Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Und ihn durch dieß schreckliche Beyspiel gewarnet, vor gleichem
45Traurigen schweren Fall, so wohl sich selber in Eden,

Als die Nachwelt auch, die seinen Lenden entsprungen,
Zu bewahren; und da der Baum der verbothnen Erkenntniß
Jhnen versagt war, dieß einzge Geboth, so leicht zu erfüllen,
Niemals zu brechen, und sich vielmehr an mancherley Arten
50Andrer vollkommenen Früchte den lüstern Geschmack zu vergnügen.

Voller Verwundrung hatt' er mit Eva, seiner Vermählten,
Die Erzählung gehört; und saß in tiefen Gedanken
Ueber so hohe fremde Geschichte, so seltene Dinge,
Welche sie kaum sich zu denken vermochten; als Haß in dem Himmel,
55Stolz, und Feindschaft und Krieg, in solcher wilden Verwirrung,

Und so nah an der Seeligkeit Sitz, und dem Throne des Ewgen.
Aber das ausgestoßne, zurückgetriebene Böse,
Stürzte stromweis' auf die, durch die es am ersten entsprungen,
Da es unmöglich sich mit dem Genuß der reinesten Freuden
60Jemals vermischt. Drum ließ auch Adam die Zweifel bald fahren,

Die er deshalb sich gemacht. Ein starkes unsündges Verlangen
Fasset ihn itzt, vom Engel zu wissen, was näher ihn angieng,
Wie die Welt, wie Himmel und Erd, im Anfang entstanden,
Wenn, und woraus sie geschaffen, zu welchem Zwecke; was vor ihm
65Jnn- und außerhalb Eden geschehn. Wie ein durstender Wandrer,

Der erst eben die labende Quelle geschmeckt, noch begierig
Auf dem rinnenden Strom, der mit lebendigem Murmeln
Jmmer noch neuen Durst ihm erregt, sein Auge verweilet:
So fuhr Adam auch fort den himmlischem Gast zu befragen.

Große

Das verlohrne Paradies.

Und ihn durch dieß ſchreckliche Beyſpiel gewarnet, vor gleichem
45Traurigen ſchweren Fall, ſo wohl ſich ſelber in Eden,

Als die Nachwelt auch, die ſeinen Lenden entſprungen,
Zu bewahren; und da der Baum der verbothnen Erkenntniß
Jhnen verſagt war, dieß einzge Geboth, ſo leicht zu erfuͤllen,
Niemals zu brechen, und ſich vielmehr an mancherley Arten
50Andrer vollkommenen Fruͤchte den luͤſtern Geſchmack zu vergnuͤgen.

Voller Verwundrung hatt’ er mit Eva, ſeiner Vermaͤhlten,
Die Erzaͤhlung gehoͤrt; und ſaß in tiefen Gedanken
Ueber ſo hohe fremde Geſchichte, ſo ſeltene Dinge,
Welche ſie kaum ſich zu denken vermochten; als Haß in dem Himmel,
55Stolz, und Feindſchaft und Krieg, in ſolcher wilden Verwirrung,

Und ſo nah an der Seeligkeit Sitz, und dem Throne des Ewgen.
Aber das ausgeſtoßne, zuruͤckgetriebene Boͤſe,
Stuͤrzte ſtromweiſ’ auf die, durch die es am erſten entſprungen,
Da es unmoͤglich ſich mit dem Genuß der reineſten Freuden
60Jemals vermiſcht. Drum ließ auch Adam die Zweifel bald fahren,

Die er deshalb ſich gemacht. Ein ſtarkes unſuͤndges Verlangen
Faſſet ihn itzt, vom Engel zu wiſſen, was naͤher ihn angieng,
Wie die Welt, wie Himmel und Erd, im Anfang entſtanden,
Wenn, und woraus ſie geſchaffen, zu welchem Zwecke; was vor ihm
65Jnn- und außerhalb Eden geſchehn. Wie ein durſtender Wandrer,

Der erſt eben die labende Quelle geſchmeckt, noch begierig
Auf dem rinnenden Strom, der mit lebendigem Murmeln
Jmmer noch neuen Durſt ihm erregt, ſein Auge verweilet:
So fuhr Adam auch fort den himmliſchem Gaſt zu befragen.

Große
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="3">
            <l>
              <pb facs="#f0022" n="6"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Und ihn durch dieß &#x017F;chreckliche Bey&#x017F;piel gewarnet, vor gleichem<lb/><note place="left">45</note>Traurigen &#x017F;chweren Fall, &#x017F;o wohl &#x017F;ich &#x017F;elber in Eden,</l><lb/>
            <l>Als die Nachwelt auch, die &#x017F;einen Lenden ent&#x017F;prungen,</l><lb/>
            <l>Zu bewahren; und da der Baum der verbothnen Erkenntniß</l><lb/>
            <l>Jhnen ver&#x017F;agt war, dieß einzge Geboth, &#x017F;o leicht zu erfu&#x0364;llen,</l><lb/>
            <l>Niemals zu brechen, und &#x017F;ich vielmehr an mancherley Arten<lb/><note place="left">50</note>Andrer vollkommenen Fru&#x0364;chte den lu&#x0364;&#x017F;tern Ge&#x017F;chmack zu vergnu&#x0364;gen.</l><lb/>
            <l>Voller Verwundrung hatt&#x2019; er mit Eva, &#x017F;einer Verma&#x0364;hlten,</l><lb/>
            <l>Die Erza&#x0364;hlung geho&#x0364;rt; und &#x017F;aß in tiefen Gedanken</l><lb/>
            <l>Ueber &#x017F;o hohe fremde Ge&#x017F;chichte, &#x017F;o &#x017F;eltene Dinge,</l><lb/>
            <l>Welche &#x017F;ie kaum &#x017F;ich zu denken vermochten; als Haß in dem Himmel,<lb/><note place="left">55</note>Stolz, und Feind&#x017F;chaft und Krieg, in &#x017F;olcher wilden Verwirrung,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;o nah an der Seeligkeit Sitz, und dem Throne des Ewgen.</l><lb/>
            <l>Aber das ausge&#x017F;toßne, zuru&#x0364;ckgetriebene Bo&#x0364;&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Stu&#x0364;rzte &#x017F;tromwei&#x017F;&#x2019; auf die, durch die es am er&#x017F;ten ent&#x017F;prungen,</l><lb/>
            <l>Da es unmo&#x0364;glich &#x017F;ich mit dem Genuß der reine&#x017F;ten Freuden<lb/><note place="left">60</note>Jemals vermi&#x017F;cht. Drum ließ auch <hi rendition="#fr">Adam</hi> die Zweifel bald fahren,</l><lb/>
            <l>Die er deshalb &#x017F;ich gemacht. Ein &#x017F;tarkes un&#x017F;u&#x0364;ndges Verlangen</l><lb/>
            <l>Fa&#x017F;&#x017F;et ihn itzt, vom Engel zu wi&#x017F;&#x017F;en, was na&#x0364;her ihn angieng,</l><lb/>
            <l>Wie die Welt, wie Himmel und Erd, im Anfang ent&#x017F;tanden,</l><lb/>
            <l>Wenn, und woraus &#x017F;ie ge&#x017F;chaffen, zu welchem Zwecke; was vor ihm<lb/><note place="left">65</note>Jnn- und außerhalb <hi rendition="#fr">Eden</hi> ge&#x017F;chehn. Wie ein dur&#x017F;tender Wandrer,</l><lb/>
            <l>Der er&#x017F;t eben die labende Quelle ge&#x017F;chmeckt, noch begierig</l><lb/>
            <l>Auf dem rinnenden Strom, der mit lebendigem Murmeln</l><lb/>
            <l>Jmmer noch neuen Dur&#x017F;t ihm erregt, &#x017F;ein Auge verweilet:</l><lb/>
            <l>So fuhr <hi rendition="#fr">Adam</hi> auch fort den himmli&#x017F;chem Ga&#x017F;t zu befragen.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Große</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0022] Das verlohrne Paradies. Und ihn durch dieß ſchreckliche Beyſpiel gewarnet, vor gleichem Traurigen ſchweren Fall, ſo wohl ſich ſelber in Eden, Als die Nachwelt auch, die ſeinen Lenden entſprungen, Zu bewahren; und da der Baum der verbothnen Erkenntniß Jhnen verſagt war, dieß einzge Geboth, ſo leicht zu erfuͤllen, Niemals zu brechen, und ſich vielmehr an mancherley Arten Andrer vollkommenen Fruͤchte den luͤſtern Geſchmack zu vergnuͤgen. Voller Verwundrung hatt’ er mit Eva, ſeiner Vermaͤhlten, Die Erzaͤhlung gehoͤrt; und ſaß in tiefen Gedanken Ueber ſo hohe fremde Geſchichte, ſo ſeltene Dinge, Welche ſie kaum ſich zu denken vermochten; als Haß in dem Himmel, Stolz, und Feindſchaft und Krieg, in ſolcher wilden Verwirrung, Und ſo nah an der Seeligkeit Sitz, und dem Throne des Ewgen. Aber das ausgeſtoßne, zuruͤckgetriebene Boͤſe, Stuͤrzte ſtromweiſ’ auf die, durch die es am erſten entſprungen, Da es unmoͤglich ſich mit dem Genuß der reineſten Freuden Jemals vermiſcht. Drum ließ auch Adam die Zweifel bald fahren, Die er deshalb ſich gemacht. Ein ſtarkes unſuͤndges Verlangen Faſſet ihn itzt, vom Engel zu wiſſen, was naͤher ihn angieng, Wie die Welt, wie Himmel und Erd, im Anfang entſtanden, Wenn, und woraus ſie geſchaffen, zu welchem Zwecke; was vor ihm Jnn- und außerhalb Eden geſchehn. Wie ein durſtender Wandrer, Der erſt eben die labende Quelle geſchmeckt, noch begierig Auf dem rinnenden Strom, der mit lebendigem Murmeln Jmmer noch neuen Durſt ihm erregt, ſein Auge verweilet: So fuhr Adam auch fort den himmliſchem Gaſt zu befragen. Große

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/22
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/22>, abgerufen am 21.11.2024.