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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Beide Männer klatschten lauten Beifall. Sie
wollte aufstehn. "Aller guten Dinge -- weißt du?"
rief der Alte, "noch Eines!" Also blätterte sie aber-
mals im Heft, unschlüssig, keines war ihr recht; über
dem Suchen und Wählen war der Vater aus der
Stube gegangen; sie klappte das Buch zu und sprach
mit Theobalden, während sie hin und wieder ei-
nen Akkord griff. Auf Einmal fiel sie in ein Vor-
spiel ein, bedeutender als alle frühern; es drückte die
tiefste rührendste Klage aus. Agnesens Blick ruhte
ernst, wie unter abwesenden Gedanken, auf Nolten,
bis sie sanft anhob zu singen.

Wir theilen das kleine Lied noch mit, und den-
ken, der Leser werde sich aus den einfachen Versen
vielleicht einen entfernten Begriff von der Musik ma-
chen können, besonders aus dem zweiten Refrain, bei
welchem die Melodie jedesmal eine unbeschreibliche
Wendung nahm, die Alles herauszusagen schien, was
irgend von Schmerz und Wehmuth sich in dem Bu-
sen eines unglücklichen Geschöpfs verbergen kann.

Rosenzeit! wie schnell vorbei,
Schnell vorbei,
Bist du doch gegangen!
Wär' mein Lieb nur blieben treu,
Blieben treu,
Sollte mir nicht bangen.
In der Ernte wohlgemuth,
Wohlgemuth,
Schnitterinnen singen;
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Beide Männer klatſchten lauten Beifall. Sie
wollte aufſtehn. „Aller guten Dinge — weißt du?“
rief der Alte, „noch Eines!“ Alſo blätterte ſie aber-
mals im Heft, unſchlüſſig, keines war ihr recht; über
dem Suchen und Wählen war der Vater aus der
Stube gegangen; ſie klappte das Buch zu und ſprach
mit Theobalden, während ſie hin und wieder ei-
nen Akkord griff. Auf Einmal fiel ſie in ein Vor-
ſpiel ein, bedeutender als alle frühern; es drückte die
tiefſte rührendſte Klage aus. Agneſens Blick ruhte
ernſt, wie unter abweſenden Gedanken, auf Nolten,
bis ſie ſanft anhob zu ſingen.

Wir theilen das kleine Lied noch mit, und den-
ken, der Leſer werde ſich aus den einfachen Verſen
vielleicht einen entfernten Begriff von der Muſik ma-
chen können, beſonders aus dem zweiten Refrain, bei
welchem die Melodie jedesmal eine unbeſchreibliche
Wendung nahm, die Alles herauszuſagen ſchien, was
irgend von Schmerz und Wehmuth ſich in dem Bu-
ſen eines unglücklichen Geſchöpfs verbergen kann.

Roſenzeit! wie ſchnell vorbei,
Schnell vorbei,
Biſt du doch gegangen!
Wär’ mein Lieb nur blieben treu,
Blieben treu,
Sollte mir nicht bangen.
In der Ernte wohlgemuth,
Wohlgemuth,
Schnitterinnen ſingen;
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[433/0119] Beide Männer klatſchten lauten Beifall. Sie wollte aufſtehn. „Aller guten Dinge — weißt du?“ rief der Alte, „noch Eines!“ Alſo blätterte ſie aber- mals im Heft, unſchlüſſig, keines war ihr recht; über dem Suchen und Wählen war der Vater aus der Stube gegangen; ſie klappte das Buch zu und ſprach mit Theobalden, während ſie hin und wieder ei- nen Akkord griff. Auf Einmal fiel ſie in ein Vor- ſpiel ein, bedeutender als alle frühern; es drückte die tiefſte rührendſte Klage aus. Agneſens Blick ruhte ernſt, wie unter abweſenden Gedanken, auf Nolten, bis ſie ſanft anhob zu ſingen. Wir theilen das kleine Lied noch mit, und den- ken, der Leſer werde ſich aus den einfachen Verſen vielleicht einen entfernten Begriff von der Muſik ma- chen können, beſonders aus dem zweiten Refrain, bei welchem die Melodie jedesmal eine unbeſchreibliche Wendung nahm, die Alles herauszuſagen ſchien, was irgend von Schmerz und Wehmuth ſich in dem Bu- ſen eines unglücklichen Geſchöpfs verbergen kann. Roſenzeit! wie ſchnell vorbei, Schnell vorbei, Biſt du doch gegangen! Wär’ mein Lieb nur blieben treu, Blieben treu, Sollte mir nicht bangen. In der Ernte wohlgemuth, Wohlgemuth, Schnitterinnen ſingen; 28

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/119>, abgerufen am 24.11.2024.