Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

verdoppelte seine Schritte bei'm Eintritt in das Kärnth¬
ner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Postträger
an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet
übergibt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand
augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um
ihn zu quittiren, in den nächsten Kaufladen; dann,
wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in sein
Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend,
halb stehend verschlingt er den Brief.

"Ich saß," fuhr Madame Mozart hier in der
Erzählung bei den Damen fort, "am Nähtisch, hörte
meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Be¬
dienten nach mir fragen. Sein Tritt und seine
Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als
ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war.
Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich her¬
über. Guten Abend! sagt' er; ich, ohne aufzusehen,
erwiederte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein
paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter er¬
zwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür,
was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte
vor sich: "Wo nur die Fliegen gleich wieder her
kommen!" -- fing an zu patschen da und dort, und
zwar so stark wie möglich. Dieß war ihm stets der

verdoppelte ſeine Schritte bei'm Eintritt in das Kärnth¬
ner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Poſtträger
an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet
übergibt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand
augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um
ihn zu quittiren, in den nächſten Kaufladen; dann,
wieder auf der Straße, kann er ſich nicht bis in ſein
Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend,
halb ſtehend verſchlingt er den Brief.

„Ich ſaß,“ fuhr Madame Mozart hier in der
Erzählung bei den Damen fort, „am Nähtiſch, hörte
meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Be¬
dienten nach mir fragen. Sein Tritt und ſeine
Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als
ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war.
Erſt ging er auf ſein Zimmer, kam aber gleich her¬
über. Guten Abend! ſagt' er; ich, ohne aufzuſehen,
erwiederte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein
paarmal ſtillſchweigend gemeſſen, nahm er unter er¬
zwungenem Gähnen die Fliegenklatſche hinter der Thür,
was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte
vor ſich: „Wo nur die Fliegen gleich wieder her
kommen!“ — fing an zu patſchen da und dort, und
zwar ſo ſtark wie möglich. Dieß war ihm ſtets der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0101" n="89"/>
verdoppelte &#x017F;eine Schritte bei'm Eintritt in das Kärnth¬<lb/>
ner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Po&#x017F;tträger<lb/>
an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet<lb/>
übergibt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand<lb/>
augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um<lb/>
ihn zu quittiren, in den näch&#x017F;ten Kaufladen; dann,<lb/>
wieder auf der Straße, kann er &#x017F;ich nicht bis in &#x017F;ein<lb/>
Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend,<lb/>
halb &#x017F;tehend ver&#x017F;chlingt er den Brief.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Ich &#x017F;aß,&#x201C; fuhr Madame Mozart hier in der<lb/>
Erzählung bei den Damen fort, &#x201E;am Nähti&#x017F;ch, hörte<lb/>
meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Be¬<lb/>
dienten nach mir fragen. Sein Tritt und &#x017F;eine<lb/>
Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als<lb/>
ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war.<lb/>
Er&#x017F;t ging er auf &#x017F;ein Zimmer, kam aber gleich her¬<lb/>
über. Guten Abend! &#x017F;agt' er; ich, ohne aufzu&#x017F;ehen,<lb/>
erwiederte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein<lb/>
paarmal &#x017F;till&#x017F;chweigend geme&#x017F;&#x017F;en, nahm er unter er¬<lb/>
zwungenem Gähnen die Fliegenklat&#x017F;che hinter der Thür,<lb/>
was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte<lb/>
vor &#x017F;ich: &#x201E;Wo nur die Fliegen gleich wieder her<lb/>
kommen!&#x201C; &#x2014; fing an zu pat&#x017F;chen da und dort, und<lb/>
zwar &#x017F;o &#x017F;tark wie möglich. Dieß war ihm &#x017F;tets der<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0101] verdoppelte ſeine Schritte bei'm Eintritt in das Kärnth¬ ner Thor. Nicht weit davon ruft ihn der Poſtträger an, der ihm ein kleines, doch gewichtiges Packet übergibt, worauf er eine ehrliche und accurate Hand augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um ihn zu quittiren, in den nächſten Kaufladen; dann, wieder auf der Straße, kann er ſich nicht bis in ſein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend, halb ſtehend verſchlingt er den Brief. „Ich ſaß,“ fuhr Madame Mozart hier in der Erzählung bei den Damen fort, „am Nähtiſch, hörte meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Be¬ dienten nach mir fragen. Sein Tritt und ſeine Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erſt ging er auf ſein Zimmer, kam aber gleich her¬ über. Guten Abend! ſagt' er; ich, ohne aufzuſehen, erwiederte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein paarmal ſtillſchweigend gemeſſen, nahm er unter er¬ zwungenem Gähnen die Fliegenklatſche hinter der Thür, was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor ſich: „Wo nur die Fliegen gleich wieder her kommen!“ — fing an zu patſchen da und dort, und zwar ſo ſtark wie möglich. Dieß war ihm ſtets der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/101
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/101>, abgerufen am 18.05.2024.