1030Sondern thöricht besiegt vom Reize der weiblichen Schönheit. Jtzt erbebte die Erd' im innersten Eingeweide, Wie vom neuen im Kampfe des Todes; die bange Natur stieß Jhre Seufzer zum zweytenmal aus; es umwölkte die Luft sich, Und ein dumpfichter Donner durchrollte den Himmel, und weinte 1035Einige traurige Tropfen, daß nun die tödtliche Sünde So vollbracht war. Adam indeß bemerkt nicht die Zeichen, Sondern sättiget sich nach seinem Gefallen; auch Eva Schenet sich nicht, die begangene Sünde von neuem zu wagen, Um mit ihrer geliebten Gesellschaft noch mehr ihm zu schmeicheln. 1040Beyde schwimmen nunmehr, als wie von Weine berauschet, Jn Vergnügen und Freuden; sie fühlen in ihren Gedanken Schon die wachsenden Flügel zur Gottheit, womit sie der Erde Spotten wollten im Flug. Doch eine ganz andere Wirkung Zeigte bereits die betrügliche Frucht. Zu fleischlichen Lüsten 1045Wurden sie bald drauf entflammt. Er schoß am ersten auf Even Seine lüsternen Blicke; sie gab sie eben so lüstern Jhm mit wildem Verlangen zurück. Sie brannten vor Wollust, Bis er zum Wunsche der Liebe mit folgenden Worten sie fodert.
Eva, nun seh ich, wie sehr du in dem feinsten Geschmacke 1050Meine Lehrerinn bist. Er ist das schlechteste Stück nicht Unserer Weisheit, indem wir ihn selbst vom Gedanken gebrauchen, Und den Gaumen verständig nennen. Nimm dieses mein Lob an, Da der heutige Tag von dir so trefflich besorgt ist.
Welches
Neunter Geſang.
1030Sondern thoͤricht beſiegt vom Reize der weiblichen Schoͤnheit. Jtzt erbebte die Erd’ im innerſten Eingeweide, Wie vom neuen im Kampfe des Todes; die bange Natur ſtieß Jhre Seufzer zum zweytenmal aus; es umwoͤlkte die Luft ſich, Und ein dumpfichter Donner durchrollte den Himmel, und weinte 1035Einige traurige Tropfen, daß nun die toͤdtliche Suͤnde So vollbracht war. Adam indeß bemerkt nicht die Zeichen, Sondern ſaͤttiget ſich nach ſeinem Gefallen; auch Eva Schenet ſich nicht, die begangene Suͤnde von neuem zu wagen, Um mit ihrer geliebten Geſellſchaft noch mehr ihm zu ſchmeicheln. 1040Beyde ſchwimmen nunmehr, als wie von Weine berauſchet, Jn Vergnuͤgen und Freuden; ſie fuͤhlen in ihren Gedanken Schon die wachſenden Fluͤgel zur Gottheit, womit ſie der Erde Spotten wollten im Flug. Doch eine ganz andere Wirkung Zeigte bereits die betruͤgliche Frucht. Zu fleiſchlichen Luͤſten 1045Wurden ſie bald drauf entflammt. Er ſchoß am erſten auf Even Seine luͤſternen Blicke; ſie gab ſie eben ſo luͤſtern Jhm mit wildem Verlangen zuruͤck. Sie brannten vor Wolluſt, Bis er zum Wunſche der Liebe mit folgenden Worten ſie fodert.
Eva, nun ſeh ich, wie ſehr du in dem feinſten Geſchmacke 1050Meine Lehrerinn biſt. Er iſt das ſchlechteſte Stuͤck nicht Unſerer Weisheit, indem wir ihn ſelbſt vom Gedanken gebrauchen, Und den Gaumen verſtaͤndig nennen. Nimm dieſes mein Lob an, Da der heutige Tag von dir ſo trefflich beſorgt iſt.
Welches
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Neunter Geſang.
Sondern thoͤricht beſiegt vom Reize der weiblichen Schoͤnheit.
Jtzt erbebte die Erd’ im innerſten Eingeweide,
Wie vom neuen im Kampfe des Todes; die bange Natur ſtieß
Jhre Seufzer zum zweytenmal aus; es umwoͤlkte die Luft ſich,
Und ein dumpfichter Donner durchrollte den Himmel, und weinte
Einige traurige Tropfen, daß nun die toͤdtliche Suͤnde
So vollbracht war. Adam indeß bemerkt nicht die Zeichen,
Sondern ſaͤttiget ſich nach ſeinem Gefallen; auch Eva
Schenet ſich nicht, die begangene Suͤnde von neuem zu wagen,
Um mit ihrer geliebten Geſellſchaft noch mehr ihm zu ſchmeicheln.
Beyde ſchwimmen nunmehr, als wie von Weine berauſchet,
Jn Vergnuͤgen und Freuden; ſie fuͤhlen in ihren Gedanken
Schon die wachſenden Fluͤgel zur Gottheit, womit ſie der Erde
Spotten wollten im Flug. Doch eine ganz andere Wirkung
Zeigte bereits die betruͤgliche Frucht. Zu fleiſchlichen Luͤſten
Wurden ſie bald drauf entflammt. Er ſchoß am erſten auf Even
Seine luͤſternen Blicke; ſie gab ſie eben ſo luͤſtern
Jhm mit wildem Verlangen zuruͤck. Sie brannten vor Wolluſt,
Bis er zum Wunſche der Liebe mit folgenden Worten ſie fodert.
Eva, nun ſeh ich, wie ſehr du in dem feinſten Geſchmacke
Meine Lehrerinn biſt. Er iſt das ſchlechteſte Stuͤck nicht
Unſerer Weisheit, indem wir ihn ſelbſt vom Gedanken gebrauchen,
Und den Gaumen verſtaͤndig nennen. Nimm dieſes mein Lob an,
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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/131>, abgerufen am 22.07.2024.
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