auf Leben und Tod ist die Rencontre nun doch nicht, es wäre denn, sie brächen sich einander vor Liebe die Hälse. Nun! hab' ich es nicht schön gemacht? Sorge voraus, Freud' gleich hinterdrein, wird erst ein wah- rer Jubel seyn. -- Also (brummte er für sich in den Bart) das wäre Numero 1." Seine Schalkheit ward jezt wacker gescholten. Doppelt und dreifach mußte Nolten erstaunen, denn S. war, seitdem sie sich nicht mehr gesehen, zum Obristen avancirt, deßwegen Jener auch aus der Uniform nicht klug werden konnte. Triumphirend erzählte der Pfarrer, wie er, nachdem die Nachricht von Theobalds Ankunft in Neuburg bei ihm eingelaufen, sogleich den herrlichen Einfall gehabt, den Schwager, den er in Geschäften für sein Regiment nur auf fünf Stunden in der Nähe gewußt, durch eine Staffette herbeizukriegen.
Auf's fröhlichste speiste man gleich zu Mittag. Es war eine ansehnliche Tafel. Sohn und Töchter des Neuburger Pastors saßen halb bänglich, halb ent- zückt in einem für sie so neuen Freudenkreise treffli- cher Menschen. Unser Maler, zwischen Agnes und den Schwager gesezt, wollte die Hände der Beiden gar nicht aus der seinigen lassen, er fühlte seit lan- ger Zeit einmal wieder alles Drückende und Schwere rein von sich abgethan und ein über's andre Mal traten ihm die Augen über.
An dem Pfarrer wurde nach nnd nach eine pri- ckelnde Unmüßigkeit sichtbar; er entfernte sich öfters,
auf Leben und Tod iſt die Rencontre nun doch nicht, es wäre denn, ſie brächen ſich einander vor Liebe die Hälſe. Nun! hab’ ich es nicht ſchön gemacht? Sorge voraus, Freud’ gleich hinterdrein, wird erſt ein wah- rer Jubel ſeyn. — Alſo (brummte er für ſich in den Bart) das wäre Numero 1.“ Seine Schalkheit ward jezt wacker geſcholten. Doppelt und dreifach mußte Nolten erſtaunen, denn S. war, ſeitdem ſie ſich nicht mehr geſehen, zum Obriſten avancirt, deßwegen Jener auch aus der Uniform nicht klug werden konnte. Triumphirend erzählte der Pfarrer, wie er, nachdem die Nachricht von Theobalds Ankunft in Neuburg bei ihm eingelaufen, ſogleich den herrlichen Einfall gehabt, den Schwager, den er in Geſchäften für ſein Regiment nur auf fünf Stunden in der Nähe gewußt, durch eine Staffette herbeizukriegen.
Auf’s fröhlichſte ſpeiste man gleich zu Mittag. Es war eine anſehnliche Tafel. Sohn und Töchter des Neuburger Paſtors ſaßen halb bänglich, halb ent- zückt in einem für ſie ſo neuen Freudenkreiſe treffli- cher Menſchen. Unſer Maler, zwiſchen Agnes und den Schwager geſezt, wollte die Hände der Beiden gar nicht aus der ſeinigen laſſen, er fühlte ſeit lan- ger Zeit einmal wieder alles Drückende und Schwere rein von ſich abgethan und ein über’s andre Mal traten ihm die Augen über.
An dem Pfarrer wurde nach nnd nach eine pri- ckelnde Unmüßigkeit ſichtbar; er entfernte ſich öfters,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0125"n="439"/>
auf Leben und Tod iſt die Rencontre nun doch nicht,<lb/>
es wäre denn, ſie brächen ſich einander vor Liebe die<lb/>
Hälſe. Nun! hab’ ich es nicht ſchön gemacht? Sorge<lb/>
voraus, Freud’ gleich hinterdrein, wird erſt ein wah-<lb/>
rer Jubel ſeyn. — Alſo (brummte er für ſich in den<lb/>
Bart) das wäre Numero 1.“ Seine Schalkheit ward<lb/>
jezt wacker geſcholten. Doppelt und dreifach mußte<lb/><hirendition="#g">Nolten</hi> erſtaunen, denn S. war, ſeitdem ſie ſich nicht<lb/>
mehr geſehen, zum Obriſten avancirt, deßwegen Jener<lb/>
auch aus der Uniform nicht klug werden konnte.<lb/>
Triumphirend erzählte der Pfarrer, wie er, nachdem<lb/>
die Nachricht von <hirendition="#g">Theobalds</hi> Ankunft in Neuburg<lb/>
bei ihm eingelaufen, ſogleich den herrlichen Einfall<lb/>
gehabt, den Schwager, den er in Geſchäften für ſein<lb/>
Regiment nur auf fünf Stunden in der Nähe gewußt,<lb/>
durch eine Staffette herbeizukriegen.</p><lb/><p>Auf’s fröhlichſte ſpeiste man gleich zu Mittag.<lb/>
Es war eine anſehnliche Tafel. Sohn und Töchter<lb/>
des Neuburger Paſtors ſaßen halb bänglich, halb ent-<lb/>
zückt in einem für ſie ſo neuen Freudenkreiſe treffli-<lb/>
cher Menſchen. Unſer Maler, zwiſchen <hirendition="#g">Agnes</hi> und<lb/>
den Schwager geſezt, wollte die Hände der Beiden<lb/>
gar nicht aus der ſeinigen laſſen, er fühlte ſeit lan-<lb/>
ger Zeit einmal wieder alles Drückende und Schwere<lb/>
rein von ſich abgethan und ein über’s andre Mal<lb/>
traten ihm die Augen über.</p><lb/><p>An dem Pfarrer wurde nach nnd nach eine pri-<lb/>
ckelnde Unmüßigkeit ſichtbar; er entfernte ſich öfters,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[439/0125]
auf Leben und Tod iſt die Rencontre nun doch nicht,
es wäre denn, ſie brächen ſich einander vor Liebe die
Hälſe. Nun! hab’ ich es nicht ſchön gemacht? Sorge
voraus, Freud’ gleich hinterdrein, wird erſt ein wah-
rer Jubel ſeyn. — Alſo (brummte er für ſich in den
Bart) das wäre Numero 1.“ Seine Schalkheit ward
jezt wacker geſcholten. Doppelt und dreifach mußte
Nolten erſtaunen, denn S. war, ſeitdem ſie ſich nicht
mehr geſehen, zum Obriſten avancirt, deßwegen Jener
auch aus der Uniform nicht klug werden konnte.
Triumphirend erzählte der Pfarrer, wie er, nachdem
die Nachricht von Theobalds Ankunft in Neuburg
bei ihm eingelaufen, ſogleich den herrlichen Einfall
gehabt, den Schwager, den er in Geſchäften für ſein
Regiment nur auf fünf Stunden in der Nähe gewußt,
durch eine Staffette herbeizukriegen.
Auf’s fröhlichſte ſpeiste man gleich zu Mittag.
Es war eine anſehnliche Tafel. Sohn und Töchter
des Neuburger Paſtors ſaßen halb bänglich, halb ent-
zückt in einem für ſie ſo neuen Freudenkreiſe treffli-
cher Menſchen. Unſer Maler, zwiſchen Agnes und
den Schwager geſezt, wollte die Hände der Beiden
gar nicht aus der ſeinigen laſſen, er fühlte ſeit lan-
ger Zeit einmal wieder alles Drückende und Schwere
rein von ſich abgethan und ein über’s andre Mal
traten ihm die Augen über.
An dem Pfarrer wurde nach nnd nach eine pri-
ckelnde Unmüßigkeit ſichtbar; er entfernte ſich öfters,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/125>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.