Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Des Schlossküpers Geister zu Tübingen.

Ballade, beim Weine zu singen.

In's alten Schloßwirths Garten
Da klingt schon viele Jahr kein Glas,
Kein Kegel fällt, keine Karten,
Wächst aber schön lang Gras.
Ich mutterseelalleine
Sazt' mich an einen langen Tisch;
Der Schloßwirth regt die Beine,
Vom Rothen bringt er frisch.
Und läßt sich zu mir nieder;
Von alten Zeiten red't man viel,
Man seufzet hin und wieder;
Der Schöpplein wird kein Ziel.
Da nun der Tag gegangen,
Der Schloßwirth sagt kein Wörtlein mehr;
Neun Lichter thät er langen,
Neun Stühle sezt er her.
Als wie zum größten Feste
Auftischt er, daß die Tafel kracht:
Was kämen noch für Gäste?
Ist doch schier Mitternacht!
Des Schloſsküpers Geiſter zu Tübingen.

Ballade, beim Weine zu ſingen.

In's alten Schloßwirths Garten
Da klingt ſchon viele Jahr kein Glas,
Kein Kegel faͤllt, keine Karten,
Waͤchst aber ſchoͤn lang Gras.
Ich mutterſeelalleine
Sazt' mich an einen langen Tiſch;
Der Schloßwirth regt die Beine,
Vom Rothen bringt er friſch.
Und laͤßt ſich zu mir nieder;
Von alten Zeiten red't man viel,
Man ſeufzet hin und wieder;
Der Schoͤpplein wird kein Ziel.
Da nun der Tag gegangen,
Der Schloßwirth ſagt kein Woͤrtlein mehr;
Neun Lichter thaͤt er langen,
Neun Stuͤhle ſezt er her.
Als wie zum groͤßten Feſte
Auftiſcht er, daß die Tafel kracht:
Was kaͤmen noch fuͤr Gaͤſte?
Iſt doch ſchier Mitternacht!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0096" n="80"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Des Schlo&#x017F;sküpers Gei&#x017F;ter zu Tübingen.</hi><lb/>
        </head>
        <p rendition="#c">Ballade, beim Weine zu &#x017F;ingen.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">I</hi>n's alten Schloßwirths Garten</l><lb/>
            <l>Da klingt &#x017F;chon viele Jahr kein Glas,</l><lb/>
            <l>Kein Kegel fa&#x0364;llt, keine Karten,</l><lb/>
            <l>Wa&#x0364;chst aber &#x017F;cho&#x0364;n lang Gras.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Ich mutter&#x017F;eelalleine</l><lb/>
            <l>Sazt' mich an einen langen Ti&#x017F;ch;</l><lb/>
            <l>Der Schloßwirth regt die Beine,</l><lb/>
            <l>Vom Rothen bringt er fri&#x017F;ch.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Und la&#x0364;ßt &#x017F;ich zu mir nieder;</l><lb/>
            <l>Von alten Zeiten red't man viel,</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;eufzet hin und wieder;</l><lb/>
            <l>Der Scho&#x0364;pplein wird kein Ziel.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Da nun der Tag gegangen,</l><lb/>
            <l>Der Schloßwirth &#x017F;agt kein Wo&#x0364;rtlein mehr;</l><lb/>
            <l>Neun Lichter tha&#x0364;t er langen,</l><lb/>
            <l>Neun Stu&#x0364;hle &#x017F;ezt er her.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l>Als wie zum gro&#x0364;ßten Fe&#x017F;te</l><lb/>
            <l>Aufti&#x017F;cht er, daß die Tafel kracht:</l><lb/>
            <l>Was ka&#x0364;men noch fu&#x0364;r Ga&#x0364;&#x017F;te?</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t doch &#x017F;chier Mitternacht!</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0096] Des Schloſsküpers Geiſter zu Tübingen. Ballade, beim Weine zu ſingen. In's alten Schloßwirths Garten Da klingt ſchon viele Jahr kein Glas, Kein Kegel faͤllt, keine Karten, Waͤchst aber ſchoͤn lang Gras. Ich mutterſeelalleine Sazt' mich an einen langen Tiſch; Der Schloßwirth regt die Beine, Vom Rothen bringt er friſch. Und laͤßt ſich zu mir nieder; Von alten Zeiten red't man viel, Man ſeufzet hin und wieder; Der Schoͤpplein wird kein Ziel. Da nun der Tag gegangen, Der Schloßwirth ſagt kein Woͤrtlein mehr; Neun Lichter thaͤt er langen, Neun Stuͤhle ſezt er her. Als wie zum groͤßten Feſte Auftiſcht er, daß die Tafel kracht: Was kaͤmen noch fuͤr Gaͤſte? Iſt doch ſchier Mitternacht!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/96
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/96>, abgerufen am 21.11.2024.