gab vor der Thür geheime Befehle und sah mit Ver- gnügen die lezte Schüssel auftragen. Eh man zum Nachtisch kam, stand er auf und sagte: "Es beginne nun die Symphonie zum zweiten Aktus, mit etwelchem Gläsergeklingel, wenn's beliebt. Sofort erhebe sich eine werthe Gesellschaft, greife nach Hüten und Son- nenschirmen und verfüge sich allgemach aus meinem Hause, woselbst für jezt nichts mehr abgereicht wird. Zuvor aber richten Sie gefälligst noch die Blicke hier nach dem Fenster und bemerken dort drüben den son- nigen Gipfel." Man erblickte auf einem vor dem Walde gelegenen Hügel, den wir schon als das Gei- genspiel bezeichnet haben, ein großes linnenes Schirm- dach mit bunter Flagge aufgerichtet, das einen run- den weiß gedeckten Tisch zu beschatten schien. Die dichten Laubgewinde, die an fünf Seiten des Schirms herunterliefen, gaben dem Ganzen das Ansehn eines leichten Pavillons. Amandus hatte diese bewegliche Einrichtung schon seit einiger Zeit für die jährlichen Kinderfeste, so wie zur Bequemlichkeit der Fremden machen lassen, weil die daneben stehende Linde dem Platze mehr Zierde als Kühlung verlieh. -- Die Ge- sellschaft kam außer sich vor Freude; man machte sich auch unverzüglich auf den Weg, denn Jedes sehnte sich, sein glückliches Gefühl in freiester Weite noch leichter auszulassen. Die Jüngern waren schon vor- aus gesprungen.
Unterwegs wurden Nolten und die Braut nicht
gab vor der Thür geheime Befehle und ſah mit Ver- gnügen die lezte Schüſſel auftragen. Eh man zum Nachtiſch kam, ſtand er auf und ſagte: „Es beginne nun die Symphonie zum zweiten Aktus, mit etwelchem Gläſergeklingel, wenn’s beliebt. Sofort erhebe ſich eine werthe Geſellſchaft, greife nach Hüten und Son- nenſchirmen und verfüge ſich allgemach aus meinem Hauſe, woſelbſt für jezt nichts mehr abgereicht wird. Zuvor aber richten Sie gefälligſt noch die Blicke hier nach dem Fenſter und bemerken dort drüben den ſon- nigen Gipfel.“ Man erblickte auf einem vor dem Walde gelegenen Hügel, den wir ſchon als das Gei- genſpiel bezeichnet haben, ein großes linnenes Schirm- dach mit bunter Flagge aufgerichtet, das einen run- den weiß gedeckten Tiſch zu beſchatten ſchien. Die dichten Laubgewinde, die an fünf Seiten des Schirms herunterliefen, gaben dem Ganzen das Anſehn eines leichten Pavillons. Amandus hatte dieſe bewegliche Einrichtung ſchon ſeit einiger Zeit für die jährlichen Kinderfeſte, ſo wie zur Bequemlichkeit der Fremden machen laſſen, weil die daneben ſtehende Linde dem Platze mehr Zierde als Kühlung verlieh. — Die Ge- ſellſchaft kam außer ſich vor Freude; man machte ſich auch unverzüglich auf den Weg, denn Jedes ſehnte ſich, ſein glückliches Gefühl in freieſter Weite noch leichter auszulaſſen. Die Jüngern waren ſchon vor- aus geſprungen.
Unterwegs wurden Nolten und die Braut nicht
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gab vor der Thür geheime Befehle und ſah mit Ver-
gnügen die lezte Schüſſel auftragen. Eh man zum
Nachtiſch kam, ſtand er auf und ſagte: „Es beginne
nun die Symphonie zum zweiten Aktus, mit etwelchem
Gläſergeklingel, wenn’s beliebt. Sofort erhebe ſich
eine werthe Geſellſchaft, greife nach Hüten und Son-
nenſchirmen und verfüge ſich allgemach aus meinem
Hauſe, woſelbſt für jezt nichts mehr abgereicht wird.
Zuvor aber richten Sie gefälligſt noch die Blicke hier
nach dem Fenſter und bemerken dort drüben den ſon-
nigen Gipfel.“ Man erblickte auf einem vor dem
Walde gelegenen Hügel, den wir ſchon als das Gei-
genſpiel bezeichnet haben, ein großes linnenes Schirm-
dach mit bunter Flagge aufgerichtet, das einen run-
den weiß gedeckten Tiſch zu beſchatten ſchien. Die
dichten Laubgewinde, die an fünf Seiten des Schirms
herunterliefen, gaben dem Ganzen das Anſehn eines
leichten Pavillons. Amandus hatte dieſe bewegliche
Einrichtung ſchon ſeit einiger Zeit für die jährlichen
Kinderfeſte, ſo wie zur Bequemlichkeit der Fremden
machen laſſen, weil die daneben ſtehende Linde dem
Platze mehr Zierde als Kühlung verlieh. — Die Ge-
ſellſchaft kam außer ſich vor Freude; man machte ſich
auch unverzüglich auf den Weg, denn Jedes ſehnte
ſich, ſein glückliches Gefühl in freieſter Weite noch
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/126>, abgerufen am 21.11.2024.
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