Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Durch der Erde gewundenes Ohr, wo ihn Lolegrin heimlich Vorn am Eingang sammelte sich unliebsamer Kehricht Niederen Volks, betrügliche Krämer, Kuppler und Metzen, Lausige Dichter auch und unzählbares Gesindel. Diese, zu schwatzen gewohnt, zu scherzen oder zu fluchen, Mühten vergebens sich ab, zu erheben die lispelnde Stimme -- Denn hellklingendes Wort ist nicht den Todten verliehen -- Und so winkten sie nur mit heftig bewegter Geberde, Stießen und zerrten einander wie im Gewühle des Jahr¬ markts. Aber weiter hinein sah man die edleren Geister, Priester, Könige, Helden; geschmückt mit ewigem Lorbeer, Ruhig ergingen sie sich und saßen, Manche zusammen, Manche für sich, und es schied die weit zerstreueten Gruppen Hügel und Fels und Gebüsch und die finstere Wand der Cypressen. Kaum nun war der sichere Mann in der Pforte er¬ schienen, Aufrecht die hohe Gestalt, mit dem Welt-Buch unter dem Arme: Sieh, da betraf die Schatten am Eingang tödtliches Schrecken. Auseinander stoben sie all', wie Kinder vom Spielplatz, Wenn es im Dorfe nun heißt: "Der Hummel ist los!" und "da kommt er!" Durch der Erde gewundenes Ohr, wo ihn Lolegrin heimlich Vorn am Eingang ſammelte ſich unliebſamer Kehricht Niederen Volks, betruͤgliche Kraͤmer, Kuppler und Metzen, Lauſige Dichter auch und unzaͤhlbares Geſindel. Dieſe, zu ſchwatzen gewohnt, zu ſcherzen oder zu fluchen, Muͤhten vergebens ſich ab, zu erheben die lispelnde Stimme — Denn hellklingendes Wort iſt nicht den Todten verliehen — Und ſo winkten ſie nur mit heftig bewegter Geberde, Stießen und zerrten einander wie im Gewuͤhle des Jahr¬ markts. Aber weiter hinein ſah man die edleren Geiſter, Prieſter, Koͤnige, Helden; geſchmuͤckt mit ewigem Lorbeer, Ruhig ergingen ſie ſich und ſaßen, Manche zuſammen, Manche fuͤr ſich, und es ſchied die weit zerſtreueten Gruppen Huͤgel und Fels und Gebuͤſch und die finſtere Wand der Cypreſſen. Kaum nun war der ſichere Mann in der Pforte er¬ ſchienen, Aufrecht die hohe Geſtalt, mit dem Welt-Buch unter dem Arme: Sieh, da betraf die Schatten am Eingang toͤdtliches Schrecken. Auseinander ſtoben ſie all', wie Kinder vom Spielplatz, Wenn es im Dorfe nun heißt: „Der Hummel iſt los!“ und „da kommt er!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="10"> <pb facs="#f0201" n="185"/> <l>Durch der Erde gewundenes Ohr, wo ihn Lolegrin heimlich</l><lb/> <l>Fuͤhrete, bis er die Schatten erſah, die, luftig und<lb/><hi rendition="#et">ſchwebend,</hi></l><lb/> <l>Daͤmmernde Raͤume bewohnen, die Boͤſen ſo wie die Guten.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Vorn am Eingang ſammelte ſich unliebſamer Kehricht</l><lb/> <l>Niederen Volks, betruͤgliche Kraͤmer, Kuppler und Metzen,</l><lb/> <l>Lauſige Dichter auch und unzaͤhlbares Geſindel.</l><lb/> <l>Dieſe, zu ſchwatzen gewohnt, zu ſcherzen oder zu fluchen,</l><lb/> <l>Muͤhten vergebens ſich ab, zu erheben die lispelnde<lb/><hi rendition="#et">Stimme —</hi></l><lb/> <l>Denn hellklingendes Wort iſt nicht den Todten verliehen —</l><lb/> <l>Und ſo winkten ſie nur mit heftig bewegter Geberde,</l><lb/> <l>Stießen und zerrten einander wie im Gewuͤhle des Jahr¬<lb/><hi rendition="#et">markts.</hi></l><lb/> <l>Aber weiter hinein ſah man die edleren Geiſter,</l><lb/> <l>Prieſter, Koͤnige, Helden; geſchmuͤckt mit ewigem Lorbeer,</l><lb/> <l>Ruhig ergingen ſie ſich und ſaßen, Manche zuſammen,</l><lb/> <l>Manche fuͤr ſich, und es ſchied die weit zerſtreueten Gruppen</l><lb/> <l>Huͤgel und Fels und Gebuͤſch und die finſtere Wand der<lb/><hi rendition="#et">Cypreſſen.</hi></l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Kaum nun war der ſichere Mann in der Pforte er¬<lb/><hi rendition="#et">ſchienen,</hi></l><lb/> <l>Aufrecht die hohe Geſtalt, mit dem Welt-Buch unter dem<lb/><hi rendition="#et">Arme:</hi></l><lb/> <l>Sieh, da betraf die Schatten am Eingang toͤdtliches Schrecken.</l><lb/> <l>Auseinander ſtoben ſie all', wie Kinder vom Spielplatz,</l><lb/> <l>Wenn es im Dorfe nun heißt: „Der Hummel iſt los!“<lb/><hi rendition="#et">und „da kommt er!“</hi></l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [185/0201]
Durch der Erde gewundenes Ohr, wo ihn Lolegrin heimlich
Fuͤhrete, bis er die Schatten erſah, die, luftig und
ſchwebend,
Daͤmmernde Raͤume bewohnen, die Boͤſen ſo wie die Guten.
Vorn am Eingang ſammelte ſich unliebſamer Kehricht
Niederen Volks, betruͤgliche Kraͤmer, Kuppler und Metzen,
Lauſige Dichter auch und unzaͤhlbares Geſindel.
Dieſe, zu ſchwatzen gewohnt, zu ſcherzen oder zu fluchen,
Muͤhten vergebens ſich ab, zu erheben die lispelnde
Stimme —
Denn hellklingendes Wort iſt nicht den Todten verliehen —
Und ſo winkten ſie nur mit heftig bewegter Geberde,
Stießen und zerrten einander wie im Gewuͤhle des Jahr¬
markts.
Aber weiter hinein ſah man die edleren Geiſter,
Prieſter, Koͤnige, Helden; geſchmuͤckt mit ewigem Lorbeer,
Ruhig ergingen ſie ſich und ſaßen, Manche zuſammen,
Manche fuͤr ſich, und es ſchied die weit zerſtreueten Gruppen
Huͤgel und Fels und Gebuͤſch und die finſtere Wand der
Cypreſſen.
Kaum nun war der ſichere Mann in der Pforte er¬
ſchienen,
Aufrecht die hohe Geſtalt, mit dem Welt-Buch unter dem
Arme:
Sieh, da betraf die Schatten am Eingang toͤdtliches Schrecken.
Auseinander ſtoben ſie all', wie Kinder vom Spielplatz,
Wenn es im Dorfe nun heißt: „Der Hummel iſt los!“
und „da kommt er!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |