Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.Eilfter Gesang. 130Dieses sagt er. Die englische Kraft bereitet sich alsbald Zu der schnellen Hinabfarth; mit ihm ein glänzender Haufen Flammender Cherubim. Jeglicher hatte vier Angesichter [Spaltenumbruch] e) , Wie ein doppelter Janus; und ihre ganze Gestalt war Mit hellblitzenden Augen bedeckt; in größerer Anzahl, 135Als des wachenden Argus Haupt f) ; zu wachsam, als daß sie Durch den bezaubernden Ton von einer arkadischen Flöte, Oder vom Hirtenrohre Merkurs, und seinem geweihten, Schlummerschaffenden Stab' in Schlaf zu wiegen gewesen. Unterdessen erwacht, um mit dem heiligen Lichte 140Wieder die Erde zu grüßen, Leucothea g) ; duftender Balsam Floß von ihr auf die Fluren herab: als Adam und Eva Jhre Gebethe vollbracht; sie fühlten Stärkung von oben, Neue Hoffnungen, sich aus ihrer Verzweiflung zu retten; Freude, jedoch mit Furcht noch vermischt. Mit leichterem Herzen 145Wandt er an Even aufs neu so seine willkommenen Worte: Eva, e) Diese poetische Beschreibung hat Milton aus dem Propheten Ezechiel ge- nommen, wenn er von den Cherubim sagt, jegliches hatte vier Angesichter, und waren samt ihren ganzen Lei- be, Rücken, Händen, und Flügeln, voll Augen. Cap. X. 12. 14. f) Die Geschichte des Argus ist be- kannt. Er hatte hundert Augen. Her- mes oder Merkur, wurde vom Jupiter gebraucht, ihn mit seiner Flöte einzuschlä- fern, und ihn umzubringen. Z. g) Die weiße Göttinn nach dem Griechischen; bey den Lateinern heißt sie [Spaltenumbruch] Matuta. Dieß ist der letzte Morgen in dem Gedichte, der Morgen des unglück- lichen Tages, da unsre ersten Eltern aus dem Paradiese getrieben wurden. Der Poet, wie Newton anmerkt, scheint mit Fleiß in der Dauer der Zeit seines Ge- dichts einige Dunkelheit gelassen zu ha- ben, weil die Schrift selbst nicht genau bestimmt, wie bald nach dem Falle die ersten Menschen aus dem Paradiese ver- trieben worden. Nach Newtons Aus- rechnung ist dieses der eilfte Tag des Ge- dichts. Z. Z 2
Eilfter Geſang. 130Dieſes ſagt er. Die engliſche Kraft bereitet ſich alsbald Zu der ſchnellen Hinabfarth; mit ihm ein glaͤnzender Haufen Flammender Cherubim. Jeglicher hatte vier Angeſichter [Spaltenumbruch] e) , Wie ein doppelter Janus; und ihre ganze Geſtalt war Mit hellblitzenden Augen bedeckt; in groͤßerer Anzahl, 135Als des wachenden Argus Haupt f) ; zu wachſam, als daß ſie Durch den bezaubernden Ton von einer arkadiſchen Floͤte, Oder vom Hirtenrohre Merkurs, und ſeinem geweihten, Schlummerſchaffenden Stab’ in Schlaf zu wiegen geweſen. Unterdeſſen erwacht, um mit dem heiligen Lichte 140Wieder die Erde zu gruͤßen, Leucothea g) ; duftender Balſam Floß von ihr auf die Fluren herab: als Adam und Eva Jhre Gebethe vollbracht; ſie fuͤhlten Staͤrkung von oben, Neue Hoffnungen, ſich aus ihrer Verzweiflung zu retten; Freude, jedoch mit Furcht noch vermiſcht. Mit leichterem Herzen 145Wandt er an Even aufs neu ſo ſeine willkommenen Worte: Eva, e) Dieſe poetiſche Beſchreibung hat Milton aus dem Propheten Ezechiel ge- nommen, wenn er von den Cherubim ſagt, jegliches hatte vier Angeſichter, und waren ſamt ihren ganzen Lei- be, Rücken, Händen, und Flügeln, voll Augen. Cap. X. 12. 14. f) Die Geſchichte des Argus iſt be- kannt. Er hatte hundert Augen. Her- mes oder Merkur, wurde vom Jupiter gebraucht, ihn mit ſeiner Floͤte einzuſchlaͤ- fern, und ihn umzubringen. Z. g) Die weiße Göttinn nach dem Griechiſchen; bey den Lateinern heißt ſie [Spaltenumbruch] Matuta. Dieß iſt der letzte Morgen in dem Gedichte, der Morgen des ungluͤck- lichen Tages, da unſre erſten Eltern aus dem Paradieſe getrieben wurden. Der Poet, wie Newton anmerkt, ſcheint mit Fleiß in der Dauer der Zeit ſeines Ge- dichts einige Dunkelheit gelaſſen zu ha- ben, weil die Schrift ſelbſt nicht genau beſtimmt, wie bald nach dem Falle die erſten Menſchen aus dem Paradieſe ver- trieben worden. Nach Newtons Aus- rechnung iſt dieſes der eilfte Tag des Ge- dichts. Z. Z 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0203" n="179"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Eilfter Geſang.</hi> </fw><lb/> <note place="left">130</note> <lg n="7"> <l>Dieſes ſagt er. Die engliſche Kraft bereitet ſich alsbald</l><lb/> <l>Zu der ſchnellen Hinabfarth; mit ihm ein glaͤnzender Haufen</l><lb/> <l>Flammender Cherubim. Jeglicher hatte vier Angeſichter <cb/> <note place="foot" n="e)">Dieſe poetiſche Beſchreibung hat<lb/> Milton aus dem Propheten Ezechiel ge-<lb/> nommen, wenn er von den Cherubim<lb/> ſagt, <hi rendition="#fr">jegliches hatte vier Angeſichter,<lb/> und waren ſamt ihren ganzen Lei-<lb/> be, Rücken, Händen, und Flügeln,<lb/> voll Augen.</hi> Cap. <hi rendition="#aq">X.</hi> 12. 14.</note> ,</l><lb/> <l>Wie ein doppelter <hi rendition="#fr">Janus;</hi> und ihre ganze Geſtalt war</l><lb/> <l>Mit hellblitzenden Augen bedeckt; in groͤßerer Anzahl,<lb/><note place="left">135</note>Als des wachenden <hi rendition="#fr">Argus</hi> Haupt <note place="foot" n="f)">Die Geſchichte des Argus iſt be-<lb/> kannt. Er hatte hundert Augen. <hi rendition="#fr">Her-<lb/> mes</hi> oder <hi rendition="#fr">Merkur,</hi> wurde vom Jupiter<lb/> gebraucht, ihn mit ſeiner Floͤte einzuſchlaͤ-<lb/> fern, und ihn umzubringen. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note> ; zu wachſam, als daß ſie</l><lb/> <l>Durch den bezaubernden Ton von einer arkadiſchen Floͤte,</l><lb/> <l>Oder vom Hirtenrohre <hi rendition="#fr">Merkurs,</hi> und ſeinem geweihten,</l><lb/> <l>Schlummerſchaffenden Stab’ in Schlaf zu wiegen geweſen.</l><lb/> <l>Unterdeſſen erwacht, um mit dem heiligen Lichte<lb/><note place="left">140</note>Wieder die Erde zu gruͤßen, <hi rendition="#fr">Leucothea</hi> <note place="foot" n="g)"><hi rendition="#fr">Die weiße Göttinn</hi> nach dem<lb/> Griechiſchen; bey den Lateinern heißt ſie<lb/><cb/> <hi rendition="#aq">Matuta.</hi> Dieß iſt der letzte Morgen in<lb/> dem Gedichte, der Morgen des ungluͤck-<lb/> lichen Tages, da unſre erſten Eltern aus<lb/> dem Paradieſe getrieben wurden. Der<lb/> Poet, wie Newton anmerkt, ſcheint mit<lb/> Fleiß in der Dauer der Zeit ſeines Ge-<lb/> dichts einige Dunkelheit gelaſſen zu ha-<lb/> ben, weil die Schrift ſelbſt nicht genau<lb/> beſtimmt, wie bald nach dem Falle die<lb/> erſten Menſchen aus dem Paradieſe ver-<lb/> trieben worden. Nach Newtons Aus-<lb/> rechnung iſt dieſes der eilfte Tag des Ge-<lb/> dichts. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note> ; duftender Balſam</l><lb/> <l>Floß von ihr auf die Fluren herab: als <hi rendition="#fr">Adam</hi> und <hi rendition="#fr">Eva</hi></l><lb/> <l>Jhre Gebethe vollbracht; ſie fuͤhlten Staͤrkung von oben,</l><lb/> <l>Neue Hoffnungen, ſich aus ihrer Verzweiflung zu retten;</l><lb/> <l>Freude, jedoch mit Furcht noch vermiſcht. Mit leichterem Herzen<lb/><note place="left">145</note>Wandt er an <hi rendition="#fr">Even</hi> aufs neu ſo ſeine willkommenen Worte:</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Eva,</hi> </fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [179/0203]
Eilfter Geſang.
Dieſes ſagt er. Die engliſche Kraft bereitet ſich alsbald
Zu der ſchnellen Hinabfarth; mit ihm ein glaͤnzender Haufen
Flammender Cherubim. Jeglicher hatte vier Angeſichter
e) ,
Wie ein doppelter Janus; und ihre ganze Geſtalt war
Mit hellblitzenden Augen bedeckt; in groͤßerer Anzahl,
Als des wachenden Argus Haupt f) ; zu wachſam, als daß ſie
Durch den bezaubernden Ton von einer arkadiſchen Floͤte,
Oder vom Hirtenrohre Merkurs, und ſeinem geweihten,
Schlummerſchaffenden Stab’ in Schlaf zu wiegen geweſen.
Unterdeſſen erwacht, um mit dem heiligen Lichte
Wieder die Erde zu gruͤßen, Leucothea g) ; duftender Balſam
Floß von ihr auf die Fluren herab: als Adam und Eva
Jhre Gebethe vollbracht; ſie fuͤhlten Staͤrkung von oben,
Neue Hoffnungen, ſich aus ihrer Verzweiflung zu retten;
Freude, jedoch mit Furcht noch vermiſcht. Mit leichterem Herzen
Wandt er an Even aufs neu ſo ſeine willkommenen Worte:
Eva,
e) Dieſe poetiſche Beſchreibung hat
Milton aus dem Propheten Ezechiel ge-
nommen, wenn er von den Cherubim
ſagt, jegliches hatte vier Angeſichter,
und waren ſamt ihren ganzen Lei-
be, Rücken, Händen, und Flügeln,
voll Augen. Cap. X. 12. 14.
f) Die Geſchichte des Argus iſt be-
kannt. Er hatte hundert Augen. Her-
mes oder Merkur, wurde vom Jupiter
gebraucht, ihn mit ſeiner Floͤte einzuſchlaͤ-
fern, und ihn umzubringen. Z.
g) Die weiße Göttinn nach dem
Griechiſchen; bey den Lateinern heißt ſie
Matuta. Dieß iſt der letzte Morgen in
dem Gedichte, der Morgen des ungluͤck-
lichen Tages, da unſre erſten Eltern aus
dem Paradieſe getrieben wurden. Der
Poet, wie Newton anmerkt, ſcheint mit
Fleiß in der Dauer der Zeit ſeines Ge-
dichts einige Dunkelheit gelaſſen zu ha-
ben, weil die Schrift ſelbſt nicht genau
beſtimmt, wie bald nach dem Falle die
erſten Menſchen aus dem Paradieſe ver-
trieben worden. Nach Newtons Aus-
rechnung iſt dieſes der eilfte Tag des Ge-
dichts. Z.
Z 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |