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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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haltungsgegenständen offenbarte; ja, Constanze schien
ihrer natürlichen Lebendigkeit öfters einige Gewalt an-
zuthun, um die Huldigung von sich abzuleiten, wo-
mit die Herren sie nicht undeutlich für die Königin
der Gesellschaft erklärten. Auch Theobald fühlte
sich insgeheim zu ihr hingezogen, und während der
anderthalb Monate, worin er jede Woche drei Abende
in ihrer Nähe zubringen durfte, entwickelte sich dieß
heitere Wohlgefallen zu einem stärkeren Grade von
Zuneigung, als er sich selbst eingestehen durfte. Die
Reize ihrer Person, die Feinheit ihres gebildeten Gei-
stes, verbunden mit einem lebhaften, selbst ausübenden
Interesse für seine Kunst, hatten ihn zu ihrem leiden-
schaftlichen Bewunderer gemacht, und wenn sein Ver-
stand, wenn die oberflächlichste Betrachtung der äußern
Verhältnisse ihm jeden entfernten Wunsch niederschlu-
gen, so wiederholte er sich auf der andern Seite doch
so manche leise Spur ihrer besondern Gunst mit un-
ermüdeter Selbstüberredung, wobei er freilich nicht
vergessen durfte, daß er in dem Herzog einen sehr
geistreichen Nebenbuhler zu fürchten habe, der ihm
überdieß, was Gewandtheit und schmeichelhaften Ton
des Umgangs betrifft, bei weitem überlegen war. Die
Leidenschaft des Herzogs war Theobalden desto
drückender, je inniger sonst ihr beiderseitiges Verhält-
niß hätte seyn können, dagegen nun der Letztere sei-
nem arglosen fürstlichen Freunde gegenüber eine heim-
liche Spannung nur mit Mühe verläugnete.

haltungsgegenſtänden offenbarte; ja, Conſtanze ſchien
ihrer natürlichen Lebendigkeit öfters einige Gewalt an-
zuthun, um die Huldigung von ſich abzuleiten, wo-
mit die Herren ſie nicht undeutlich für die Königin
der Geſellſchaft erklärten. Auch Theobald fühlte
ſich insgeheim zu ihr hingezogen, und während der
anderthalb Monate, worin er jede Woche drei Abende
in ihrer Nähe zubringen durfte, entwickelte ſich dieß
heitere Wohlgefallen zu einem ſtärkeren Grade von
Zuneigung, als er ſich ſelbſt eingeſtehen durfte. Die
Reize ihrer Perſon, die Feinheit ihres gebildeten Gei-
ſtes, verbunden mit einem lebhaften, ſelbſt ausübenden
Intereſſe für ſeine Kunſt, hatten ihn zu ihrem leiden-
ſchaftlichen Bewunderer gemacht, und wenn ſein Ver-
ſtand, wenn die oberflächlichſte Betrachtung der äußern
Verhältniſſe ihm jeden entfernten Wunſch niederſchlu-
gen, ſo wiederholte er ſich auf der andern Seite doch
ſo manche leiſe Spur ihrer beſondern Gunſt mit un-
ermüdeter Selbſtüberredung, wobei er freilich nicht
vergeſſen durfte, daß er in dem Herzog einen ſehr
geiſtreichen Nebenbuhler zu fürchten habe, der ihm
überdieß, was Gewandtheit und ſchmeichelhaften Ton
des Umgangs betrifft, bei weitem überlegen war. Die
Leidenſchaft des Herzogs war Theobalden deſto
drückender, je inniger ſonſt ihr beiderſeitiges Verhält-
niß hätte ſeyn können, dagegen nun der Letztere ſei-
nem argloſen fürſtlichen Freunde gegenüber eine heim-
liche Spannung nur mit Mühe verläugnete.

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[27/0035] haltungsgegenſtänden offenbarte; ja, Conſtanze ſchien ihrer natürlichen Lebendigkeit öfters einige Gewalt an- zuthun, um die Huldigung von ſich abzuleiten, wo- mit die Herren ſie nicht undeutlich für die Königin der Geſellſchaft erklärten. Auch Theobald fühlte ſich insgeheim zu ihr hingezogen, und während der anderthalb Monate, worin er jede Woche drei Abende in ihrer Nähe zubringen durfte, entwickelte ſich dieß heitere Wohlgefallen zu einem ſtärkeren Grade von Zuneigung, als er ſich ſelbſt eingeſtehen durfte. Die Reize ihrer Perſon, die Feinheit ihres gebildeten Gei- ſtes, verbunden mit einem lebhaften, ſelbſt ausübenden Intereſſe für ſeine Kunſt, hatten ihn zu ihrem leiden- ſchaftlichen Bewunderer gemacht, und wenn ſein Ver- ſtand, wenn die oberflächlichſte Betrachtung der äußern Verhältniſſe ihm jeden entfernten Wunſch niederſchlu- gen, ſo wiederholte er ſich auf der andern Seite doch ſo manche leiſe Spur ihrer beſondern Gunſt mit un- ermüdeter Selbſtüberredung, wobei er freilich nicht vergeſſen durfte, daß er in dem Herzog einen ſehr geiſtreichen Nebenbuhler zu fürchten habe, der ihm überdieß, was Gewandtheit und ſchmeichelhaften Ton des Umgangs betrifft, bei weitem überlegen war. Die Leidenſchaft des Herzogs war Theobalden deſto drückender, je inniger ſonſt ihr beiderſeitiges Verhält- niß hätte ſeyn können, dagegen nun der Letztere ſei- nem argloſen fürſtlichen Freunde gegenüber eine heim- liche Spannung nur mit Mühe verläugnete.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/35>, abgerufen am 09.11.2024.