Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.das Gute zu behalten: Wenn man mir nur nichts, dessen ich nicht überzeuget bin, mit einer albernen Auctorität aufbinden und aufbürden will. Modestin. Jch setze denn dieses Axioma oder Grund-Satz, nach denen Natur-gemässen Eigen- schafften der Sache selbsten: Der natürliche Mensch trachtet nur nach natürlichen, zeitlichen, vergäng- lichen Dingen. Der Wiedergebohrne aus GOtt trachtet vornemlich nach dem, was oben ist, nach dem Reich GOttes und seiner Gerechtigkeit. Da- hin gehet sein Sehnen, Dichten und Trachten. Wenn nun diese zwey widerwärtige Principia des Geistes und Fleisches in dem Menschen rege wer- den, so entstehet ein Kampf und Streit. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und der Geist im Gemüthe bestraffet die aufsteigende Gedancken und Begierden derer eiteln Dinge. Jst nun der Mensch recht besorget um den edelsten Theil, aufmercksam auf die innerliche Zucht, so wächst und nimmt er im guten zu, wird immer stärcker in der Weißheit, Gnade und Tugend. Fühlet einer aber gar keinen Streit, Bestraffung und Züchtigung in seinem Ge- wissen; oder achtet gär nicht darauf, sondern lebet so in den Tag hinein, wie ein Bestgen nach seinen Lüsten und Begierden, nachdem sein Tempera- ment und Natur-Rad ihn treibet, achtet und fühlet das Leben aus GOtt in sich nichts: Da stehets allerdings schlecht um einen solchen Menschen; und ob er mitten in dem Schooß der Christlichen Kir- chen lebte, so ist doch zwischen einem solchen, und einem Heyden, Jüden, Türcken, und dergleichen ein schlech-
das Gute zu behalten: Wenn man mir nur nichts, deſſen ich nicht uͤberzeuget bin, mit einer albernen Auctoritaͤt aufbinden und aufbuͤrden will. Modeſtin. Jch ſetze denn dieſes Axioma oder Grund-Satz, nach denen Natur-gemaͤſſen Eigen- ſchafften der Sache ſelbſten: Der natuͤrliche Menſch trachtet nur nach natuͤrlichen, zeitlichen, vergaͤng- lichen Dingen. Der Wiedergebohrne aus GOtt trachtet vornemlich nach dem, was oben iſt, nach dem Reich GOttes und ſeiner Gerechtigkeit. Da- hin gehet ſein Sehnen, Dichten und Trachten. Wenn nun dieſe zwey widerwaͤrtige Principia des Geiſtes und Fleiſches in dem Menſchen rege wer- den, ſo entſtehet ein Kampf und Streit. Das Fleiſch geluͤſtet wider den Geiſt, und der Geiſt im Gemuͤthe beſtraffet die aufſteigende Gedancken und Begierden derer eiteln Dinge. Jſt nun der Menſch recht beſorget um den edelſten Theil, aufmerckſam auf die innerliche Zucht, ſo waͤchſt und nimmt er im guten zu, wird immer ſtaͤrcker in der Weißheit, Gnade und Tugend. Fuͤhlet einer aber gar keinen Streit, Beſtraffung und Zuͤchtigung in ſeinem Ge- wiſſen; oder achtet gaͤr nicht darauf, ſondern lebet ſo in den Tag hinein, wie ein Beſtgen nach ſeinen Luͤſten und Begierden, nachdem ſein Tempera- ment und Natur-Rad ihn treibet, achtet und fuͤhlet das Leben aus GOtt in ſich nichts: Da ſtehets allerdings ſchlecht um einen ſolchen Menſchen; und ob er mitten in dem Schooß der Chriſtlichen Kir- chen lebte, ſo iſt doch zwiſchen einem ſolchen, und einem Heyden, Juͤden, Tuͤrcken, und dergleichen ein ſchlech-
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das Gute zu behalten: Wenn man mir nur nichts,
deſſen ich nicht uͤberzeuget bin, mit einer albernen
Auctoritaͤt aufbinden und aufbuͤrden will.
Modeſtin. Jch ſetze denn dieſes Axioma oder
Grund-Satz, nach denen Natur-gemaͤſſen Eigen-
ſchafften der Sache ſelbſten: Der natuͤrliche Menſch
trachtet nur nach natuͤrlichen, zeitlichen, vergaͤng-
lichen Dingen. Der Wiedergebohrne aus GOtt
trachtet vornemlich nach dem, was oben iſt, nach
dem Reich GOttes und ſeiner Gerechtigkeit. Da-
hin gehet ſein Sehnen, Dichten und Trachten.
Wenn nun dieſe zwey widerwaͤrtige Principia des
Geiſtes und Fleiſches in dem Menſchen rege wer-
den, ſo entſtehet ein Kampf und Streit. Das
Fleiſch geluͤſtet wider den Geiſt, und der Geiſt im
Gemuͤthe beſtraffet die aufſteigende Gedancken und
Begierden derer eiteln Dinge. Jſt nun der Menſch
recht beſorget um den edelſten Theil, aufmerckſam
auf die innerliche Zucht, ſo waͤchſt und nimmt er
im guten zu, wird immer ſtaͤrcker in der Weißheit,
Gnade und Tugend. Fuͤhlet einer aber gar keinen
Streit, Beſtraffung und Zuͤchtigung in ſeinem Ge-
wiſſen; oder achtet gaͤr nicht darauf, ſondern lebet
ſo in den Tag hinein, wie ein Beſtgen nach ſeinen
Luͤſten und Begierden, nachdem ſein Tempera-
ment und Natur-Rad ihn treibet, achtet und fuͤhlet
das Leben aus GOtt in ſich nichts: Da ſtehets
allerdings ſchlecht um einen ſolchen Menſchen; und
ob er mitten in dem Schooß der Chriſtlichen Kir-
chen lebte, ſo iſt doch zwiſchen einem ſolchen, und
einem Heyden, Juͤden, Tuͤrcken, und dergleichen ein
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