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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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naiver Weise die ihr bestimmte Frage unmittelbar an
die ihm nahestehende Franziska: "Was denken Sie
denn nun im Ganzen von unserm Don Giovanni?
was können Sie ihm Gutes prophezeien?"

"Ich will," versetzte sie mit Lachen, "im Namen
meiner Base so gut antworten als ich kann: "Meine
einfältige Meinung ist, daß wenn Don Giovanni
nicht aller Welt den Kopf verrückt, so schlägt der
liebe Gott seinen Musikkasten gar zu, auf unbe¬
stimmte Zeit heißt das, und gibt der Menschheit zu
verstehen --" -- "Und gibt der Menschheit," fiel
der Onkel verbessernd ein, "den Dudelsack in die
Hand und verstocket die Herzen der Leute, daß sie
anbeten Baalim."

"Behüt' uns Gott!" lachte Mozart. "Je nun,
im Lauf der nächsten sechzig, siebzig Jahre, nachdem
ich lang fort bin, wird mancher falsche Prophet auf¬
stehen."

Eugenie trat mit dem Baron und Max herbei,
die Unterhaltung hob sich unversehens auf ein Neues,
ward nochmals ernsthaft und bedeutend, so daß der
Componist, eh' die Gesellschaft aus einander ging,
sich noch gar mancher schönen, bezeichnenden Aeußerung
erfreute, die seiner Hoffnung schmeichelte.

naiver Weiſe die ihr beſtimmte Frage unmittelbar an
die ihm naheſtehende Franziska: „Was denken Sie
denn nun im Ganzen von unſerm Don Giovanni?
was können Sie ihm Gutes prophezeien?“

„Ich will,“ verſetzte ſie mit Lachen, „im Namen
meiner Baſe ſo gut antworten als ich kann: „Meine
einfältige Meinung iſt, daß wenn Don Giovanni
nicht aller Welt den Kopf verrückt, ſo ſchlägt der
liebe Gott ſeinen Muſikkaſten gar zu, auf unbe¬
ſtimmte Zeit heißt das, und gibt der Menſchheit zu
verſtehen —“ — „Und gibt der Menſchheit,“ fiel
der Onkel verbeſſernd ein, „den Dudelſack in die
Hand und verſtocket die Herzen der Leute, daß ſie
anbeten Baalim.“

„Behüt' uns Gott!“ lachte Mozart. „Je nun,
im Lauf der nächſten ſechzig, ſiebzig Jahre, nachdem
ich lang fort bin, wird mancher falſche Prophet auf¬
ſtehen.“

Eugenie trat mit dem Baron und Max herbei,
die Unterhaltung hob ſich unverſehens auf ein Neues,
ward nochmals ernſthaft und bedeutend, ſo daß der
Componiſt, eh' die Geſellſchaft aus einander ging,
ſich noch gar mancher ſchönen, bezeichnenden Aeußerung
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[108/0120] naiver Weiſe die ihr beſtimmte Frage unmittelbar an die ihm naheſtehende Franziska: „Was denken Sie denn nun im Ganzen von unſerm Don Giovanni? was können Sie ihm Gutes prophezeien?“ „Ich will,“ verſetzte ſie mit Lachen, „im Namen meiner Baſe ſo gut antworten als ich kann: „Meine einfältige Meinung iſt, daß wenn Don Giovanni nicht aller Welt den Kopf verrückt, ſo ſchlägt der liebe Gott ſeinen Muſikkaſten gar zu, auf unbe¬ ſtimmte Zeit heißt das, und gibt der Menſchheit zu verſtehen —“ — „Und gibt der Menſchheit,“ fiel der Onkel verbeſſernd ein, „den Dudelſack in die Hand und verſtocket die Herzen der Leute, daß ſie anbeten Baalim.“ „Behüt' uns Gott!“ lachte Mozart. „Je nun, im Lauf der nächſten ſechzig, ſiebzig Jahre, nachdem ich lang fort bin, wird mancher falſche Prophet auf¬ ſtehen.“ Eugenie trat mit dem Baron und Max herbei, die Unterhaltung hob ſich unverſehens auf ein Neues, ward nochmals ernſthaft und bedeutend, ſo daß der Componiſt, eh' die Geſellſchaft aus einander ging, ſich noch gar mancher ſchönen, bezeichnenden Aeußerung erfreute, die ſeiner Hoffnung ſchmeichelte.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/120>, abgerufen am 29.11.2024.