Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Adam jammerte so laut mit sich selber in Klagen Durch die einsame Nacht, die itzt nicht lieblich und milde, Nicht gesund mehr war, wie vor dem Falle des Menschen; 905Sondern fürchterlich schwarz, mit schädlichen Dämpfen erfüllet, Welche sein erschrocknes Gewissen mit doppeltem Schauder Alles empfinden ließ. Hingestreckt lag er in trauriger Stellung Auf dem Boden, dem kalten Boden, indem er verzweifelnd Oftmals seine Schöpfung verflucht, und eben so öfters 910Selbst den Tod anklagt, daß er zu lange verzögre, Da er ihm doch auf den Tag der Uebertretung gedroht sey. Warum kömmt nicht der Tod, (so sprach er,) und endet mein Leben Mit dem mir dreymal willkommenen Schlage? Vergißt denn die Wahrheit Jhre Drohung zu halten? will Gottes Gerechtigkeit zögern? 915Jst sie nun nicht mehr gerecht? Jedoch auf alles mein Rufen Kömmt nicht der Tod; die Gerechtigkeit Gottes beschleuniget auch nicht Jhren trägesten Schritt auf unser Flehen und Klagen. O ihr Wälder, und Quellen, ihr Hügel, ihr Thäler und Lauben! Welch ein anderer Wiederhall klang so kürzlich von euch noch 920Mir zurück! wie schalltet ihr mir mit andern Gesängen. Als ihn Eva so niedergeschlagen, so trostlos erblickte, Trat sie traurig vom Orte, wo sie, in Kummer versenket, Sprachlos gesessen, näher zu ihm. Mit schmeichelnden Worten Sucht
Adam jammerte ſo laut mit ſich ſelber in Klagen Durch die einſame Nacht, die itzt nicht lieblich und milde, Nicht geſund mehr war, wie vor dem Falle des Menſchen; 905Sondern fuͤrchterlich ſchwarz, mit ſchaͤdlichen Daͤmpfen erfuͤllet, Welche ſein erſchrocknes Gewiſſen mit doppeltem Schauder Alles empfinden ließ. Hingeſtreckt lag er in trauriger Stellung Auf dem Boden, dem kalten Boden, indem er verzweifelnd Oftmals ſeine Schoͤpfung verflucht, und eben ſo oͤfters 910Selbſt den Tod anklagt, daß er zu lange verzoͤgre, Da er ihm doch auf den Tag der Uebertretung gedroht ſey. Warum koͤmmt nicht der Tod, (ſo ſprach er,) und endet mein Leben Mit dem mir dreymal willkommenen Schlage? Vergißt denn die Wahrheit Jhre Drohung zu halten? will Gottes Gerechtigkeit zoͤgern? 915Jſt ſie nun nicht mehr gerecht? Jedoch auf alles mein Rufen Koͤmmt nicht der Tod; die Gerechtigkeit Gottes beſchleuniget auch nicht Jhren traͤgeſten Schritt auf unſer Flehen und Klagen. O ihr Waͤlder, und Quellen, ihr Huͤgel, ihr Thaͤler und Lauben! Welch ein anderer Wiederhall klang ſo kuͤrzlich von euch noch 920Mir zuruͤck! wie ſchalltet ihr mir mit andern Geſaͤngen. Als ihn Eva ſo niedergeſchlagen, ſo troſtlos erblickte, Trat ſie traurig vom Orte, wo ſie, in Kummer verſenket, Sprachlos geſeſſen, naͤher zu ihm. Mit ſchmeichelnden Worten Sucht
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Das verlohrne Paradies.
Haſt du hinab mich geſtuͤrzt! Aus allen dieſen Gedanken
Jſt kein Ausgang, ich ſinke vielmehr vom Tiefen ins Tiefre.
Adam jammerte ſo laut mit ſich ſelber in Klagen
Durch die einſame Nacht, die itzt nicht lieblich und milde,
Nicht geſund mehr war, wie vor dem Falle des Menſchen;
Sondern fuͤrchterlich ſchwarz, mit ſchaͤdlichen Daͤmpfen erfuͤllet,
Welche ſein erſchrocknes Gewiſſen mit doppeltem Schauder
Alles empfinden ließ. Hingeſtreckt lag er in trauriger Stellung
Auf dem Boden, dem kalten Boden, indem er verzweifelnd
Oftmals ſeine Schoͤpfung verflucht, und eben ſo oͤfters
Selbſt den Tod anklagt, daß er zu lange verzoͤgre,
Da er ihm doch auf den Tag der Uebertretung gedroht ſey.
Warum koͤmmt nicht der Tod, (ſo ſprach er,) und endet mein Leben
Mit dem mir dreymal willkommenen Schlage? Vergißt denn die Wahrheit
Jhre Drohung zu halten? will Gottes Gerechtigkeit zoͤgern?
Jſt ſie nun nicht mehr gerecht? Jedoch auf alles mein Rufen
Koͤmmt nicht der Tod; die Gerechtigkeit Gottes beſchleuniget auch nicht
Jhren traͤgeſten Schritt auf unſer Flehen und Klagen.
O ihr Waͤlder, und Quellen, ihr Huͤgel, ihr Thaͤler und Lauben!
Welch ein anderer Wiederhall klang ſo kuͤrzlich von euch noch
Mir zuruͤck! wie ſchalltet ihr mir mit andern Geſaͤngen.
Als ihn Eva ſo niedergeſchlagen, ſo troſtlos erblickte,
Trat ſie traurig vom Orte, wo ſie, in Kummer verſenket,
Sprachlos geſeſſen, naͤher zu ihm. Mit ſchmeichelnden Worten
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