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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Die traurige Krönung.
Es war ein König Milesint,
Von dem will ich euch sagen;
Der meuchelte sein Bruders-Kind,
Wollte selbst die Krone tragen.
Die Krönung ward mit Prangen
Auf Liffey-Schloß begangen.
O Irland! Irland! warest du so blind?
Der König sizt um Mitternacht
Im öden Marmorsaale,
Er freut sich seiner neuen Pracht
Beim einsamen Pokale;
Er spricht zu seinem Sohne:
"Noch einmal bring' die Krone!
Doch schau, wer hat die Pforten aufgemacht?"
Da kommt ein seltsam Todtenspiel,
Ein Zug mit leisen Tritten,
Vermummte Gäste groß und viel,
Eine Krone schwankt in Mitten;
Es drängt sich durch die Pforte
Mit Flüstern ohne Worte;
Dem Könige, dem wird so geisterschwül.
Und aus der schwarzen Menge blickt
Ein Kind mit frischer Wunde,
Es lächelt sterbensweh und nickt,
Es macht im Saal die Runde,
Die traurige Krönung.
Es war ein Koͤnig Mileſint,
Von dem will ich euch ſagen;
Der meuchelte ſein Bruders-Kind,
Wollte ſelbſt die Krone tragen.
Die Kroͤnung ward mit Prangen
Auf Liffey-Schloß begangen.
O Irland! Irland! wareſt du ſo blind?
Der Koͤnig ſizt um Mitternacht
Im oͤden Marmorſaale,
Er freut ſich ſeiner neuen Pracht
Beim einſamen Pokale;
Er ſpricht zu ſeinem Sohne:
„Noch einmal bring' die Krone!
Doch ſchau, wer hat die Pforten aufgemacht?“
Da kommt ein ſeltſam Todtenſpiel,
Ein Zug mit leiſen Tritten,
Vermummte Gaͤſte groß und viel,
Eine Krone ſchwankt in Mitten;
Es draͤngt ſich durch die Pforte
Mit Fluͤſtern ohne Worte;
Dem Koͤnige, dem wird ſo geiſterſchwuͤl.
Und aus der ſchwarzen Menge blickt
Ein Kind mit friſcher Wunde,
Es laͤchelt ſterbensweh und nickt,
Es macht im Saal die Runde,
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[70/0086] Die traurige Krönung. Es war ein Koͤnig Mileſint, Von dem will ich euch ſagen; Der meuchelte ſein Bruders-Kind, Wollte ſelbſt die Krone tragen. Die Kroͤnung ward mit Prangen Auf Liffey-Schloß begangen. O Irland! Irland! wareſt du ſo blind? Der Koͤnig ſizt um Mitternacht Im oͤden Marmorſaale, Er freut ſich ſeiner neuen Pracht Beim einſamen Pokale; Er ſpricht zu ſeinem Sohne: „Noch einmal bring' die Krone! Doch ſchau, wer hat die Pforten aufgemacht?“ Da kommt ein ſeltſam Todtenſpiel, Ein Zug mit leiſen Tritten, Vermummte Gaͤſte groß und viel, Eine Krone ſchwankt in Mitten; Es draͤngt ſich durch die Pforte Mit Fluͤſtern ohne Worte; Dem Koͤnige, dem wird ſo geiſterſchwuͤl. Und aus der ſchwarzen Menge blickt Ein Kind mit friſcher Wunde, Es laͤchelt ſterbensweh und nickt, Es macht im Saal die Runde,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/86>, abgerufen am 21.11.2024.