Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


Modestin. Mein lieber Herr Nicander! es ist frey-
lich wohl zu beklagen, daß die meisten heutigen Chri-
sten von denen übrigen Heyden in nichts als dem
Nahmen nach unterschieden sind; und die Krafft
des Todes und der Auferstehung Christi mit ihrem
ungottseligen Wandel verläugnen; worüber auch
viele fromme gottselige Männer immer bittere Kla-
gen geführet; und wenn ihme beliebet die geistliche
Geschichte einiger frommen Männer unserer Zeit zu
lesen, (wo ihm selbe nicht bekannt sind) wird er fin-
den: daß der alte GOtt in dem Hertzen derer Gläu-
bigen noch lebe, und dessen Hand noch nicht ver-
kürtzet sey.
Nicander. Was sind denn dieses vor Schrifften.
Modestin. Wo er dem Zeugnis derer Evgngeli-
sten und Apostel keinen gnugsamen Glauben zustel-
len will, und neuere Zeugnisse von ausserordentli-
chen Gnaden-Gaben haben will: so will ihm in die
Historie der Wiedergebohrnen, und das Leben der
Gläubigen, Gottfried Arnolds, in Partagens himm-
lische Metaphysic, und die Sammlungen auserle-
sener Materien zum Ban des Reichs GOttes wei-
sen. Da er merckwürdige Exempel von Wunder-
wercken und Bekehrungen wird finden können.
Alamodan. Jch habe gemeinet die Wunderwer-
cke hätten aufgehöret, und seyn zu unserer Zeit nicht
mehr nöthig: da das Christenthum schon gepflan-
tzet, und nicht erst zu pflantzen ist.
Modestin. Mein lieber Herr Alamodan! zu wün-
schen wäre es, daß es in aller Hertzen recht gepflan-
tzet wäre, welche sich Christen nennen; und daß
das


Modeſtin. Mein lieber Herr Nicander! es iſt frey-
lich wohl zu beklagen, daß die meiſten heutigen Chri-
ſten von denen uͤbrigen Heyden in nichts als dem
Nahmen nach unterſchieden ſind; und die Krafft
des Todes und der Auferſtehung Chriſti mit ihrem
ungottſeligen Wandel verlaͤugnen; woruͤber auch
viele fromme gottſelige Maͤnner immer bittere Kla-
gen gefuͤhret; und wenn ihme beliebet die geiſtliche
Geſchichte einiger frommen Maͤnner unſerer Zeit zu
leſen, (wo ihm ſelbe nicht bekannt ſind) wird er fin-
den: daß der alte GOtt in dem Hertzen derer Glaͤu-
bigen noch lebe, und deſſen Hand noch nicht ver-
kuͤrtzet ſey.
Nicander. Was ſind denn dieſes vor Schrifften.
Modeſtin. Wo er dem Zeugnis derer Evgngeli-
ſten und Apoſtel keinen gnugſamen Glauben zuſtel-
len will, und neuere Zeugniſſe von auſſerordentli-
chen Gnaden-Gaben haben will: ſo will ihm in die
Hiſtorie der Wiedergebohrnen, und das Leben der
Glaͤubigen, Gottfried Arnolds, in Partagens himm-
liſche Metaphyſic, und die Sammlungen auserle-
ſener Materien zum Ban des Reichs GOttes wei-
ſen. Da er merckwuͤrdige Exempel von Wunder-
wercken und Bekehrungen wird finden koͤnnen.
Alamodan. Jch habe gemeinet die Wunderwer-
cke haͤtten aufgehoͤret, und ſeyn zu unſerer Zeit nicht
mehr noͤthig: da das Chriſtenthum ſchon gepflan-
tzet, und nicht erſt zu pflantzen iſt.
Modeſtin. Mein lieber Herr Alamodan! zu wuͤn-
ſchen waͤre es, daß es in aller Hertzen recht gepflan-
tzet waͤre, welche ſich Chriſten nennen; und daß
das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0060" n="54"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Mein lieber Herr <hi rendition="#aq">Nicander!</hi> es i&#x017F;t frey-<lb/>
lich wohl zu beklagen, daß die mei&#x017F;ten heutigen Chri-<lb/>
&#x017F;ten von denen u&#x0364;brigen Heyden in nichts als dem<lb/>
Nahmen nach unter&#x017F;chieden &#x017F;ind; und die Krafft<lb/>
des Todes und der Aufer&#x017F;tehung Chri&#x017F;ti mit ihrem<lb/>
ungott&#x017F;eligen Wandel verla&#x0364;ugnen; woru&#x0364;ber auch<lb/>
viele fromme gott&#x017F;elige Ma&#x0364;nner immer bittere Kla-<lb/>
gen gefu&#x0364;hret; und wenn ihme beliebet die gei&#x017F;tliche<lb/>
Ge&#x017F;chichte einiger frommen Ma&#x0364;nner un&#x017F;erer Zeit zu<lb/>
le&#x017F;en, (wo ihm &#x017F;elbe nicht bekannt &#x017F;ind) wird er fin-<lb/>
den: daß der alte GOtt in dem Hertzen derer Gla&#x0364;u-<lb/>
bigen noch lebe, und de&#x017F;&#x017F;en Hand noch nicht ver-<lb/>
ku&#x0364;rtzet &#x017F;ey.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Was &#x017F;ind denn die&#x017F;es vor Schrifften.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Wo er dem Zeugnis derer Evgngeli-<lb/>
&#x017F;ten und Apo&#x017F;tel keinen gnug&#x017F;amen Glauben zu&#x017F;tel-<lb/>
len will, und neuere Zeugni&#x017F;&#x017F;e von au&#x017F;&#x017F;erordentli-<lb/>
chen Gnaden-Gaben haben will: &#x017F;o will ihm in die<lb/>
Hi&#x017F;torie der Wiedergebohrnen, und das Leben der<lb/>
Gla&#x0364;ubigen, Gottfried Arnolds, in <hi rendition="#aq">Partagens</hi> himm-<lb/>
li&#x017F;che <hi rendition="#aq">Metaphy&#x017F;ic,</hi> und die Sammlungen auserle-<lb/>
&#x017F;ener Materien zum Ban des Reichs GOttes wei-<lb/>
&#x017F;en. Da er merckwu&#x0364;rdige Exempel von Wunder-<lb/>
wercken und Bekehrungen wird finden ko&#x0364;nnen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch habe gemeinet die Wunderwer-<lb/>
cke ha&#x0364;tten aufgeho&#x0364;ret, und &#x017F;eyn zu un&#x017F;erer Zeit nicht<lb/>
mehr no&#x0364;thig: da das Chri&#x017F;tenthum &#x017F;chon gepflan-<lb/>
tzet, und nicht er&#x017F;t zu pflantzen i&#x017F;t.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Mein lieber Herr <hi rendition="#aq">Alamodan!</hi> zu wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen wa&#x0364;re es, daß es in aller Hertzen recht gepflan-<lb/>
tzet wa&#x0364;re, welche &#x017F;ich Chri&#x017F;ten nennen; und daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0060] Modeſtin. Mein lieber Herr Nicander! es iſt frey- lich wohl zu beklagen, daß die meiſten heutigen Chri- ſten von denen uͤbrigen Heyden in nichts als dem Nahmen nach unterſchieden ſind; und die Krafft des Todes und der Auferſtehung Chriſti mit ihrem ungottſeligen Wandel verlaͤugnen; woruͤber auch viele fromme gottſelige Maͤnner immer bittere Kla- gen gefuͤhret; und wenn ihme beliebet die geiſtliche Geſchichte einiger frommen Maͤnner unſerer Zeit zu leſen, (wo ihm ſelbe nicht bekannt ſind) wird er fin- den: daß der alte GOtt in dem Hertzen derer Glaͤu- bigen noch lebe, und deſſen Hand noch nicht ver- kuͤrtzet ſey. Nicander. Was ſind denn dieſes vor Schrifften. Modeſtin. Wo er dem Zeugnis derer Evgngeli- ſten und Apoſtel keinen gnugſamen Glauben zuſtel- len will, und neuere Zeugniſſe von auſſerordentli- chen Gnaden-Gaben haben will: ſo will ihm in die Hiſtorie der Wiedergebohrnen, und das Leben der Glaͤubigen, Gottfried Arnolds, in Partagens himm- liſche Metaphyſic, und die Sammlungen auserle- ſener Materien zum Ban des Reichs GOttes wei- ſen. Da er merckwuͤrdige Exempel von Wunder- wercken und Bekehrungen wird finden koͤnnen. Alamodan. Jch habe gemeinet die Wunderwer- cke haͤtten aufgehoͤret, und ſeyn zu unſerer Zeit nicht mehr noͤthig: da das Chriſtenthum ſchon gepflan- tzet, und nicht erſt zu pflantzen iſt. Modeſtin. Mein lieber Herr Alamodan! zu wuͤn- ſchen waͤre es, daß es in aller Hertzen recht gepflan- tzet waͤre, welche ſich Chriſten nennen; und daß das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/60
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/60>, abgerufen am 23.05.2024.