Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Solchen
Solchen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="39"> <l> <pb facs="#f0128" n="108"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Nicht ſo verhaßt mehr, nachdem man die Frucht vorher ſchon verſuchet,</l><lb/> <l>Und ſie die Schlange zuerſt ſchon entweiht, zuerſt ſie entheiligt</l><lb/> <l>Und gemeiner gemacht, noch ehe wir von ihr gegeſſen?<lb/><note place="left">960</note>Und ſie hat auch den Tod nicht in ihr gewirket; ſie lebt noch,</l><lb/> <l>Wie du mir ſagſt; ſie lebt, und hat das Vorrecht gewonnen,</l><lb/> <l>Daß ſie ein hoͤheres Leben, ſo wie die Menſchen, erlangt hat.</l><lb/> <l>Uns ein ſtarker Beweis, daß, wenn wir eben ſo eſſen,</l><lb/> <l>Wir, nach unſerem Maaß, auch hoͤhere Stufen erſteigen.<lb/><note place="left">965</note>Was fuͤr andre koͤnnen das ſeyn, als daß wir zu Goͤttern,</l><lb/> <l>Oder zu Engeln werden. Unmoͤglich kann ich auch glauben,</l><lb/> <l>Daß der weiſe guͤtigſte Gott, wiewohl ers gedrohet,</l><lb/> <l>Uns im Ernſt zu zerſtoͤren vermoͤchte, uns, ſeine Geſchoͤpfe,</l><lb/> <l>Uns, die erſten, die Er ſo hoher Ehre gewuͤrdigt,<lb/><note place="left">970</note>Und weit uͤber alles von ſeinen Werken geſetzet.</l><lb/> <l>Da er ſie alle fuͤr uns nur gemacht: ſo muͤßten ſie gleichfalls</l><lb/> <l>Mit uns vergehn, indem ihr Seyn vom unſrigen abhaͤngt;</l><lb/> <l>Und ſo muͤßte der Schoͤpfer die Schoͤpfung wieder zernichten,</l><lb/> <l>Machen, verderben, und Muͤh und Fleiß vergebens verlieren.<lb/><note place="left">975</note>Dieſes laͤßt ſich nicht denken von Gott. Zwar koͤnnt er die Schoͤpfung,</l><lb/> <l>Durch ſein maͤchtiges Wort, gar bald von neuem vollenden:</l><lb/> <l>Aber er wuͤrd’ uns doch ungern zerſtoͤren, um unſerem Feinde</l><lb/> <l>Den Triumph nicht zu laſſen, mit Rechte zu ſagen: Wie fluͤchtig</l><lb/> <l>Jſt der Zuſtand von denen, die Gott am hoͤchſten begnadigt!<lb/><note place="left">980</note>Wer kann lang ihm gefallen? Mich hat er am erſten zerſtoͤret,</l><lb/> <l>Und nun auch das Menſchengeſchlecht. Wer iſt nun das naͤchſte?<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Solchen</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [108/0128]
Das verlohrne Paradies.
Nicht ſo verhaßt mehr, nachdem man die Frucht vorher ſchon verſuchet,
Und ſie die Schlange zuerſt ſchon entweiht, zuerſt ſie entheiligt
Und gemeiner gemacht, noch ehe wir von ihr gegeſſen?
Und ſie hat auch den Tod nicht in ihr gewirket; ſie lebt noch,
Wie du mir ſagſt; ſie lebt, und hat das Vorrecht gewonnen,
Daß ſie ein hoͤheres Leben, ſo wie die Menſchen, erlangt hat.
Uns ein ſtarker Beweis, daß, wenn wir eben ſo eſſen,
Wir, nach unſerem Maaß, auch hoͤhere Stufen erſteigen.
Was fuͤr andre koͤnnen das ſeyn, als daß wir zu Goͤttern,
Oder zu Engeln werden. Unmoͤglich kann ich auch glauben,
Daß der weiſe guͤtigſte Gott, wiewohl ers gedrohet,
Uns im Ernſt zu zerſtoͤren vermoͤchte, uns, ſeine Geſchoͤpfe,
Uns, die erſten, die Er ſo hoher Ehre gewuͤrdigt,
Und weit uͤber alles von ſeinen Werken geſetzet.
Da er ſie alle fuͤr uns nur gemacht: ſo muͤßten ſie gleichfalls
Mit uns vergehn, indem ihr Seyn vom unſrigen abhaͤngt;
Und ſo muͤßte der Schoͤpfer die Schoͤpfung wieder zernichten,
Machen, verderben, und Muͤh und Fleiß vergebens verlieren.
Dieſes laͤßt ſich nicht denken von Gott. Zwar koͤnnt er die Schoͤpfung,
Durch ſein maͤchtiges Wort, gar bald von neuem vollenden:
Aber er wuͤrd’ uns doch ungern zerſtoͤren, um unſerem Feinde
Den Triumph nicht zu laſſen, mit Rechte zu ſagen: Wie fluͤchtig
Jſt der Zuſtand von denen, die Gott am hoͤchſten begnadigt!
Wer kann lang ihm gefallen? Mich hat er am erſten zerſtoͤret,
Und nun auch das Menſchengeſchlecht. Wer iſt nun das naͤchſte?
Solchen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |