Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Als sie so sprach, entzog sie sanft der Hand des Gemahles 400Jhre Hand; und wandelte fort zu den blühenden Hainen, So wie eine Nymphe des Walds, wie die Oreas fortfliegt, Oder die Dryas, und von dem Gefolge der Delia eine. Aber die Delia selbst übertraf sie im göttlichen Gange, Und in ihrer Gestalt, obgleich nicht Bogen und Köcher 405Auf den Schultern erklang; nur einiges Gartengeräthe Waffnete sie, so wie es die Kunst, die noch nicht gebildet, Sich noch nicht mit Feuer befleckt, verfertiget; oder Wie es ihr Engel gebracht. So ausgeschmückt, glich sie der Pales, Oder Pomonen, da sie der List des Vertumnus entflohen; 410Oder der Ceres, als sie, noch Jungfrau, in blühender Schönheit, Nicht der Proserpina Mutter und nicht vom Zevs noch berührt war. Lange folgt er ihr nach mit seinen verlangenden Blicken Voller Entzückung, und wünschte nur mehr ihr längres Verweilen. Oft wiederhohlt er es ihr, bald wieder zu kommen; sie that ihm 415Eben so oft das Versprechen, zur Mittagsstunde zurücke Jn der Laube zu seyn, um alles darinnen zum Mahle Und zur Nachmittagsruh gehörig in Ordnung zu bringen. Unglückseelge, Betrogne! Jn deiner Zurückkunft betrogne Eva!
Als ſie ſo ſprach, entzog ſie ſanft der Hand des Gemahles 400Jhre Hand; und wandelte fort zu den bluͤhenden Hainen, So wie eine Nymphe des Walds, wie die Oreas fortfliegt, Oder die Dryas, und von dem Gefolge der Delia eine. Aber die Delia ſelbſt uͤbertraf ſie im goͤttlichen Gange, Und in ihrer Geſtalt, obgleich nicht Bogen und Koͤcher 405Auf den Schultern erklang; nur einiges Gartengeraͤthe Waffnete ſie, ſo wie es die Kunſt, die noch nicht gebildet, Sich noch nicht mit Feuer befleckt, verfertiget; oder Wie es ihr Engel gebracht. So ausgeſchmuͤckt, glich ſie der Pales, Oder Pomonen, da ſie der Liſt des Vertumnus entflohen; 410Oder der Ceres, als ſie, noch Jungfrau, in bluͤhender Schoͤnheit, Nicht der Proſerpina Mutter und nicht vom Zevs noch beruͤhrt war. Lange folgt er ihr nach mit ſeinen verlangenden Blicken Voller Entzuͤckung, und wuͤnſchte nur mehr ihr laͤngres Verweilen. Oft wiederhohlt er es ihr, bald wieder zu kommen; ſie that ihm 415Eben ſo oft das Verſprechen, zur Mittagsſtunde zuruͤcke Jn der Laube zu ſeyn, um alles darinnen zum Mahle Und zur Nachmittagsruh gehoͤrig in Ordnung zu bringen. Ungluͤckſeelge, Betrogne! Jn deiner Zuruͤckkunft betrogne Eva!
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="14"> <l><pb facs="#f0104" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi></fw><lb/><note place="left">395</note>Deſto minder vielleicht uns beyde bereitet erfinde.</l><lb/> <l>Doch kaum laͤßt mich der Stolz von unſerm Feinde vermuthen,</l><lb/> <l>Daß es ihm wichtig gnug ſey, zuerſt die Schwaͤchſte zu pruͤfen.</l><lb/> <l>Wenn er es thut, ſo ſoll um ſo mehr mein Sieg ihn beſchaͤmen.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Als ſie ſo ſprach, entzog ſie ſanft der Hand des Gemahles<lb/><note place="left">400</note>Jhre Hand; und wandelte fort zu den bluͤhenden Hainen,</l><lb/> <l>So wie eine Nymphe des Walds, wie die <hi rendition="#fr">Oreas</hi> fortfliegt,</l><lb/> <l>Oder die <hi rendition="#fr">Dryas,</hi> und von dem Gefolge der <hi rendition="#fr">Delia</hi> eine.</l><lb/> <l>Aber die <hi rendition="#fr">Delia</hi> ſelbſt uͤbertraf ſie im goͤttlichen Gange,</l><lb/> <l>Und in ihrer Geſtalt, obgleich nicht Bogen und Koͤcher<lb/><note place="left">405</note>Auf den Schultern erklang; nur einiges Gartengeraͤthe</l><lb/> <l>Waffnete ſie, ſo wie es die Kunſt, die noch nicht gebildet,</l><lb/> <l>Sich noch nicht mit Feuer befleckt, verfertiget; oder</l><lb/> <l>Wie es ihr Engel gebracht. So ausgeſchmuͤckt, glich ſie der <hi rendition="#fr">Pales,</hi></l><lb/> <l>Oder <hi rendition="#fr">Pomonen,</hi> da ſie der Liſt des <hi rendition="#fr">Vertumnus</hi> entflohen;<lb/><note place="left">410</note>Oder der <hi rendition="#fr">Ceres,</hi> als ſie, noch Jungfrau, in bluͤhender Schoͤnheit,</l><lb/> <l>Nicht der <hi rendition="#fr">Proſerpina</hi> Mutter und nicht vom <hi rendition="#fr">Zevs</hi> noch beruͤhrt war.</l><lb/> <l>Lange folgt er ihr nach mit ſeinen verlangenden Blicken</l><lb/> <l>Voller Entzuͤckung, und wuͤnſchte nur mehr ihr laͤngres Verweilen.</l><lb/> <l>Oft wiederhohlt er es ihr, bald wieder zu kommen; ſie that ihm<lb/><note place="left">415</note>Eben ſo oft das Verſprechen, zur Mittagsſtunde zuruͤcke</l><lb/> <l>Jn der Laube zu ſeyn, um alles darinnen zum Mahle</l><lb/> <l>Und zur Nachmittagsruh gehoͤrig in Ordnung zu bringen.</l><lb/> <l>Ungluͤckſeelge, Betrogne! Jn deiner Zuruͤckkunft betrogne<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Eva!</hi></fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [84/0104]
Das verlohrne Paradies.
Deſto minder vielleicht uns beyde bereitet erfinde.
Doch kaum laͤßt mich der Stolz von unſerm Feinde vermuthen,
Daß es ihm wichtig gnug ſey, zuerſt die Schwaͤchſte zu pruͤfen.
Wenn er es thut, ſo ſoll um ſo mehr mein Sieg ihn beſchaͤmen.
Als ſie ſo ſprach, entzog ſie ſanft der Hand des Gemahles
Jhre Hand; und wandelte fort zu den bluͤhenden Hainen,
So wie eine Nymphe des Walds, wie die Oreas fortfliegt,
Oder die Dryas, und von dem Gefolge der Delia eine.
Aber die Delia ſelbſt uͤbertraf ſie im goͤttlichen Gange,
Und in ihrer Geſtalt, obgleich nicht Bogen und Koͤcher
Auf den Schultern erklang; nur einiges Gartengeraͤthe
Waffnete ſie, ſo wie es die Kunſt, die noch nicht gebildet,
Sich noch nicht mit Feuer befleckt, verfertiget; oder
Wie es ihr Engel gebracht. So ausgeſchmuͤckt, glich ſie der Pales,
Oder Pomonen, da ſie der Liſt des Vertumnus entflohen;
Oder der Ceres, als ſie, noch Jungfrau, in bluͤhender Schoͤnheit,
Nicht der Proſerpina Mutter und nicht vom Zevs noch beruͤhrt war.
Lange folgt er ihr nach mit ſeinen verlangenden Blicken
Voller Entzuͤckung, und wuͤnſchte nur mehr ihr laͤngres Verweilen.
Oft wiederhohlt er es ihr, bald wieder zu kommen; ſie that ihm
Eben ſo oft das Verſprechen, zur Mittagsſtunde zuruͤcke
Jn der Laube zu ſeyn, um alles darinnen zum Mahle
Und zur Nachmittagsruh gehoͤrig in Ordnung zu bringen.
Ungluͤckſeelge, Betrogne! Jn deiner Zuruͤckkunft betrogne
Eva!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |