Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

daß sich bisher die mindeste Folge gezeigt hätte, außer
daß Loskine mir überall ausweicht.

In einer Bauernhütte zu ***
Ich bin getrennt von meiner Bande, aber um
welchen Preis getrennt!

An demselben Morgen, da ich das Lezte schrieb,
nahm der Hauptmann mich bei Seite und erklärte
mir mit Mäßigung, aber mit finsterm Unmuth, daß
ich ihn verlassen müßte oder mich ganz so verhalten,
als ob Loskine gar nicht vorhanden wäre. Sein
Sohn wünsche sie als Weib zu besitzen, er selber habe
sie ihm versprochen, sie werde sich auch jezt nicht län-
ger weigern. Ich möchte überhaupt auf meiner Hut
seyn, Marwin wolle mir sehr übel, nur die Furcht
vor ihm, seinem Vater, habe ihn im Zaum gehalten,
daß er sich nicht an mir vergriffen. Ich erwiderte,
wenn mein argloses Wohlgefallen an dem Mädchen
Verdruß errege, so wäre es mir ein Leichtes, künftig
behutsam zu seyn; wenn aber Marwin überhaupt
durch meine Gegenwart beunruhigt werde, so würde
ich auch diese aufheben. Der Hauptmann, im Be-
wußtseyn der nicht unbeträchtlichen Vortheile, die ihm
meine Gesellschaft brachte, lenkte ein. Ich antwor-
tete darauf wieder in unbestimmten Ausdrücken und
so beruhte die Sache auf sich. Aber bald kam ich
zu einer herzzerschneidenden Scene, woran ich sogleich
selber Theil nehmen sollte. Loskine, mit dem Strick-
zeug auf dem Schoose, saß an der Erde, das Gesicht

daß ſich bisher die mindeſte Folge gezeigt hätte, außer
daß Loskine mir überall ausweicht.

In einer Bauernhütte zu ***
Ich bin getrennt von meiner Bande, aber um
welchen Preis getrennt!

An demſelben Morgen, da ich das Lezte ſchrieb,
nahm der Hauptmann mich bei Seite und erklärte
mir mit Mäßigung, aber mit finſterm Unmuth, daß
ich ihn verlaſſen müßte oder mich ganz ſo verhalten,
als ob Loskine gar nicht vorhanden wäre. Sein
Sohn wünſche ſie als Weib zu beſitzen, er ſelber habe
ſie ihm verſprochen, ſie werde ſich auch jezt nicht län-
ger weigern. Ich möchte überhaupt auf meiner Hut
ſeyn, Marwin wolle mir ſehr übel, nur die Furcht
vor ihm, ſeinem Vater, habe ihn im Zaum gehalten,
daß er ſich nicht an mir vergriffen. Ich erwiderte,
wenn mein argloſes Wohlgefallen an dem Mädchen
Verdruß errege, ſo wäre es mir ein Leichtes, künftig
behutſam zu ſeyn; wenn aber Marwin überhaupt
durch meine Gegenwart beunruhigt werde, ſo würde
ich auch dieſe aufheben. Der Hauptmann, im Be-
wußtſeyn der nicht unbeträchtlichen Vortheile, die ihm
meine Geſellſchaft brachte, lenkte ein. Ich antwor-
tete darauf wieder in unbeſtimmten Ausdrücken und
ſo beruhte die Sache auf ſich. Aber bald kam ich
zu einer herzzerſchneidenden Scene, woran ich ſogleich
ſelber Theil nehmen ſollte. Loskine, mit dem Strick-
zeug auf dem Schooſe, ſaß an der Erde, das Geſicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0318" n="310"/>
daß &#x017F;ich bisher die minde&#x017F;te Folge gezeigt hätte, außer<lb/>
daß <hi rendition="#g">Loskine</hi> mir überall ausweicht.</p><lb/>
          <p><date><hi rendition="#et">In einer Bauernhütte zu ***</hi></date><lb/>
Ich bin getrennt von meiner Bande, aber um<lb/>
welchen Preis getrennt!</p><lb/>
          <p>An dem&#x017F;elben Morgen, da ich das Lezte &#x017F;chrieb,<lb/>
nahm der Hauptmann mich bei Seite und erklärte<lb/>
mir mit Mäßigung, aber mit fin&#x017F;term Unmuth, daß<lb/>
ich ihn verla&#x017F;&#x017F;en müßte oder mich ganz &#x017F;o verhalten,<lb/>
als ob <hi rendition="#g">Loskine</hi> gar nicht vorhanden wäre. Sein<lb/>
Sohn wün&#x017F;che &#x017F;ie als Weib zu be&#x017F;itzen, er &#x017F;elber habe<lb/>
&#x017F;ie ihm ver&#x017F;prochen, &#x017F;ie werde &#x017F;ich auch jezt nicht län-<lb/>
ger weigern. Ich möchte überhaupt auf meiner Hut<lb/>
&#x017F;eyn, <hi rendition="#g">Marwin</hi> wolle mir &#x017F;ehr übel, nur die Furcht<lb/>
vor ihm, &#x017F;einem Vater, habe ihn im Zaum gehalten,<lb/>
daß er &#x017F;ich nicht an mir vergriffen. Ich erwiderte,<lb/>
wenn mein arglo&#x017F;es Wohlgefallen an dem Mädchen<lb/>
Verdruß errege, &#x017F;o wäre es mir ein Leichtes, künftig<lb/>
behut&#x017F;am zu &#x017F;eyn; wenn aber <hi rendition="#g">Marwin</hi> überhaupt<lb/>
durch meine Gegenwart beunruhigt werde, &#x017F;o würde<lb/>
ich auch die&#x017F;e aufheben. Der Hauptmann, im Be-<lb/>
wußt&#x017F;eyn der nicht unbeträchtlichen Vortheile, die ihm<lb/>
meine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft brachte, lenkte ein. Ich antwor-<lb/>
tete darauf wieder in unbe&#x017F;timmten Ausdrücken und<lb/>
&#x017F;o beruhte die Sache auf &#x017F;ich. Aber bald kam ich<lb/>
zu einer herzzer&#x017F;chneidenden Scene, woran ich &#x017F;ogleich<lb/>
&#x017F;elber Theil nehmen &#x017F;ollte. <hi rendition="#g">Loskine</hi>, mit dem Strick-<lb/>
zeug auf dem Schoo&#x017F;e, &#x017F;aß an der Erde, das Ge&#x017F;icht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0318] daß ſich bisher die mindeſte Folge gezeigt hätte, außer daß Loskine mir überall ausweicht. In einer Bauernhütte zu *** Ich bin getrennt von meiner Bande, aber um welchen Preis getrennt! An demſelben Morgen, da ich das Lezte ſchrieb, nahm der Hauptmann mich bei Seite und erklärte mir mit Mäßigung, aber mit finſterm Unmuth, daß ich ihn verlaſſen müßte oder mich ganz ſo verhalten, als ob Loskine gar nicht vorhanden wäre. Sein Sohn wünſche ſie als Weib zu beſitzen, er ſelber habe ſie ihm verſprochen, ſie werde ſich auch jezt nicht län- ger weigern. Ich möchte überhaupt auf meiner Hut ſeyn, Marwin wolle mir ſehr übel, nur die Furcht vor ihm, ſeinem Vater, habe ihn im Zaum gehalten, daß er ſich nicht an mir vergriffen. Ich erwiderte, wenn mein argloſes Wohlgefallen an dem Mädchen Verdruß errege, ſo wäre es mir ein Leichtes, künftig behutſam zu ſeyn; wenn aber Marwin überhaupt durch meine Gegenwart beunruhigt werde, ſo würde ich auch dieſe aufheben. Der Hauptmann, im Be- wußtſeyn der nicht unbeträchtlichen Vortheile, die ihm meine Geſellſchaft brachte, lenkte ein. Ich antwor- tete darauf wieder in unbeſtimmten Ausdrücken und ſo beruhte die Sache auf ſich. Aber bald kam ich zu einer herzzerſchneidenden Scene, woran ich ſogleich ſelber Theil nehmen ſollte. Loskine, mit dem Strick- zeug auf dem Schooſe, ſaß an der Erde, das Geſicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/318
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/318>, abgerufen am 20.05.2024.