Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Aber da däucht' es ihm Nacht, dickfinstere; wo er umher¬ Längst war die Sonne hinab und Nacht beherrschte den Erdkreis Seit vier Stunden, da hebt der sichere Mann sich vom Lager, Setzet den runden Hut auf das Haupt, den Wanderstab faßt er Und verlässet die Höhle. Gemächlich steigt er bergaufwärts, Redt mit sich selber dabei und brummt nach seiner Ge¬ wohnheit. Aber jetzo hub sich der Mond in leuchtender Schöne Rein am Forchenwalde herauf und erhellte die Gegend, Sammt der Höhe von Igelsloch, wo nun Suckelborst an¬ langt. Eben hatte der Wächter die zwölfte Stunde gerufen, Alles ist ruhig im Dorf und nirgend Licht mehr zu sehen, Nicht in den Kunkelstuben gesellig spinnender Mägdlein, Nicht am einsamen Stuhle des Webers oder im Wirthshaus, Aber da daͤucht' es ihm Nacht, dickfinſtere; wo er umher¬ Laͤngſt war die Sonne hinab und Nacht beherrſchte den Erdkreis Seit vier Stunden, da hebt der ſichere Mann ſich vom Lager, Setzet den runden Hut auf das Haupt, den Wanderſtab faßt er Und verlaͤſſet die Hoͤhle. Gemaͤchlich ſteigt er bergaufwaͤrts, Redt mit ſich ſelber dabei und brummt nach ſeiner Ge¬ wohnheit. Aber jetzo hub ſich der Mond in leuchtender Schoͤne Rein am Forchenwalde herauf und erhellte die Gegend, Sammt der Hoͤhe von Igelsloch, wo nun Suckelborſt an¬ langt. Eben hatte der Waͤchter die zwoͤlfte Stunde gerufen, Alles iſt ruhig im Dorf und nirgend Licht mehr zu ſehen, Nicht in den Kunkelſtuben geſellig ſpinnender Maͤgdlein, Nicht am einſamen Stuhle des Webers oder im Wirthshaus, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0196" n="180"/> <l>Aber da daͤucht' es ihm Nacht, dickfinſtere; wo er umher¬<lb/><hi rendition="#et">tappt,</hi></l><lb/> <l>Nirgend iſt noch ein Halt und noch kein Nagel geſchlagen,</l><lb/> <l>Anzuhaͤngen die Wucht der zentnerſchweren Gedanken,</l><lb/> <l>Welche der Gott ihm erregt' in ſeiner erhabenen Seele.</l><lb/> <l>Und ſo kam er zu Nichts und ſchwitzete wie ein Ma¬<lb/><hi rendition="#et">giſter.</hi></l><lb/> <l>Endlich ward ihm geſchenkt, daß er ſich dahin bedachte:</l><lb/> <l>Erſt ein Buch ſich zu ſchaffen, ein unbeſchriebenes, großes,</l><lb/> <l>Seinen Faͤuſten gerecht und werth des kuͤnftigen Inhalts.</l><lb/> <l>Wie er Solches erreicht, o Muſe, dies hilf mir verkuͤnden!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Laͤngſt war die Sonne hinab und Nacht beherrſchte den<lb/><hi rendition="#et">Erdkreis</hi></l><lb/> <l>Seit vier Stunden, da hebt der ſichere Mann ſich vom<lb/><hi rendition="#et">Lager,</hi></l><lb/> <l>Setzet den runden Hut auf das Haupt, den Wanderſtab<lb/><hi rendition="#et">faßt er</hi></l><lb/> <l>Und verlaͤſſet die Hoͤhle. Gemaͤchlich ſteigt er bergaufwaͤrts,</l><lb/> <l>Redt mit ſich ſelber dabei und brummt nach ſeiner Ge¬<lb/><hi rendition="#et">wohnheit.</hi></l><lb/> <l>Aber jetzo hub ſich der Mond in leuchtender Schoͤne</l><lb/> <l>Rein am Forchenwalde herauf und erhellte die Gegend,</l><lb/> <l>Sammt der Hoͤhe von Igelsloch, wo nun Suckelborſt an¬<lb/><hi rendition="#et">langt.</hi></l><lb/> <l>Eben hatte der Waͤchter die zwoͤlfte Stunde gerufen,</l><lb/> <l>Alles iſt ruhig im Dorf und nirgend Licht mehr zu ſehen,</l><lb/> <l>Nicht in den Kunkelſtuben geſellig ſpinnender Maͤgdlein,</l><lb/> <l>Nicht am einſamen Stuhle des Webers oder im Wirthshaus,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [180/0196]
Aber da daͤucht' es ihm Nacht, dickfinſtere; wo er umher¬
tappt,
Nirgend iſt noch ein Halt und noch kein Nagel geſchlagen,
Anzuhaͤngen die Wucht der zentnerſchweren Gedanken,
Welche der Gott ihm erregt' in ſeiner erhabenen Seele.
Und ſo kam er zu Nichts und ſchwitzete wie ein Ma¬
giſter.
Endlich ward ihm geſchenkt, daß er ſich dahin bedachte:
Erſt ein Buch ſich zu ſchaffen, ein unbeſchriebenes, großes,
Seinen Faͤuſten gerecht und werth des kuͤnftigen Inhalts.
Wie er Solches erreicht, o Muſe, dies hilf mir verkuͤnden!
Laͤngſt war die Sonne hinab und Nacht beherrſchte den
Erdkreis
Seit vier Stunden, da hebt der ſichere Mann ſich vom
Lager,
Setzet den runden Hut auf das Haupt, den Wanderſtab
faßt er
Und verlaͤſſet die Hoͤhle. Gemaͤchlich ſteigt er bergaufwaͤrts,
Redt mit ſich ſelber dabei und brummt nach ſeiner Ge¬
wohnheit.
Aber jetzo hub ſich der Mond in leuchtender Schoͤne
Rein am Forchenwalde herauf und erhellte die Gegend,
Sammt der Hoͤhe von Igelsloch, wo nun Suckelborſt an¬
langt.
Eben hatte der Waͤchter die zwoͤlfte Stunde gerufen,
Alles iſt ruhig im Dorf und nirgend Licht mehr zu ſehen,
Nicht in den Kunkelſtuben geſellig ſpinnender Maͤgdlein,
Nicht am einſamen Stuhle des Webers oder im Wirthshaus,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |