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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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vereiniget werden? Dieses, gestehe ich, kan ich nicht
begreiffen.
Modestin. Das will ich ihm wohl glauben: Wo
wir aber die Ursachen dessen zu untersuchen die Zeit,
Mühe, Fleiß und aufrichtige Sorgfalt über uns
nehmen wollen, wird es ihm hoffentlich nicht mehr
so seltzam und unbegreifflich vorkommen. Denn
wenn wir erwegen erstlich: Wie ein Mensch, der
aufrichtiges Hertzens ist, GOtt über alles zu ve-
neri
ren, und dessen Gebote und heiligen Willen zu
vollbringen, sich allen Fleisses angelegen seyn lässet;
in sich einen starcken Hunger und Verlangen nach
einer ewigen Glückseeligkeit empfindet: so zeiget auch
die Natur selbst und die Erfahrung, daß dieser
Hunger durch alle zeitliche Dinge nicht gesättiget
noch vergnüget werden kan; Jm Gegentheil aber
auch, daß diejenige, welche beständig nach dem
Reich GOttes trachten, mit wachen und stetem
Gebet zu GOtt, solche endlichen zu dem Genuß
dieser Glückseeligkeit des Friedens mit GOtt gelan-
get; welche Freude alles sinnliche Vergnügen so
weit übertrifft, als das helle Sonnen-Licht den
Schein einer trüben Wolcken, darein ein schwa-
cher Schein des Monden fället. Wie hievon eine
Menge Zeugen angeführet werden könten, wo sel-
biges zu Ueberzeugung ungläubiger Thomas-Brü-
der dienen könte. Am besten aber ists: Wenn ein
jeder in sein Hertz gehet, denen Spuhren der Weiß-
heit nach dem Maas seines Begriffes einfältig fol-
get, wider sein Gewissen und Ueberzeugung, in deme
was zu thun und zu lassen, nicht handelt: so wird
er


vereiniget werden? Dieſes, geſtehe ich, kan ich nicht
begreiffen.
Modeſtin. Das will ich ihm wohl glauben: Wo
wir aber die Urſachen deſſen zu unterſuchen die Zeit,
Muͤhe, Fleiß und aufrichtige Sorgfalt uͤber uns
nehmen wollen, wird es ihm hoffentlich nicht mehr
ſo ſeltzam und unbegreifflich vorkommen. Denn
wenn wir erwegen erſtlich: Wie ein Menſch, der
aufrichtiges Hertzens iſt, GOtt uͤber alles zu ve-
neri
ren, und deſſen Gebote und heiligen Willen zu
vollbringen, ſich allen Fleiſſes angelegen ſeyn laͤſſet;
in ſich einen ſtarcken Hunger und Verlangen nach
einer ewigen Gluͤckſeeligkeit empfindet: ſo zeiget auch
die Natur ſelbſt und die Erfahrung, daß dieſer
Hunger durch alle zeitliche Dinge nicht geſaͤttiget
noch vergnuͤget werden kan; Jm Gegentheil aber
auch, daß diejenige, welche beſtaͤndig nach dem
Reich GOttes trachten, mit wachen und ſtetem
Gebet zu GOtt, ſolche endlichen zu dem Genuß
dieſer Gluͤckſeeligkeit des Friedens mit GOtt gelan-
get; welche Freude alles ſinnliche Vergnuͤgen ſo
weit uͤbertrifft, als das helle Sonnen-Licht den
Schein einer truͤben Wolcken, darein ein ſchwa-
cher Schein des Monden faͤllet. Wie hievon eine
Menge Zeugen angefuͤhret werden koͤnten, wo ſel-
biges zu Ueberzeugung unglaͤubiger Thomas-Bruͤ-
der dienen koͤnte. Am beſten aber iſts: Wenn ein
jeder in ſein Hertz gehet, denen Spuhren der Weiß-
heit nach dem Maas ſeines Begriffes einfaͤltig fol-
get, wider ſein Gewiſſen und Ueberzeugung, in deme
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[48/0054] vereiniget werden? Dieſes, geſtehe ich, kan ich nicht begreiffen. Modeſtin. Das will ich ihm wohl glauben: Wo wir aber die Urſachen deſſen zu unterſuchen die Zeit, Muͤhe, Fleiß und aufrichtige Sorgfalt uͤber uns nehmen wollen, wird es ihm hoffentlich nicht mehr ſo ſeltzam und unbegreifflich vorkommen. Denn wenn wir erwegen erſtlich: Wie ein Menſch, der aufrichtiges Hertzens iſt, GOtt uͤber alles zu ve- neriren, und deſſen Gebote und heiligen Willen zu vollbringen, ſich allen Fleiſſes angelegen ſeyn laͤſſet; in ſich einen ſtarcken Hunger und Verlangen nach einer ewigen Gluͤckſeeligkeit empfindet: ſo zeiget auch die Natur ſelbſt und die Erfahrung, daß dieſer Hunger durch alle zeitliche Dinge nicht geſaͤttiget noch vergnuͤget werden kan; Jm Gegentheil aber auch, daß diejenige, welche beſtaͤndig nach dem Reich GOttes trachten, mit wachen und ſtetem Gebet zu GOtt, ſolche endlichen zu dem Genuß dieſer Gluͤckſeeligkeit des Friedens mit GOtt gelan- get; welche Freude alles ſinnliche Vergnuͤgen ſo weit uͤbertrifft, als das helle Sonnen-Licht den Schein einer truͤben Wolcken, darein ein ſchwa- cher Schein des Monden faͤllet. Wie hievon eine Menge Zeugen angefuͤhret werden koͤnten, wo ſel- biges zu Ueberzeugung unglaͤubiger Thomas-Bruͤ- der dienen koͤnte. Am beſten aber iſts: Wenn ein jeder in ſein Hertz gehet, denen Spuhren der Weiß- heit nach dem Maas ſeines Begriffes einfaͤltig fol- get, wider ſein Gewiſſen und Ueberzeugung, in deme was zu thun und zu laſſen, nicht handelt: ſo wird er

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/54>, abgerufen am 23.05.2024.