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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Zehnter Gesang.
875So enterbt, indem ihr mir itzt mit Vitterkeit fluchet!
Ach! muß denn das ganze Geschlecht unschuldiger Menschen
Eines einzigen Schuldigen wegen verurtheilet werden,
Wenn es anders unschuldig ist? Doch kann denn von mir wohl
Etwas anders entstehn, als was nicht völlig verderbt ist,
880Was an Seel' und Willen nicht nur verderbt ist; nein, was auch

Eben dasselbe thut, und eben dasselbe mit dir will?
Können sie so denn verkehrt vorm Angesicht Gottes bestehen?
Nein, ich werde gezwungen, nach allem diesen Gezänke,
Frey ihn zu sprechen; umsonst sind meine Vertheidgungen alle,
885Alles, was ich vernünftle; durch labyrinthische Krümmen

Führen sie endlich mich doch zum eignen Bekenntniß zurücke,
Daß ich Unrecht gethan. Die Schuld von meinem Vergehen
Fällt auf mich zuerst und zuletzt, auf mich nur alleine;
Und mit Recht, als auf die Quelle von allem Verderben!
890Möchte doch auch auf mich nur allein sein Zorn sich ergießen!

Thörichter Wunsch! vermöchtest du wohl die Last zu ertragen,
Welche schwerer zu tragen, als dieser Erdball; noch schwerer,
Als die ganze Welt, ob diese verderbliche Frau gleich
Mit dir sie theilt? So raubet mit gleichem vergeblichen Troste,
895Was du wünschest und fürchtest, dir alle Hoffnung zur Zuflucht,

Und erklärt dich für elend zuletzt, elender, als jemals
Jemand gewesen, und noch seyn wird; dem Satan allein nur
Gleich in seinem Verbrechen, und gleich in seiner Bestrafung.
O Gewissen! in welchen Schlund von Schrecken und Sorgen

Hast

Zehnter Geſang.
875So enterbt, indem ihr mir itzt mit Vitterkeit fluchet!
Ach! muß denn das ganze Geſchlecht unſchuldiger Menſchen
Eines einzigen Schuldigen wegen verurtheilet werden,
Wenn es anders unſchuldig iſt? Doch kann denn von mir wohl
Etwas anders entſtehn, als was nicht voͤllig verderbt iſt,
880Was an Seel’ und Willen nicht nur verderbt iſt; nein, was auch

Eben daſſelbe thut, und eben daſſelbe mit dir will?
Koͤnnen ſie ſo denn verkehrt vorm Angeſicht Gottes beſtehen?
Nein, ich werde gezwungen, nach allem dieſen Gezaͤnke,
Frey ihn zu ſprechen; umſonſt ſind meine Vertheidgungen alle,
885Alles, was ich vernuͤnftle; durch labyrinthiſche Kruͤmmen

Fuͤhren ſie endlich mich doch zum eignen Bekenntniß zuruͤcke,
Daß ich Unrecht gethan. Die Schuld von meinem Vergehen
Faͤllt auf mich zuerſt und zuletzt, auf mich nur alleine;
Und mit Recht, als auf die Quelle von allem Verderben!
890Moͤchte doch auch auf mich nur allein ſein Zorn ſich ergießen!

Thoͤrichter Wunſch! vermoͤchteſt du wohl die Laſt zu ertragen,
Welche ſchwerer zu tragen, als dieſer Erdball; noch ſchwerer,
Als die ganze Welt, ob dieſe verderbliche Frau gleich
Mit dir ſie theilt? So raubet mit gleichem vergeblichen Troſte,
895Was du wuͤnſcheſt und fuͤrchteſt, dir alle Hoffnung zur Zuflucht,

Und erklaͤrt dich fuͤr elend zuletzt, elender, als jemals
Jemand geweſen, und noch ſeyn wird; dem Satan allein nur
Gleich in ſeinem Verbrechen, und gleich in ſeiner Beſtrafung.
O Gewiſſen! in welchen Schlund von Schrecken und Sorgen

Haſt
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[159/0181] Zehnter Geſang. So enterbt, indem ihr mir itzt mit Vitterkeit fluchet! Ach! muß denn das ganze Geſchlecht unſchuldiger Menſchen Eines einzigen Schuldigen wegen verurtheilet werden, Wenn es anders unſchuldig iſt? Doch kann denn von mir wohl Etwas anders entſtehn, als was nicht voͤllig verderbt iſt, Was an Seel’ und Willen nicht nur verderbt iſt; nein, was auch Eben daſſelbe thut, und eben daſſelbe mit dir will? Koͤnnen ſie ſo denn verkehrt vorm Angeſicht Gottes beſtehen? Nein, ich werde gezwungen, nach allem dieſen Gezaͤnke, Frey ihn zu ſprechen; umſonſt ſind meine Vertheidgungen alle, Alles, was ich vernuͤnftle; durch labyrinthiſche Kruͤmmen Fuͤhren ſie endlich mich doch zum eignen Bekenntniß zuruͤcke, Daß ich Unrecht gethan. Die Schuld von meinem Vergehen Faͤllt auf mich zuerſt und zuletzt, auf mich nur alleine; Und mit Recht, als auf die Quelle von allem Verderben! Moͤchte doch auch auf mich nur allein ſein Zorn ſich ergießen! Thoͤrichter Wunſch! vermoͤchteſt du wohl die Laſt zu ertragen, Welche ſchwerer zu tragen, als dieſer Erdball; noch ſchwerer, Als die ganze Welt, ob dieſe verderbliche Frau gleich Mit dir ſie theilt? So raubet mit gleichem vergeblichen Troſte, Was du wuͤnſcheſt und fuͤrchteſt, dir alle Hoffnung zur Zuflucht, Und erklaͤrt dich fuͤr elend zuletzt, elender, als jemals Jemand geweſen, und noch ſeyn wird; dem Satan allein nur Gleich in ſeinem Verbrechen, und gleich in ſeiner Beſtrafung. O Gewiſſen! in welchen Schlund von Schrecken und Sorgen Haſt

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/181>, abgerufen am 23.11.2024.