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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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derer Menschen verschiedenen Temperamente unter-
schieden seye; dahero ein Cholericus ambitiosus,
herrschsüchtig, ein Sanguineus zur Wollust, ein Me-
lancholicus
oder vielmehr Erd-süchtiger zum Geitz,
Neid, Mißtrauen etc. geneigt, will ich nicht in Abre-
de seyn. Daß auch einer vor dem andern ein sehr
gütiges Temperament, Naturell und Gemüths-
Neigungen von der Natur empfangen; mancher
hingegen von der Geburth ein sehr unglückliches;
dieses alles bestätiget die Erfahrung. Daß aber auch
ein sehr unglückliches Temperament (welches von
Mißtrauen, Eigensinn, Stoltz, Haß, Neid, Zorn,
Furcht u. d. g. geplaget, und von dergleichen pas-
sionen
hin und wieder gezogen und gezerret wird,
und gleichsam in der Finsterniß, Hölle und Pein
stehet) nicht solte durch die Gnade GOttes, von
solcher Finsterniß, Pein und Plage können erlöset,
befreyt werden, und hingegen in das sanffte Liebes-
und Freuden-Reich JEsu Christi durch die Gnade
GOttes eingehen könte, streitet ja auch mit der
Erfahrung.
Nicander. Daß durch Education, anhaltenden
Fleiß und Uebung die böse Neigungen im Zaume
gehalten und verbessert werden können, zeigen die
Exempel vieler berühmten Leute des Alterthums un-
ter denen Griechen, Römern, Persern, Aegyptiern,
Chinesern und anderer Völcker, sehe also nicht,
was das Christenthum hierinnen vor andern Völ-
ckern vor Vorzug hat, so lang er mir unter denen
heutigen keine bessere Exempel darstellen kan, als
man gemeiniglich siehet.
Mo-
D 3


derer Menſchen verſchiedenen Temperamente unter-
ſchieden ſeye; dahero ein Cholericus ambitioſus,
herrſchſuͤchtig, ein Sanguineus zur Wolluſt, ein Me-
lancholicus
oder vielmehr Erd-ſuͤchtiger zum Geitz,
Neid, Mißtrauen etc. geneigt, will ich nicht in Abre-
de ſeyn. Daß auch einer vor dem andern ein ſehr
guͤtiges Temperament, Naturell und Gemuͤths-
Neigungen von der Natur empfangen; mancher
hingegen von der Geburth ein ſehr ungluͤckliches;
dieſes alles beſtaͤtiget die Erfahrung. Daß aber auch
ein ſehr ungluͤckliches Temperament (welches von
Mißtrauen, Eigenſinn, Stoltz, Haß, Neid, Zorn,
Furcht u. d. g. geplaget, und von dergleichen pas-
ſionen
hin und wieder gezogen und gezerret wird,
und gleichſam in der Finſterniß, Hoͤlle und Pein
ſtehet) nicht ſolte durch die Gnade GOttes, von
ſolcher Finſterniß, Pein und Plage koͤnnen erloͤſet,
befreyt werden, und hingegen in das ſanffte Liebes-
und Freuden-Reich JEſu Chriſti durch die Gnade
GOttes eingehen koͤnte, ſtreitet ja auch mit der
Erfahrung.
Nicander. Daß durch Education, anhaltenden
Fleiß und Uebung die boͤſe Neigungen im Zaume
gehalten und verbeſſert werden koͤnnen, zeigen die
Exempel vieler beruͤhmten Leute des Alterthums un-
ter denen Griechen, Roͤmern, Perſern, Aegyptiern,
Chineſern und anderer Voͤlcker, ſehe alſo nicht,
was das Chriſtenthum hierinnen vor andern Voͤl-
ckern vor Vorzug hat, ſo lang er mir unter denen
heutigen keine beſſere Exempel darſtellen kan, als
man gemeiniglich ſiehet.
Mo-
D 3
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[53/0059] derer Menſchen verſchiedenen Temperamente unter- ſchieden ſeye; dahero ein Cholericus ambitioſus, herrſchſuͤchtig, ein Sanguineus zur Wolluſt, ein Me- lancholicus oder vielmehr Erd-ſuͤchtiger zum Geitz, Neid, Mißtrauen etc. geneigt, will ich nicht in Abre- de ſeyn. Daß auch einer vor dem andern ein ſehr guͤtiges Temperament, Naturell und Gemuͤths- Neigungen von der Natur empfangen; mancher hingegen von der Geburth ein ſehr ungluͤckliches; dieſes alles beſtaͤtiget die Erfahrung. Daß aber auch ein ſehr ungluͤckliches Temperament (welches von Mißtrauen, Eigenſinn, Stoltz, Haß, Neid, Zorn, Furcht u. d. g. geplaget, und von dergleichen pas- ſionen hin und wieder gezogen und gezerret wird, und gleichſam in der Finſterniß, Hoͤlle und Pein ſtehet) nicht ſolte durch die Gnade GOttes, von ſolcher Finſterniß, Pein und Plage koͤnnen erloͤſet, befreyt werden, und hingegen in das ſanffte Liebes- und Freuden-Reich JEſu Chriſti durch die Gnade GOttes eingehen koͤnte, ſtreitet ja auch mit der Erfahrung. Nicander. Daß durch Education, anhaltenden Fleiß und Uebung die boͤſe Neigungen im Zaume gehalten und verbeſſert werden koͤnnen, zeigen die Exempel vieler beruͤhmten Leute des Alterthums un- ter denen Griechen, Roͤmern, Perſern, Aegyptiern, Chineſern und anderer Voͤlcker, ſehe alſo nicht, was das Chriſtenthum hierinnen vor andern Voͤl- ckern vor Vorzug hat, ſo lang er mir unter denen heutigen keine beſſere Exempel darſtellen kan, als man gemeiniglich ſiehet. Mo- D 3

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/59>, abgerufen am 23.11.2024.