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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.

Aber umsonst! er stritt mit diesen Sündern nicht länger,
770Da er verhärtet sie sah, und rückte seine Gezelte

Fern von ihnen hinweg. Dann hieb er sich auf dem Gebirge
Balken, und Bretter, und bauete sich von gewaltiger Größe
Einen Kasten, gemessen nach richtiger Maas in der Länge,
Höh, und Tiefe; rundum mit Pech und Harze bezogen.
775Eine festschließende Thür war in der Seite gezimmert,

Und für Menschen und Vieh lag reichlicher Vorrath im Kasten,
Und nun sieh! ein seltenes Wunder! Von allem Lebendgen,
Allen Thieren, Jnsekten, und Vögeln, erschienen sieben,
Paarweis, und giengen hinein, von ihrer Ordnung belehret.
780Endlich kam der Alte zuletzt, mit seinen drey Söhnen,

Und die vier Weiber mit ihm, und Gott schloß selber die Thür zu.
Unterdessen erhub sich der Sudwind [Spaltenumbruch] x) ; auf finsteren Schwingen
Schwebt er daher, und trieb die Wolken unter dem Himmel
Brausend zusammen; es sandten die Berge, zu ihrer Verstärkung,
785Feuchte Dünste hervor, und dicke neblichte Dämpfe.

Schwarz und schrecklich hieng itzt der Himmel verfinstert herunter,
Wie ein dunkeles Tuch; mit Ungestüm stürzte der Regen
Strömend herab, bis daß man die Erde nicht länger erblickte.
Das hinschwimmende Schiff floß ruhig über den Wassern,
790Und schnitt sicher hindurch mit seinem gebogenen Schnabel.

Aller
x) Milton hat in dieser Beschreibung
offenbar den Ovid. Met. I. vor Augen
gehabt; aber wie sehr hat der Engli-
[Spaltenumbruch] sche Dichter den Lateinischen übertrof-
fen. N.

Das verlohrne Paradies.

Aber umſonſt! er ſtritt mit dieſen Suͤndern nicht laͤnger,
770Da er verhaͤrtet ſie ſah, und ruͤckte ſeine Gezelte

Fern von ihnen hinweg. Dann hieb er ſich auf dem Gebirge
Balken, und Bretter, und bauete ſich von gewaltiger Groͤße
Einen Kaſten, gemeſſen nach richtiger Maas in der Laͤnge,
Hoͤh, und Tiefe; rundum mit Pech und Harze bezogen.
775Eine feſtſchließende Thuͤr war in der Seite gezimmert,

Und fuͤr Menſchen und Vieh lag reichlicher Vorrath im Kaſten,
Und nun ſieh! ein ſeltenes Wunder! Von allem Lebendgen,
Allen Thieren, Jnſekten, und Voͤgeln, erſchienen ſieben,
Paarweis, und giengen hinein, von ihrer Ordnung belehret.
780Endlich kam der Alte zuletzt, mit ſeinen drey Soͤhnen,

Und die vier Weiber mit ihm, und Gott ſchloß ſelber die Thuͤr zu.
Unterdeſſen erhub ſich der Sudwind [Spaltenumbruch] x) ; auf finſteren Schwingen
Schwebt er daher, und trieb die Wolken unter dem Himmel
Brauſend zuſammen; es ſandten die Berge, zu ihrer Verſtaͤrkung,
785Feuchte Duͤnſte hervor, und dicke neblichte Daͤmpfe.

Schwarz und ſchrecklich hieng itzt der Himmel verfinſtert herunter,
Wie ein dunkeles Tuch; mit Ungeſtuͤm ſtuͤrzte der Regen
Stroͤmend herab, bis daß man die Erde nicht laͤnger erblickte.
Das hinſchwimmende Schiff floß ruhig uͤber den Waſſern,
790Und ſchnitt ſicher hindurch mit ſeinem gebogenen Schnabel.

Aller
x) Milton hat in dieſer Beſchreibung
offenbar den Ovid. Met. I. vor Augen
gehabt; aber wie ſehr hat der Engli-
[Spaltenumbruch] ſche Dichter den Lateiniſchen uͤbertrof-
fen. N.
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[208/0232] Das verlohrne Paradies. Aber umſonſt! er ſtritt mit dieſen Suͤndern nicht laͤnger, Da er verhaͤrtet ſie ſah, und ruͤckte ſeine Gezelte Fern von ihnen hinweg. Dann hieb er ſich auf dem Gebirge Balken, und Bretter, und bauete ſich von gewaltiger Groͤße Einen Kaſten, gemeſſen nach richtiger Maas in der Laͤnge, Hoͤh, und Tiefe; rundum mit Pech und Harze bezogen. Eine feſtſchließende Thuͤr war in der Seite gezimmert, Und fuͤr Menſchen und Vieh lag reichlicher Vorrath im Kaſten, Und nun ſieh! ein ſeltenes Wunder! Von allem Lebendgen, Allen Thieren, Jnſekten, und Voͤgeln, erſchienen ſieben, Paarweis, und giengen hinein, von ihrer Ordnung belehret. Endlich kam der Alte zuletzt, mit ſeinen drey Soͤhnen, Und die vier Weiber mit ihm, und Gott ſchloß ſelber die Thuͤr zu. Unterdeſſen erhub ſich der Sudwind x) ; auf finſteren Schwingen Schwebt er daher, und trieb die Wolken unter dem Himmel Brauſend zuſammen; es ſandten die Berge, zu ihrer Verſtaͤrkung, Feuchte Duͤnſte hervor, und dicke neblichte Daͤmpfe. Schwarz und ſchrecklich hieng itzt der Himmel verfinſtert herunter, Wie ein dunkeles Tuch; mit Ungeſtuͤm ſtuͤrzte der Regen Stroͤmend herab, bis daß man die Erde nicht laͤnger erblickte. Das hinſchwimmende Schiff floß ruhig uͤber den Waſſern, Und ſchnitt ſicher hindurch mit ſeinem gebogenen Schnabel. Aller x) Milton hat in dieſer Beſchreibung offenbar den Ovid. Met. I. vor Augen gehabt; aber wie ſehr hat der Engli- ſche Dichter den Lateiniſchen uͤbertrof- fen. N.

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/232>, abgerufen am 23.11.2024.