaft ſtehen wir zwar, allein wir koͤnnen auch gleiten,</l><lb/> <l>Da ſehr leicht der Vernunft ein taͤuſchender Gegenſtand aufſtoͤßt,<lb/><note place="left">375</note>Den der betruͤgriſche Feind ihr untergeſchoben. So faͤllt ſie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [82/0102]
Das verlohrne Paradies.
Sicher ſeyn koͤnnte. Wie ſchlecht waͤr unſer Gluͤck nicht befeſtigt!
Eden waͤre kein Eden, wenn ſolche Gefahren ihm drohten.
Feurig erwiedert ihr drauf der Vater der Menſchen die Antwort;
Alles iſt ſo am beſten, o Weib
f)! ſo wie es des Hoͤchſten
Wille beſtimmt. Die ſchaffende Hand ließ nicht das geringſte
Mangelhaft, und am mindſten den Menſchen. Jhm fehlt nichts von allem,
Welches ſein Gluͤck zu beſchuͤtzen vermag — vor aͤußrer Gewalt es
Zu beſchuͤtzen vermag; denn bloß in ihm ſelber verborgen
Liegt die Gefahr, doch auch die Kraft, davor ſich zu huͤten.
Jhm kann, wenn er’s nicht will, kein Leid, kein Ungluͤck begegnen;
Doch Gott laͤßt den Willen ihm frey; denn, was der Vernunft folgt,
Das iſt frey. Er ſchuf die Vernunft rein, gut, und geboth ihr,
Jmmer auf ihrer Wache zu ſeyn, damit ſie, betrogen
Durch ein falſches ſcheinendes Gut, nicht den Willen verleite,
Etwas zu thun, was die Stimme des Schoͤpfers ausdruͤcklich verbothen
Mistraun iſt es drum nicht, vielmehr die zaͤrtlichſte Liebe,
Wenn ich oftermals dich, und du mich wieder ermahneſt.
Standhaft ſtehen wir zwar, allein wir koͤnnen auch gleiten,
Da ſehr leicht der Vernunft ein taͤuſchender Gegenſtand aufſtoͤßt,
Den der betruͤgriſche Feind ihr untergeſchoben. So faͤllt ſie
Jn
f) Jn dieſer ganzen Unterredung, wel-
che der Poet in allen Stuͤcken zur hoͤch-
ſten Vollkommenheit ausgearbeitet hat,
wird der Charakter mit der ſorgfaͤltigſten
Genauigkeit beobachtet. Mit weicher
Staͤrke wird der hoͤhere Verſtand des
Mannes hier geſchildert, und wie fein
entwirft der Poet die allgemeinen Maͤn-
gel der weiblichen Sinnen! Mit welcher
Kunſt laͤßt er endlich Adam wider ſeine
beſſern Gruͤnde ſeiner Gehuͤlfinn willfah-
ren, indem er mit vieler Kunſt unſern
erſten Stammvater das wahr machen
laͤßt, was er nicht lange zuvor dem En-
gel Raphael geſtanden! Thyer.
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