Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Also sprach er. Und keinen Blick, kein buhlrisch Bezeigen Unterließ er; es wurde sehr wohl von Even verstanden; 1070Und ihr Auge schoß gleichfalls auf ihn ansteckendes Feuer. Er ergriff sie erhitzt bey der Hand, und führte sie, willig Zur verliebten Umarmung, nach einer schattichten Bank hin, Welche mit| einer laubichten Decke dicht oben verhängt war. Blumen r) Unser Dichter hat hier die Unter-
redung zwischen dem Paris und der He- lena, und die zwischen dem Jupiter und der Juno auf dem Berge Jda in Gedan- ken gehabt. Wie Pope anmerkt, hat Milton diese schlüpfrige Stelle mit großer Klugheit und Wohlanständigkeit nachge- [Spaltenumbruch] ahmt. Was im Homer eine gottlose Er- dichtung scheint, wird zur Sittenlehre im Milton, weil er diese hitzige Wuth der Wollust zur unmittelbaren Wirkung der Sünde unserer ersten Eltern nach dem Falle macht. N.
Alſo ſprach er. Und keinen Blick, kein buhlriſch Bezeigen Unterließ er; es wurde ſehr wohl von Even verſtanden; 1070Und ihr Auge ſchoß gleichfalls auf ihn anſteckendes Feuer. Er ergriff ſie erhitzt bey der Hand, und fuͤhrte ſie, willig Zur verliebten Umarmung, nach einer ſchattichten Bank hin, Welche mit| einer laubichten Decke dicht oben verhaͤngt war. Blumen r) Unſer Dichter hat hier die Unter-
redung zwiſchen dem Paris und der He- lena, und die zwiſchen dem Jupiter und der Juno auf dem Berge Jda in Gedan- ken gehabt. Wie Pope anmerkt, hat Milton dieſe ſchluͤpfrige Stelle mit großer Klugheit und Wohlanſtaͤndigkeit nachge- [Spaltenumbruch] ahmt. Was im Homer eine gottloſe Er- dichtung ſcheint, wird zur Sittenlehre im Milton, weil er dieſe hitzige Wuth der Wolluſt zur unmittelbaren Wirkung der Suͤnde unſerer erſten Eltern nach dem Falle macht. N. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="42"> <l> <pb facs="#f0132" n="112"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Welches Vergnuͤgen haben wir nicht indeſſen verlohren,<lb/><note place="left">1055</note>Als wir die reizende Frucht uns verſagt; wir hatten, bis itzo</l><lb/> <l>Jn dem Geſchmacke noch nie die wahre Wolluſt empfunden.</l><lb/> <l>Steckt in verbothenen Dingen ſo ſeltene Reizung verborgen,</l><lb/> <l>O ſo ſollte man wuͤnſchen, daß ſtatt des einzigen Baumes</l><lb/> <l>Man uns zehn verbothen. Doch komm, ſo herrlich erfriſchet,<lb/><note place="left">1060</note>Wollen wir ſcherzen, ſo wie ſichs gebuͤhrt nach ſolchen Gerichten,</l><lb/> <l>Solchem vortrefflichen Mahl. Seit jenem gluͤcklichen Tage,</l><lb/> <l>Da ich am erſten dich ſah, und dich mir auf ewig vermaͤhlte,</l><lb/> <l>Hat dein zaubriſcher Blick, ſo ſchoͤn du auch immer mir ſchieneſt,</l><lb/> <l>Und ſo vollkommen du auch mit allem ausgeſchmuͤckt worden,<lb/><note place="left">1065</note>Meine Sinnen doch nie zu ſolchen Begierden entflammet,</l><lb/> <l>Dich zu genießen, als itzt. Du ſcheinſt mir ſchoͤner, als jemals <cb/> <note place="foot" n="r)">Unſer Dichter hat hier die Unter-<lb/> redung zwiſchen dem Paris und der He-<lb/> lena, und die zwiſchen dem Jupiter und<lb/> der Juno auf dem Berge Jda in Gedan-<lb/> ken gehabt. Wie Pope anmerkt, hat<lb/> Milton dieſe ſchluͤpfrige Stelle mit großer<lb/> Klugheit und Wohlanſtaͤndigkeit nachge-<lb/><cb/> ahmt. Was im Homer eine gottloſe Er-<lb/> dichtung ſcheint, wird zur Sittenlehre<lb/> im Milton, weil er dieſe hitzige Wuth der<lb/> Wolluſt zur unmittelbaren Wirkung der<lb/> Suͤnde unſerer erſten Eltern nach dem<lb/> Falle macht. <hi rendition="#fr">N.</hi></note>;</l><lb/> <l>Eine Wirkung unſtreitig von dieſem guͤtigen Baume.</l> </lg><lb/> <lg n="43"> <l>Alſo ſprach er. Und keinen Blick, kein buhlriſch Bezeigen</l><lb/> <l>Unterließ er; es wurde ſehr wohl von <hi rendition="#fr">Even</hi> verſtanden;<lb/><note place="left">1070</note>Und ihr Auge ſchoß gleichfalls auf ihn anſteckendes Feuer.</l><lb/> <l>Er ergriff ſie erhitzt bey der Hand, und fuͤhrte ſie, willig</l><lb/> <l>Zur verliebten Umarmung, nach einer ſchattichten Bank hin,</l><lb/> <l>Welche mit| einer laubichten Decke dicht oben verhaͤngt war.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Blumen</fw><lb/> </body> </text> </TEI> [112/0132]
Das verlohrne Paradies.
Welches Vergnuͤgen haben wir nicht indeſſen verlohren,
Als wir die reizende Frucht uns verſagt; wir hatten, bis itzo
Jn dem Geſchmacke noch nie die wahre Wolluſt empfunden.
Steckt in verbothenen Dingen ſo ſeltene Reizung verborgen,
O ſo ſollte man wuͤnſchen, daß ſtatt des einzigen Baumes
Man uns zehn verbothen. Doch komm, ſo herrlich erfriſchet,
Wollen wir ſcherzen, ſo wie ſichs gebuͤhrt nach ſolchen Gerichten,
Solchem vortrefflichen Mahl. Seit jenem gluͤcklichen Tage,
Da ich am erſten dich ſah, und dich mir auf ewig vermaͤhlte,
Hat dein zaubriſcher Blick, ſo ſchoͤn du auch immer mir ſchieneſt,
Und ſo vollkommen du auch mit allem ausgeſchmuͤckt worden,
Meine Sinnen doch nie zu ſolchen Begierden entflammet,
Dich zu genießen, als itzt. Du ſcheinſt mir ſchoͤner, als jemals
r);
Eine Wirkung unſtreitig von dieſem guͤtigen Baume.
Alſo ſprach er. Und keinen Blick, kein buhlriſch Bezeigen
Unterließ er; es wurde ſehr wohl von Even verſtanden;
Und ihr Auge ſchoß gleichfalls auf ihn anſteckendes Feuer.
Er ergriff ſie erhitzt bey der Hand, und fuͤhrte ſie, willig
Zur verliebten Umarmung, nach einer ſchattichten Bank hin,
Welche mit| einer laubichten Decke dicht oben verhaͤngt war.
Blumen
r) Unſer Dichter hat hier die Unter-
redung zwiſchen dem Paris und der He-
lena, und die zwiſchen dem Jupiter und
der Juno auf dem Berge Jda in Gedan-
ken gehabt. Wie Pope anmerkt, hat
Milton dieſe ſchluͤpfrige Stelle mit großer
Klugheit und Wohlanſtaͤndigkeit nachge-
ahmt. Was im Homer eine gottloſe Er-
dichtung ſcheint, wird zur Sittenlehre
im Milton, weil er dieſe hitzige Wuth der
Wolluſt zur unmittelbaren Wirkung der
Suͤnde unſerer erſten Eltern nach dem
Falle macht. N.
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