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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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entlassung war es eine seiner ersten Sorgen gewesen,
ob jene seltsame Elisabeth, welche vor wenig Tagen
von Leopold war auf der Straße gesehen worden,
nicht etwa noch in der Nähe sich befinde: mehrere
Gründe sezten es jedoch außer Zweifel, daß sie die
Stadt bereits wieder verlassen. Jezt wünschte er sich
über den Zustand der Gemüther im Zarlin'schen
Hause, so wie über den wahren Grund der eilfertigen
Erledigung jener anfänglich so ernsthaft behandelten
Rechtssache genauer zu unterrichten. Er war um so
begieriger, als einige heimliche Stimmen sich verlau-
ten ließen, Herzog Adolph habe sich mit seinem
fürstlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und
so den Knoten mit Einemmal zerschnitten. Dieß
fand der Schauspieler so unwahrscheinlich nicht, ob-
gleich der Herzog, wie es schien, seine Großmuth öffent-
lich nicht Wort haben wollte und sich übrigens jeder
Berührung mit seinen Schützlingen entzog. Höchst
peinlich empfand daher Larkens seine Ungewißheit
über diesen Punkt, so wie die Unmöglichkeit, dem
Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieser sich
wirklich in der Person des Herzogs versteckt haben
sollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt,
und bald gesellte sich hiezu noch eine weitere, obgleich
noch sehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls
vor Nolten auf das Sorgfältigste zu verbergen gu-
ten Grund haben mochte. Der Gedanke stieg nämlich
bei ihm auf, ob nicht Gräfin Constanze selbst als

entlaſſung war es eine ſeiner erſten Sorgen geweſen,
ob jene ſeltſame Eliſabeth, welche vor wenig Tagen
von Leopold war auf der Straße geſehen worden,
nicht etwa noch in der Nähe ſich befinde: mehrere
Gründe ſezten es jedoch außer Zweifel, daß ſie die
Stadt bereits wieder verlaſſen. Jezt wünſchte er ſich
über den Zuſtand der Gemüther im Zarlin’ſchen
Hauſe, ſo wie über den wahren Grund der eilfertigen
Erledigung jener anfänglich ſo ernſthaft behandelten
Rechtsſache genauer zu unterrichten. Er war um ſo
begieriger, als einige heimliche Stimmen ſich verlau-
ten ließen, Herzog Adolph habe ſich mit ſeinem
fürſtlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und
ſo den Knoten mit Einemmal zerſchnitten. Dieß
fand der Schauſpieler ſo unwahrſcheinlich nicht, ob-
gleich der Herzog, wie es ſchien, ſeine Großmuth öffent-
lich nicht Wort haben wollte und ſich übrigens jeder
Berührung mit ſeinen Schützlingen entzog. Höchſt
peinlich empfand daher Larkens ſeine Ungewißheit
über dieſen Punkt, ſo wie die Unmöglichkeit, dem
Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieſer ſich
wirklich in der Perſon des Herzogs verſteckt haben
ſollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt,
und bald geſellte ſich hiezu noch eine weitere, obgleich
noch ſehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls
vor Nolten auf das Sorgfältigſte zu verbergen gu-
ten Grund haben mochte. Der Gedanke ſtieg nämlich
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[329/0015] entlaſſung war es eine ſeiner erſten Sorgen geweſen, ob jene ſeltſame Eliſabeth, welche vor wenig Tagen von Leopold war auf der Straße geſehen worden, nicht etwa noch in der Nähe ſich befinde: mehrere Gründe ſezten es jedoch außer Zweifel, daß ſie die Stadt bereits wieder verlaſſen. Jezt wünſchte er ſich über den Zuſtand der Gemüther im Zarlin’ſchen Hauſe, ſo wie über den wahren Grund der eilfertigen Erledigung jener anfänglich ſo ernſthaft behandelten Rechtsſache genauer zu unterrichten. Er war um ſo begieriger, als einige heimliche Stimmen ſich verlau- ten ließen, Herzog Adolph habe ſich mit ſeinem fürſtlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und ſo den Knoten mit Einemmal zerſchnitten. Dieß fand der Schauſpieler ſo unwahrſcheinlich nicht, ob- gleich der Herzog, wie es ſchien, ſeine Großmuth öffent- lich nicht Wort haben wollte und ſich übrigens jeder Berührung mit ſeinen Schützlingen entzog. Höchſt peinlich empfand daher Larkens ſeine Ungewißheit über dieſen Punkt, ſo wie die Unmöglichkeit, dem Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieſer ſich wirklich in der Perſon des Herzogs verſteckt haben ſollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt, und bald geſellte ſich hiezu noch eine weitere, obgleich noch ſehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls vor Nolten auf das Sorgfältigſte zu verbergen gu- ten Grund haben mochte. Der Gedanke ſtieg nämlich bei ihm auf, ob nicht Gräfin Conſtanze ſelbſt als

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/15>, abgerufen am 21.11.2024.