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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.

Seinen Zorn an dem Menschen verüben, indem der so endlich
850Durch den Tod ist? kann er den Tod untödtlich machen?

Welch ein Widerspruch wäre dieß nicht! er ist bey dem Schöpfer
Selbst nicht möglich, da dieses nicht Macht, nein, Schwachheit nur zeigte.
Könnt' er, um seine Rache zu stillen, der Endlichkeit Gränzen
Jn dem gestraften Menschen bis zur Unendlichkeit dehnen,
855Um so seiner Strenge Genüge zu leisten, die dennoch

Nimmer befriediget wird: so würd' er sein schreckliches Urtheil
Dadurch über den Staub, und über alle Gesetze
Dieser Natur hinaus erstrecken, nach welchen Gesetzen
Alles doch in der Natur nach seiner Eigenschaft wirket,
860Und nicht über die Gränzen der eigenen Sphäre hinausgeht.

Aber gesetzt, es wäre der Tod, so wie ich vermuthet,
Nicht ein einziger Schlag, der mich der Empfindung beraubte;
Sondern ein unaufhörliches Elend vom heutigen Tag' an,
Das ich in mir und außer mir schon zu mächtig nur fühle,
865Und dieß Elend daurete so auf ewig? O weh mir!

Diese Furcht schlägt donnernd aufs neu mit schrecklichem Rückfall
Auf mein schuldiges Haupt, das alles Schutzes beraubt ist!
Jch, und der Tod, sind ewig vereint! sind beyde zusammen
Unzertrennlich verknüpft in einem einzigen Körper;
870Und nicht ich nur allein, mit mir mein ganzes Geschlechte

Jst ihm geweiht, und verflucht! O welch ein herrliches Erbtheil
Laß ich euch also zurück, ihr meine Söhne! Vermöcht' ich
Dieses Erbtheil allein zu verschwenden, und nichts von demselben
Euch zu lassen: wie würdet ihr mich zufrieden nicht segnen,

So

Das verlohrne Paradies.

Seinen Zorn an dem Menſchen veruͤben, indem der ſo endlich
850Durch den Tod iſt? kann er den Tod untoͤdtlich machen?

Welch ein Widerſpruch waͤre dieß nicht! er iſt bey dem Schoͤpfer
Selbſt nicht moͤglich, da dieſes nicht Macht, nein, Schwachheit nur zeigte.
Koͤnnt’ er, um ſeine Rache zu ſtillen, der Endlichkeit Graͤnzen
Jn dem geſtraften Menſchen bis zur Unendlichkeit dehnen,
855Um ſo ſeiner Strenge Genuͤge zu leiſten, die dennoch

Nimmer befriediget wird: ſo wuͤrd’ er ſein ſchreckliches Urtheil
Dadurch uͤber den Staub, und uͤber alle Geſetze
Dieſer Natur hinaus erſtrecken, nach welchen Geſetzen
Alles doch in der Natur nach ſeiner Eigenſchaft wirket,
860Und nicht uͤber die Graͤnzen der eigenen Sphaͤre hinausgeht.

Aber geſetzt, es waͤre der Tod, ſo wie ich vermuthet,
Nicht ein einziger Schlag, der mich der Empfindung beraubte;
Sondern ein unaufhoͤrliches Elend vom heutigen Tag’ an,
Das ich in mir und außer mir ſchon zu maͤchtig nur fuͤhle,
865Und dieß Elend daurete ſo auf ewig? O weh mir!

Dieſe Furcht ſchlaͤgt donnernd aufs neu mit ſchrecklichem Ruͤckfall
Auf mein ſchuldiges Haupt, das alles Schutzes beraubt iſt!
Jch, und der Tod, ſind ewig vereint! ſind beyde zuſammen
Unzertrennlich verknuͤpft in einem einzigen Koͤrper;
870Und nicht ich nur allein, mit mir mein ganzes Geſchlechte

Jſt ihm geweiht, und verflucht! O welch ein herrliches Erbtheil
Laß ich euch alſo zuruͤck, ihr meine Soͤhne! Vermoͤcht’ ich
Dieſes Erbtheil allein zu verſchwenden, und nichts von demſelben
Euch zu laſſen: wie wuͤrdet ihr mich zufrieden nicht ſegnen,

So
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[158/0180] Das verlohrne Paradies. Seinen Zorn an dem Menſchen veruͤben, indem der ſo endlich Durch den Tod iſt? kann er den Tod untoͤdtlich machen? Welch ein Widerſpruch waͤre dieß nicht! er iſt bey dem Schoͤpfer Selbſt nicht moͤglich, da dieſes nicht Macht, nein, Schwachheit nur zeigte. Koͤnnt’ er, um ſeine Rache zu ſtillen, der Endlichkeit Graͤnzen Jn dem geſtraften Menſchen bis zur Unendlichkeit dehnen, Um ſo ſeiner Strenge Genuͤge zu leiſten, die dennoch Nimmer befriediget wird: ſo wuͤrd’ er ſein ſchreckliches Urtheil Dadurch uͤber den Staub, und uͤber alle Geſetze Dieſer Natur hinaus erſtrecken, nach welchen Geſetzen Alles doch in der Natur nach ſeiner Eigenſchaft wirket, Und nicht uͤber die Graͤnzen der eigenen Sphaͤre hinausgeht. Aber geſetzt, es waͤre der Tod, ſo wie ich vermuthet, Nicht ein einziger Schlag, der mich der Empfindung beraubte; Sondern ein unaufhoͤrliches Elend vom heutigen Tag’ an, Das ich in mir und außer mir ſchon zu maͤchtig nur fuͤhle, Und dieß Elend daurete ſo auf ewig? O weh mir! Dieſe Furcht ſchlaͤgt donnernd aufs neu mit ſchrecklichem Ruͤckfall Auf mein ſchuldiges Haupt, das alles Schutzes beraubt iſt! Jch, und der Tod, ſind ewig vereint! ſind beyde zuſammen Unzertrennlich verknuͤpft in einem einzigen Koͤrper; Und nicht ich nur allein, mit mir mein ganzes Geſchlechte Jſt ihm geweiht, und verflucht! O welch ein herrliches Erbtheil Laß ich euch alſo zuruͤck, ihr meine Soͤhne! Vermoͤcht’ ich Dieſes Erbtheil allein zu verſchwenden, und nichts von demſelben Euch zu laſſen: wie wuͤrdet ihr mich zufrieden nicht ſegnen, So

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/180>, abgerufen am 23.11.2024.