Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.Das verlohrne Paradies. Michael fügte nichts weiter hinzu; denn über die Nachricht Stand schon Adam, verwundet von scharfen Klauen des Kummers, 280Sprachlos, bleich, erstarrt, und aller Sinne beraubet. Eva indeß, die verborgen dieß alles gehöret, verrieth bald Jhren Aufenthalt so mit diesen vernehmlichen Klagen. O des unerwarteten Schlags [Spaltenumbruch]
m) ! viel schwerer zu tragen, Als der Schlag des Todes! Muß ich dich also verlassen, 285Paradies! dich also verlassen, o glücklicher Boden, Welcher mich werden gesehn! euch, o ihr seeligen Auen, Euch ihr Schatten und Lauben, ein Wohnplatz selber für Götter Nicht zu schlecht, in welchem ich hoffte, zwar traurig, doch ruhig, Jene Fristung des Tages zu enden, der einmal uns trennen, 290Uns vernichten soll! Jhr, o ihr lieblichen Blumen, Die ihr gewiß nicht wieder in andern Gegenden wachset, Jhr, des Morgens mein früher Besuch, des Abends mein letzter, Die ich mit zärtlicher Hand von der ersten sich öffnenden Knospe Aufgezogen, und Namen euch gab; wer wird euch in Zukunft 295Gegen die Sonne verbreiten; in eure Geschlechter euch ordnen, Und aus jenem ambrosischen Quell gehörig euch wässern? Und du zuletzt, o Hochzeitslaube! Du, die ich mit allem Ausgeschmückt, was dem Gesicht, und was dem Geruche geschmeichelt, O wie soll ich mich scheiden von dir? wie soll ich hinunter Wandern m) Schon alle Kunstrichter haben an-
gemerkt, daß der Poet mit großer Kunst die Klagen unsrer ersten Eltern ausge- drückt. Wie sanft und weiblich sind die [Spaltenumbruch] Klagen der Eva, und wie männlich-trau- rig das Betragen unsers ersten Stamm- vaters. Z. Das verlohrne Paradies. Michael fuͤgte nichts weiter hinzu; denn uͤber die Nachricht Stand ſchon Adam, verwundet von ſcharfen Klauen des Kummers, 280Sprachlos, bleich, erſtarrt, und aller Sinne beraubet. Eva indeß, die verborgen dieß alles gehoͤret, verrieth bald Jhren Aufenthalt ſo mit dieſen vernehmlichen Klagen. O des unerwarteten Schlags [Spaltenumbruch]
m) ! viel ſchwerer zu tragen, Als der Schlag des Todes! Muß ich dich alſo verlaſſen, 285Paradies! dich alſo verlaſſen, o gluͤcklicher Boden, Welcher mich werden geſehn! euch, o ihr ſeeligen Auen, Euch ihr Schatten und Lauben, ein Wohnplatz ſelber fuͤr Goͤtter Nicht zu ſchlecht, in welchem ich hoffte, zwar traurig, doch ruhig, Jene Friſtung des Tages zu enden, der einmal uns trennen, 290Uns vernichten ſoll! Jhr, o ihr lieblichen Blumen, Die ihr gewiß nicht wieder in andern Gegenden wachſet, Jhr, des Morgens mein fruͤher Beſuch, des Abends mein letzter, Die ich mit zaͤrtlicher Hand von der erſten ſich oͤffnenden Knoſpe Aufgezogen, und Namen euch gab; wer wird euch in Zukunft 295Gegen die Sonne verbreiten; in eure Geſchlechter euch ordnen, Und aus jenem ambroſiſchen Quell gehoͤrig euch waͤſſern? Und du zuletzt, o Hochzeitslaube! Du, die ich mit allem Ausgeſchmuͤckt, was dem Geſicht, und was dem Geruche geſchmeichelt, O wie ſoll ich mich ſcheiden von dir? wie ſoll ich hinunter Wandern m) Schon alle Kunſtrichter haben an-
gemerkt, daß der Poet mit großer Kunſt die Klagen unſrer erſten Eltern ausge- druͤckt. Wie ſanft und weiblich ſind die [Spaltenumbruch] Klagen der Eva, und wie maͤnnlich-trau- rig das Betragen unſers erſten Stamm- vaters. Z. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0210" n="186"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <lg n="16"> <l><hi rendition="#fr">Michael</hi> fuͤgte nichts weiter hinzu; denn uͤber die Nachricht</l><lb/> <l>Stand ſchon <hi rendition="#fr">Adam,</hi> verwundet von ſcharfen Klauen des Kummers,<lb/><note place="left">280</note>Sprachlos, bleich, erſtarrt, und aller Sinne beraubet.<lb/><hi rendition="#fr">Eva</hi> indeß, die verborgen dieß alles gehoͤret, verrieth bald</l><lb/> <l>Jhren Aufenthalt ſo mit dieſen vernehmlichen Klagen.</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>O des unerwarteten Schlags <cb/> <note place="foot" n="m)">Schon alle Kunſtrichter haben an-<lb/> gemerkt, daß der Poet mit großer Kunſt<lb/> die Klagen unſrer erſten Eltern ausge-<lb/> druͤckt. Wie ſanft und weiblich ſind die<lb/><cb/> Klagen der Eva, und wie maͤnnlich-trau-<lb/> rig das Betragen unſers erſten Stamm-<lb/> vaters. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note> ! viel ſchwerer zu tragen,</l><lb/> <l>Als der Schlag des Todes! Muß ich dich alſo verlaſſen,<lb/><note place="left">285</note>Paradies! dich alſo verlaſſen, o gluͤcklicher Boden,</l><lb/> <l>Welcher mich werden geſehn! euch, o ihr ſeeligen Auen,</l><lb/> <l>Euch ihr Schatten und Lauben, ein Wohnplatz ſelber fuͤr Goͤtter</l><lb/> <l>Nicht zu ſchlecht, in welchem ich hoffte, zwar traurig, doch ruhig,</l><lb/> <l>Jene Friſtung des Tages zu enden, der einmal uns trennen,<lb/><note place="left">290</note>Uns vernichten ſoll! Jhr, o ihr lieblichen Blumen,</l><lb/> <l>Die ihr gewiß nicht wieder in andern Gegenden wachſet,</l><lb/> <l>Jhr, des Morgens mein fruͤher Beſuch, des Abends mein letzter,</l><lb/> <l>Die ich mit zaͤrtlicher Hand von der erſten ſich oͤffnenden Knoſpe</l><lb/> <l>Aufgezogen, und Namen euch gab; wer wird euch in Zukunft<lb/><note place="left">295</note>Gegen die Sonne verbreiten; in eure Geſchlechter euch ordnen,</l><lb/> <l>Und aus jenem ambroſiſchen Quell gehoͤrig euch waͤſſern?</l><lb/> <l>Und du zuletzt, o Hochzeitslaube! Du, die ich mit allem</l><lb/> <l>Ausgeſchmuͤckt, was dem Geſicht, und was dem Geruche geſchmeichelt,</l><lb/> <l>O wie ſoll ich mich ſcheiden von dir? wie ſoll ich hinunter<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wandern</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [186/0210]
Das verlohrne Paradies.
Michael fuͤgte nichts weiter hinzu; denn uͤber die Nachricht
Stand ſchon Adam, verwundet von ſcharfen Klauen des Kummers,
Sprachlos, bleich, erſtarrt, und aller Sinne beraubet.
Eva indeß, die verborgen dieß alles gehoͤret, verrieth bald
Jhren Aufenthalt ſo mit dieſen vernehmlichen Klagen.
O des unerwarteten Schlags
m) ! viel ſchwerer zu tragen,
Als der Schlag des Todes! Muß ich dich alſo verlaſſen,
Paradies! dich alſo verlaſſen, o gluͤcklicher Boden,
Welcher mich werden geſehn! euch, o ihr ſeeligen Auen,
Euch ihr Schatten und Lauben, ein Wohnplatz ſelber fuͤr Goͤtter
Nicht zu ſchlecht, in welchem ich hoffte, zwar traurig, doch ruhig,
Jene Friſtung des Tages zu enden, der einmal uns trennen,
Uns vernichten ſoll! Jhr, o ihr lieblichen Blumen,
Die ihr gewiß nicht wieder in andern Gegenden wachſet,
Jhr, des Morgens mein fruͤher Beſuch, des Abends mein letzter,
Die ich mit zaͤrtlicher Hand von der erſten ſich oͤffnenden Knoſpe
Aufgezogen, und Namen euch gab; wer wird euch in Zukunft
Gegen die Sonne verbreiten; in eure Geſchlechter euch ordnen,
Und aus jenem ambroſiſchen Quell gehoͤrig euch waͤſſern?
Und du zuletzt, o Hochzeitslaube! Du, die ich mit allem
Ausgeſchmuͤckt, was dem Geſicht, und was dem Geruche geſchmeichelt,
O wie ſoll ich mich ſcheiden von dir? wie ſoll ich hinunter
Wandern
m) Schon alle Kunſtrichter haben an-
gemerkt, daß der Poet mit großer Kunſt
die Klagen unſrer erſten Eltern ausge-
druͤckt. Wie ſanft und weiblich ſind die
Klagen der Eva, und wie maͤnnlich-trau-
rig das Betragen unſers erſten Stamm-
vaters. Z.
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