Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

nachleben dürfe, wenn endlich der Genuß, nach dem er
nicht mehr jagen, den er mit ungleich besserem Ge¬
wissen haben würde, ihm noch einmal so wohl an
Leib und Seele gedeihe, dann sollte bald sein ganzer
Zustand leichter, natürlicher, ruhiger werden. Sie
dachte gar an einen gelegentlichen Wechsel ihres
Wohnorts, da seine unbedingte Vorliebe für Wien,
wo nun einmal nach ihrer Ueberzeugung kein rech¬
ter Segen für ihn sey, am Ende doch zu überwin¬
den wäre.

Den nächsten entscheidenden Vorschub aber zu
Verwirklichung ihrer Gedanken und Wünsche versprach
sich Madame Mozart vom Erfolg der neuen Oper,
um die es sich bei dieser Reise handelte.

Die Composition war weit über die Hälfte vor¬
geschritten. Vertraute, urtheilsfähige Freunde, die,
als Zeugen der Entstehung des außerordentlichen
Werks, einen hinreichenden Begriff von seiner Art
und Wirkungsweise haben mußten, sprachen überall
davon in einem Tone, daß viele selber von den Geg¬
nern darauf gefaßt seyn konnten, es werde dieser
Don Juan, bevor ein halbes Jahr verginge, die ge¬
sammte musikalische Welt, von einem Ende Deutsch¬
lands bis zum andern, erschüttert, auf den Kopf

nachleben dürfe, wenn endlich der Genuß, nach dem er
nicht mehr jagen, den er mit ungleich beſſerem Ge¬
wiſſen haben würde, ihm noch einmal ſo wohl an
Leib und Seele gedeihe, dann ſollte bald ſein ganzer
Zuſtand leichter, natürlicher, ruhiger werden. Sie
dachte gar an einen gelegentlichen Wechſel ihres
Wohnorts, da ſeine unbedingte Vorliebe für Wien,
wo nun einmal nach ihrer Ueberzeugung kein rech¬
ter Segen für ihn ſey, am Ende doch zu überwin¬
den wäre.

Den nächſten entſcheidenden Vorſchub aber zu
Verwirklichung ihrer Gedanken und Wünſche verſprach
ſich Madame Mozart vom Erfolg der neuen Oper,
um die es ſich bei dieſer Reiſe handelte.

Die Compoſition war weit über die Hälfte vor¬
geſchritten. Vertraute, urtheilsfähige Freunde, die,
als Zeugen der Entſtehung des außerordentlichen
Werks, einen hinreichenden Begriff von ſeiner Art
und Wirkungsweiſe haben mußten, ſprachen überall
davon in einem Tone, daß viele ſelber von den Geg¬
nern darauf gefaßt ſeyn konnten, es werde dieſer
Don Juan, bevor ein halbes Jahr verginge, die ge¬
ſammte muſikaliſche Welt, von einem Ende Deutſch¬
lands bis zum andern, erſchüttert, auf den Kopf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0030" n="18"/>
nachleben dürfe, wenn endlich der Genuß, nach dem er<lb/>
nicht mehr jagen, den er mit ungleich be&#x017F;&#x017F;erem Ge¬<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en haben würde, ihm noch einmal &#x017F;o wohl an<lb/>
Leib und Seele gedeihe, dann &#x017F;ollte bald &#x017F;ein ganzer<lb/>
Zu&#x017F;tand leichter, natürlicher, ruhiger werden. Sie<lb/>
dachte gar an einen gelegentlichen Wech&#x017F;el ihres<lb/>
Wohnorts, da &#x017F;eine unbedingte Vorliebe für Wien,<lb/>
wo nun einmal nach ihrer Ueberzeugung kein rech¬<lb/>
ter Segen für ihn &#x017F;ey, am Ende doch zu überwin¬<lb/>
den wäre.</p><lb/>
      <p>Den näch&#x017F;ten ent&#x017F;cheidenden Vor&#x017F;chub aber zu<lb/>
Verwirklichung ihrer Gedanken und Wün&#x017F;che ver&#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ich Madame Mozart vom Erfolg der neuen Oper,<lb/>
um die es &#x017F;ich bei die&#x017F;er Rei&#x017F;e handelte.</p><lb/>
      <p>Die Compo&#x017F;ition war weit über die Hälfte vor¬<lb/>
ge&#x017F;chritten. Vertraute, urtheilsfähige Freunde, die,<lb/>
als Zeugen der Ent&#x017F;tehung des außerordentlichen<lb/>
Werks, einen hinreichenden Begriff von &#x017F;einer Art<lb/>
und Wirkungswei&#x017F;e haben mußten, &#x017F;prachen überall<lb/>
davon in einem Tone, daß viele &#x017F;elber von den Geg¬<lb/>
nern darauf gefaßt &#x017F;eyn konnten, es werde die&#x017F;er<lb/>
Don Juan, bevor ein halbes Jahr verginge, die ge¬<lb/>
&#x017F;ammte mu&#x017F;ikali&#x017F;che Welt, von einem Ende Deut&#x017F;ch¬<lb/>
lands bis zum andern, er&#x017F;chüttert, auf den Kopf<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0030] nachleben dürfe, wenn endlich der Genuß, nach dem er nicht mehr jagen, den er mit ungleich beſſerem Ge¬ wiſſen haben würde, ihm noch einmal ſo wohl an Leib und Seele gedeihe, dann ſollte bald ſein ganzer Zuſtand leichter, natürlicher, ruhiger werden. Sie dachte gar an einen gelegentlichen Wechſel ihres Wohnorts, da ſeine unbedingte Vorliebe für Wien, wo nun einmal nach ihrer Ueberzeugung kein rech¬ ter Segen für ihn ſey, am Ende doch zu überwin¬ den wäre. Den nächſten entſcheidenden Vorſchub aber zu Verwirklichung ihrer Gedanken und Wünſche verſprach ſich Madame Mozart vom Erfolg der neuen Oper, um die es ſich bei dieſer Reiſe handelte. Die Compoſition war weit über die Hälfte vor¬ geſchritten. Vertraute, urtheilsfähige Freunde, die, als Zeugen der Entſtehung des außerordentlichen Werks, einen hinreichenden Begriff von ſeiner Art und Wirkungsweiſe haben mußten, ſprachen überall davon in einem Tone, daß viele ſelber von den Geg¬ nern darauf gefaßt ſeyn konnten, es werde dieſer Don Juan, bevor ein halbes Jahr verginge, die ge¬ ſammte muſikaliſche Welt, von einem Ende Deutſch¬ lands bis zum andern, erſchüttert, auf den Kopf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/30
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/30>, abgerufen am 09.11.2024.