Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


viel von Unterschied herrlicher Farben und Gemähl-
den; dem andern von lieblichen Musiquen vor-
schwatzen mögte: so werden sich solche doch keine
deutliche Idaeen oder eigentlichen Begriff davon
machen können. Das rechtschaffene Wissen, muß
im innern Gnaden-Reich, sowohl als im äussern
Natur-Reich aus lebendiger Erfahrung herkom-
men: sonsten ist es ein todtes Wesen; ein Papo-
gayen-und Affen-Werck. Es bleibet dabey! Wer
GOtt von Hertzen über alles suchet und liebet, der
wird erfahren: ob diese Lehre nicht in GOtt, als
der ewigen Wahrheit, gegründet seye. Daß aber
auch so wenige gründliche Erfahrung und männ-
licher Wachsthum, auch bey denen, welche Kinder
des Lichtes sind, gespühret wird; kommt theils vom
Mangel des rechten anhaltenden behutsamen oder
wachtsamen Ernstes; Mangel rechter Aufrichtig-
keit, vielen Zerstreuungen; und der gar zu starck
eingewurtzelten Eigenliebe.
Alamodan. Der Herr seye so gütig und erkläre
mir dieses etwas deutlicher; denn ich seinen Sinn
noch nicht recht verstehe.
Modestin. Jch will ihm mein Sentiment, wel-
ches ich aus der Erfahrung habe, gerne mittheilen;
wo sie belieben mir etwas Gehör zu geben, und ich
es mit einer kleinen Deduction ihnen nicht zu lange
machen mögte.
Nicander. Der Herr beliebe nur seine Gedan-
cken freymüthig zu sagen: sie werden mir denn her-
nach auch vergönnen, die meinige offenhertzig zu
eröff


viel von Unterſchied herrlicher Farben und Gemaͤhl-
den; dem andern von lieblichen Muſiquen vor-
ſchwatzen moͤgte: ſo werden ſich ſolche doch keine
deutliche Idæen oder eigentlichen Begriff davon
machen koͤnnen. Das rechtſchaffene Wiſſen, muß
im innern Gnaden-Reich, ſowohl als im aͤuſſern
Natur-Reich aus lebendiger Erfahrung herkom-
men: ſonſten iſt es ein todtes Weſen; ein Papo-
gayen-und Affen-Werck. Es bleibet dabey! Wer
GOtt von Hertzen uͤber alles ſuchet und liebet, der
wird erfahren: ob dieſe Lehre nicht in GOtt, als
der ewigen Wahrheit, gegruͤndet ſeye. Daß aber
auch ſo wenige gruͤndliche Erfahrung und maͤnn-
licher Wachsthum, auch bey denen, welche Kinder
des Lichtes ſind, geſpuͤhret wird; kommt theils vom
Mangel des rechten anhaltenden behutſamen oder
wachtſamen Ernſtes; Mangel rechter Aufrichtig-
keit, vielen Zerſtreuungen; und der gar zu ſtarck
eingewurtzelten Eigenliebe.
Alamodan. Der Herr ſeye ſo guͤtig und erklaͤre
mir dieſes etwas deutlicher; denn ich ſeinen Sinn
noch nicht recht verſtehe.
Modeſtin. Jch will ihm mein Sentiment, wel-
ches ich aus der Erfahrung habe, gerne mittheilen;
wo ſie belieben mir etwas Gehoͤr zu geben, und ich
es mit einer kleinen Deduction ihnen nicht zu lange
machen moͤgte.
Nicander. Der Herr beliebe nur ſeine Gedan-
cken freymuͤthig zu ſagen: ſie werden mir denn her-
nach auch vergoͤnnen, die meinige offenhertzig zu
eroͤff
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0090" n="84"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
viel von Unter&#x017F;chied herrlicher Farben und Gema&#x0364;hl-<lb/>
den; dem andern von lieblichen Mu&#x017F;iquen vor-<lb/>
&#x017F;chwatzen mo&#x0364;gte: &#x017F;o werden &#x017F;ich &#x017F;olche doch keine<lb/>
deutliche <hi rendition="#aq">Idæen</hi> oder eigentlichen Begriff davon<lb/>
machen ko&#x0364;nnen. Das recht&#x017F;chaffene Wi&#x017F;&#x017F;en, muß<lb/>
im innern Gnaden-Reich, &#x017F;owohl als im a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Natur-Reich aus lebendiger Erfahrung herkom-<lb/>
men: &#x017F;on&#x017F;ten i&#x017F;t es ein todtes We&#x017F;en; ein Papo-<lb/>
gayen-und Affen-Werck. Es bleibet dabey! Wer<lb/>
GOtt von Hertzen u&#x0364;ber alles &#x017F;uchet und liebet, der<lb/>
wird erfahren: ob die&#x017F;e Lehre nicht in GOtt, als<lb/>
der ewigen Wahrheit, gegru&#x0364;ndet &#x017F;eye. Daß aber<lb/>
auch &#x017F;o wenige gru&#x0364;ndliche Erfahrung und ma&#x0364;nn-<lb/>
licher Wachsthum, auch bey denen, welche Kinder<lb/>
des Lichtes &#x017F;ind, ge&#x017F;pu&#x0364;hret wird; kommt theils vom<lb/>
Mangel des rechten anhaltenden behut&#x017F;amen oder<lb/>
wacht&#x017F;amen Ern&#x017F;tes; Mangel rechter Aufrichtig-<lb/>
keit, vielen Zer&#x017F;treuungen; und der gar zu &#x017F;tarck<lb/>
eingewurtzelten Eigenliebe.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Der Herr &#x017F;eye &#x017F;o gu&#x0364;tig und erkla&#x0364;re<lb/>
mir die&#x017F;es etwas deutlicher; denn ich &#x017F;einen Sinn<lb/>
noch nicht recht ver&#x017F;tehe.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch will ihm mein <hi rendition="#aq">Sentiment,</hi> wel-<lb/>
ches ich aus der Erfahrung habe, gerne mittheilen;<lb/>
wo &#x017F;ie belieben mir etwas Geho&#x0364;r zu geben, und ich<lb/>
es mit einer kleinen <hi rendition="#aq">Deduction</hi> ihnen nicht zu lange<lb/>
machen mo&#x0364;gte.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Der Herr beliebe nur &#x017F;eine Gedan-<lb/>
cken freymu&#x0364;thig zu &#x017F;agen: &#x017F;ie werden mir denn her-<lb/>
nach auch vergo&#x0364;nnen, die meinige offenhertzig zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ero&#x0364;ff</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0090] viel von Unterſchied herrlicher Farben und Gemaͤhl- den; dem andern von lieblichen Muſiquen vor- ſchwatzen moͤgte: ſo werden ſich ſolche doch keine deutliche Idæen oder eigentlichen Begriff davon machen koͤnnen. Das rechtſchaffene Wiſſen, muß im innern Gnaden-Reich, ſowohl als im aͤuſſern Natur-Reich aus lebendiger Erfahrung herkom- men: ſonſten iſt es ein todtes Weſen; ein Papo- gayen-und Affen-Werck. Es bleibet dabey! Wer GOtt von Hertzen uͤber alles ſuchet und liebet, der wird erfahren: ob dieſe Lehre nicht in GOtt, als der ewigen Wahrheit, gegruͤndet ſeye. Daß aber auch ſo wenige gruͤndliche Erfahrung und maͤnn- licher Wachsthum, auch bey denen, welche Kinder des Lichtes ſind, geſpuͤhret wird; kommt theils vom Mangel des rechten anhaltenden behutſamen oder wachtſamen Ernſtes; Mangel rechter Aufrichtig- keit, vielen Zerſtreuungen; und der gar zu ſtarck eingewurtzelten Eigenliebe. Alamodan. Der Herr ſeye ſo guͤtig und erklaͤre mir dieſes etwas deutlicher; denn ich ſeinen Sinn noch nicht recht verſtehe. Modeſtin. Jch will ihm mein Sentiment, wel- ches ich aus der Erfahrung habe, gerne mittheilen; wo ſie belieben mir etwas Gehoͤr zu geben, und ich es mit einer kleinen Deduction ihnen nicht zu lange machen moͤgte. Nicander. Der Herr beliebe nur ſeine Gedan- cken freymuͤthig zu ſagen: ſie werden mir denn her- nach auch vergoͤnnen, die meinige offenhertzig zu eroͤff

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/90
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/90>, abgerufen am 26.11.2024.