Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.Das verlohrne Paradies. 5Nicht den Namen, dein Wesen ruf ich zum kühneren Lied an, Denn du bist keine der Musen [Spaltenumbruch] b), bewohnst auch des alten Olympus Gipfel nicht; sondern bist himmlisch gebohren. Bevor noch die Hügel Sich erhoben, und Quellen geströmt, da hast du vertraut schon Mit der ewigen Weisheit dich unterhalten; der Weisheit, 10Deiner Schwester; und rührtest mit ihr die himmlischen Saiten Vor dem allmächtigen Vater, der an den harmonischen Liedern Selbst sich ergötzte. Geleitet durch dich, erkühnte mein Flug sich Jn den Himmel der Himmel hinauf zu steigen. Dort trank ich Als ein irdischer Gaft die empyreischen Lüfte, 15Die du gemäßigt für mich. Jtzt leite mich eben so sicher Wieder zur Erde zurück, von der ich entsprungen; damit ich Nicht, (wie Bellerophon einst, der aber aus niedrigern Lüften Stürzte,) von diesem fliegenden Roß, das kein Zügel regieret, Abgeworfen, herunter falle, die Felder des Aleus c) 20Durchzuwandern, verirrt und verlohren in einsamen Wüsten. Noch die Hälfte des Lieds ist ungesungen, doch enger Jn die sichtbare Sphäre des irdischen Tages beschränket. Da ich auf sterblichem Boden nun steh, und die kühnen Gedanken Nicht b) Tasso in seiner Anrufung drückt sich eben so aus. Gier. Lib. Cant. 1. St. 2. O Musa, tu, che di caduchi allori Non circondi la fronte in Helicona; Ma su nel cielo infra i beati chori Hai di stelle immortali aurea corona. Du, o Muse, nicht die, die mit ver- gänglichen Lorbeern Auf des Helikons Höhe sich ihre Stirne bekränzet, [Spaltenumbruch] Sondern jene, geschmückt im Kreis der seligen Chöre Mit dem güldenen stralenden Kranz von unsterblichen Sternen. Thyer. c) Bellerophon, ein Sohn des
Glaucus, war ein tapferer Jüngling, der in verschiedenen Unternehmungen vol- ler Gefahren obsiegte. Als er aber auf dem geflügelten Pferde Pegasus den Him- mel erreichen wollte, fiel er herunter und kam in den Wüsten Aleus um. N. Das verlohrne Paradies. 5Nicht den Namen, dein Weſen ruf ich zum kuͤhneren Lied an, Denn du biſt keine der Muſen [Spaltenumbruch] b), bewohnſt auch des alten Olympus Gipfel nicht; ſondern biſt himmliſch gebohren. Bevor noch die Huͤgel Sich erhoben, und Quellen geſtroͤmt, da haſt du vertraut ſchon Mit der ewigen Weisheit dich unterhalten; der Weisheit, 10Deiner Schweſter; und ruͤhrteſt mit ihr die himmliſchen Saiten Vor dem allmaͤchtigen Vater, der an den harmoniſchen Liedern Selbſt ſich ergoͤtzte. Geleitet durch dich, erkuͤhnte mein Flug ſich Jn den Himmel der Himmel hinauf zu ſteigen. Dort trank ich Als ein irdiſcher Gaft die empyreiſchen Luͤfte, 15Die du gemaͤßigt fuͤr mich. Jtzt leite mich eben ſo ſicher Wieder zur Erde zuruͤck, von der ich entſprungen; damit ich Nicht, (wie Bellerophon einſt, der aber aus niedrigern Luͤften Stuͤrzte,) von dieſem fliegenden Roß, das kein Zuͤgel regieret, Abgeworfen, herunter falle, die Felder des Aleus c) 20Durchzuwandern, verirrt und verlohren in einſamen Wuͤſten. Noch die Haͤlfte des Lieds iſt ungeſungen, doch enger Jn die ſichtbare Sphaͤre des irdiſchen Tages beſchraͤnket. Da ich auf ſterblichem Boden nun ſteh, und die kuͤhnen Gedanken Nicht b) Taſſo in ſeiner Anrufung druͤckt ſich eben ſo aus. Gier. Lib. Cant. 1. St. 2. O Muſa, tu, che di caduchi allori Non circondi la fronte in Helicona; Ma ſu nel cielo infra i beati chori Hai di ſtelle immortali aurea corona. Du, o Muſe, nicht die, die mit ver- gaͤnglichen Lorbeern Auf des Helikons Hoͤhe ſich ihre Stirne bekraͤnzet, [Spaltenumbruch] Sondern jene, geſchmuͤckt im Kreis der ſeligen Choͤre Mit dem guͤldenen ſtralenden Kranz von unſterblichen Sternen. Thyer. c) Bellerophon, ein Sohn des
Glaucus, war ein tapferer Juͤngling, der in verſchiedenen Unternehmungen vol- ler Gefahren obſiegte. Als er aber auf dem gefluͤgelten Pferde Pegaſus den Him- mel erreichen wollte, fiel er herunter und kam in den Wuͤſten Aleus um. N. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0020" n="4"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <note place="left">5</note> <lg n="2"> <l>Nicht den Namen, dein Weſen ruf ich zum kuͤhneren Lied an,</l><lb/> <l>Denn du biſt keine der Muſen <cb/> <note place="foot" n="b)">Taſſo in ſeiner Anrufung druͤckt ſich<lb/> eben ſo aus. <hi rendition="#aq">Gier. Lib. Cant. 1. St. 2.<lb/> O Muſa, tu, che di caduchi allori<lb/> Non circondi la fronte in <hi rendition="#i">Helicona;<lb/> Ma ſu nel cielo</hi> infra i beati chori<lb/> Hai di ſtelle immortali aurea corona.</hi><lb/> Du, o Muſe, nicht die, die mit ver-<lb/><hi rendition="#et">gaͤnglichen Lorbeern</hi><lb/> Auf des <hi rendition="#fr">Helikons</hi> Hoͤhe ſich ihre<lb/><hi rendition="#et">Stirne bekraͤnzet,</hi><lb/><cb/> Sondern jene, geſchmuͤckt im Kreis<lb/><hi rendition="#et">der ſeligen Choͤre</hi><lb/> Mit dem guͤldenen ſtralenden Kranz<lb/> von unſterblichen Sternen. <hi rendition="#fr">Thyer.</hi></note>, bewohnſt auch des alten <hi rendition="#fr">Olympus</hi></l><lb/> <l>Gipfel nicht; ſondern biſt himmliſch gebohren. Bevor noch die Huͤgel</l><lb/> <l>Sich erhoben, und Quellen geſtroͤmt, da haſt du vertraut ſchon</l><lb/> <l>Mit der ewigen Weisheit dich unterhalten; der Weisheit,</l><lb/> <l><note place="left">10</note>Deiner Schweſter; und ruͤhrteſt mit ihr die himmliſchen Saiten</l><lb/> <l>Vor dem allmaͤchtigen Vater, der an den harmoniſchen Liedern</l><lb/> <l>Selbſt ſich ergoͤtzte. Geleitet durch dich, erkuͤhnte mein Flug ſich</l><lb/> <l>Jn den Himmel der Himmel hinauf zu ſteigen. Dort trank ich</l><lb/> <l>Als ein irdiſcher Gaft die empyreiſchen Luͤfte,<lb/><note place="left">15</note>Die du gemaͤßigt fuͤr mich. Jtzt leite mich eben ſo ſicher</l><lb/> <l>Wieder zur Erde zuruͤck, von der ich entſprungen; damit ich</l><lb/> <l>Nicht, (wie <hi rendition="#fr">Bellerophon</hi> einſt, der aber aus niedrigern Luͤften</l><lb/> <l>Stuͤrzte,) von dieſem fliegenden Roß, das kein Zuͤgel regieret,</l><lb/> <l>Abgeworfen, herunter falle, die Felder des <hi rendition="#fr">Aleus</hi> <note place="foot" n="c)"><hi rendition="#fr">Bellerophon,</hi> ein Sohn des<lb/><hi rendition="#fr">Glaucus,</hi> war ein tapferer Juͤngling,<lb/> der in verſchiedenen Unternehmungen vol-<lb/> ler Gefahren obſiegte. Als er aber auf<lb/> dem gefluͤgelten Pferde <hi rendition="#fr">Pegaſus</hi> den Him-<lb/> mel erreichen wollte, fiel er herunter und<lb/> kam in den Wuͤſten <hi rendition="#fr">Aleus</hi> um. <hi rendition="#fr">N.</hi></note><lb/><note place="left">20</note>Durchzuwandern, verirrt und verlohren in einſamen Wuͤſten.</l><lb/> <l>Noch die Haͤlfte des Lieds iſt ungeſungen, doch enger</l><lb/> <l>Jn die ſichtbare Sphaͤre des irdiſchen Tages beſchraͤnket.</l><lb/> <l>Da ich auf ſterblichem Boden nun ſteh, und die kuͤhnen Gedanken<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Nicht</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [4/0020]
Das verlohrne Paradies.
Nicht den Namen, dein Weſen ruf ich zum kuͤhneren Lied an,
Denn du biſt keine der Muſen
b), bewohnſt auch des alten Olympus
Gipfel nicht; ſondern biſt himmliſch gebohren. Bevor noch die Huͤgel
Sich erhoben, und Quellen geſtroͤmt, da haſt du vertraut ſchon
Mit der ewigen Weisheit dich unterhalten; der Weisheit,
Deiner Schweſter; und ruͤhrteſt mit ihr die himmliſchen Saiten
Vor dem allmaͤchtigen Vater, der an den harmoniſchen Liedern
Selbſt ſich ergoͤtzte. Geleitet durch dich, erkuͤhnte mein Flug ſich
Jn den Himmel der Himmel hinauf zu ſteigen. Dort trank ich
Als ein irdiſcher Gaft die empyreiſchen Luͤfte,
Die du gemaͤßigt fuͤr mich. Jtzt leite mich eben ſo ſicher
Wieder zur Erde zuruͤck, von der ich entſprungen; damit ich
Nicht, (wie Bellerophon einſt, der aber aus niedrigern Luͤften
Stuͤrzte,) von dieſem fliegenden Roß, das kein Zuͤgel regieret,
Abgeworfen, herunter falle, die Felder des Aleus c)
Durchzuwandern, verirrt und verlohren in einſamen Wuͤſten.
Noch die Haͤlfte des Lieds iſt ungeſungen, doch enger
Jn die ſichtbare Sphaͤre des irdiſchen Tages beſchraͤnket.
Da ich auf ſterblichem Boden nun ſteh, und die kuͤhnen Gedanken
Nicht
b) Taſſo in ſeiner Anrufung druͤckt ſich
eben ſo aus. Gier. Lib. Cant. 1. St. 2.
O Muſa, tu, che di caduchi allori
Non circondi la fronte in Helicona;
Ma ſu nel cielo infra i beati chori
Hai di ſtelle immortali aurea corona.
Du, o Muſe, nicht die, die mit ver-
gaͤnglichen Lorbeern
Auf des Helikons Hoͤhe ſich ihre
Stirne bekraͤnzet,
Sondern jene, geſchmuͤckt im Kreis
der ſeligen Choͤre
Mit dem guͤldenen ſtralenden Kranz
von unſterblichen Sternen. Thyer.
c) Bellerophon, ein Sohn des
Glaucus, war ein tapferer Juͤngling,
der in verſchiedenen Unternehmungen vol-
ler Gefahren obſiegte. Als er aber auf
dem gefluͤgelten Pferde Pegaſus den Him-
mel erreichen wollte, fiel er herunter und
kam in den Wuͤſten Aleus um. N.
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