entlassung war es eine seiner ersten Sorgen gewesen, ob jene seltsame Elisabeth, welche vor wenig Tagen von Leopold war auf der Straße gesehen worden, nicht etwa noch in der Nähe sich befinde: mehrere Gründe sezten es jedoch außer Zweifel, daß sie die Stadt bereits wieder verlassen. Jezt wünschte er sich über den Zustand der Gemüther im Zarlin'schen Hause, so wie über den wahren Grund der eilfertigen Erledigung jener anfänglich so ernsthaft behandelten Rechtssache genauer zu unterrichten. Er war um so begieriger, als einige heimliche Stimmen sich verlau- ten ließen, Herzog Adolph habe sich mit seinem fürstlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und so den Knoten mit Einemmal zerschnitten. Dieß fand der Schauspieler so unwahrscheinlich nicht, ob- gleich der Herzog, wie es schien, seine Großmuth öffent- lich nicht Wort haben wollte und sich übrigens jeder Berührung mit seinen Schützlingen entzog. Höchst peinlich empfand daher Larkens seine Ungewißheit über diesen Punkt, so wie die Unmöglichkeit, dem Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieser sich wirklich in der Person des Herzogs versteckt haben sollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt, und bald gesellte sich hiezu noch eine weitere, obgleich noch sehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls vor Nolten auf das Sorgfältigste zu verbergen gu- ten Grund haben mochte. Der Gedanke stieg nämlich bei ihm auf, ob nicht Gräfin Constanze selbst als
entlaſſung war es eine ſeiner erſten Sorgen geweſen, ob jene ſeltſame Eliſabeth, welche vor wenig Tagen von Leopold war auf der Straße geſehen worden, nicht etwa noch in der Nähe ſich befinde: mehrere Gründe ſezten es jedoch außer Zweifel, daß ſie die Stadt bereits wieder verlaſſen. Jezt wünſchte er ſich über den Zuſtand der Gemüther im Zarlin’ſchen Hauſe, ſo wie über den wahren Grund der eilfertigen Erledigung jener anfänglich ſo ernſthaft behandelten Rechtsſache genauer zu unterrichten. Er war um ſo begieriger, als einige heimliche Stimmen ſich verlau- ten ließen, Herzog Adolph habe ſich mit ſeinem fürſtlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und ſo den Knoten mit Einemmal zerſchnitten. Dieß fand der Schauſpieler ſo unwahrſcheinlich nicht, ob- gleich der Herzog, wie es ſchien, ſeine Großmuth öffent- lich nicht Wort haben wollte und ſich übrigens jeder Berührung mit ſeinen Schützlingen entzog. Höchſt peinlich empfand daher Larkens ſeine Ungewißheit über dieſen Punkt, ſo wie die Unmöglichkeit, dem Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieſer ſich wirklich in der Perſon des Herzogs verſteckt haben ſollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt, und bald geſellte ſich hiezu noch eine weitere, obgleich noch ſehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls vor Nolten auf das Sorgfältigſte zu verbergen gu- ten Grund haben mochte. Der Gedanke ſtieg nämlich bei ihm auf, ob nicht Gräfin Conſtanze ſelbſt als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0015"n="329"/>
entlaſſung war es eine ſeiner erſten Sorgen geweſen,<lb/>
ob jene ſeltſame <hirendition="#g">Eliſabeth</hi>, welche vor wenig Tagen<lb/>
von <hirendition="#g">Leopold</hi> war auf der Straße geſehen worden,<lb/>
nicht etwa noch in der Nähe ſich befinde: mehrere<lb/>
Gründe ſezten es jedoch außer Zweifel, daß ſie die<lb/>
Stadt bereits wieder verlaſſen. Jezt wünſchte er ſich<lb/>
über den Zuſtand der Gemüther im <hirendition="#g">Zarlin</hi>’ſchen<lb/>
Hauſe, ſo wie über den wahren Grund der eilfertigen<lb/>
Erledigung jener anfänglich ſo ernſthaft behandelten<lb/>
Rechtsſache genauer zu unterrichten. Er war um ſo<lb/>
begieriger, als einige heimliche Stimmen ſich verlau-<lb/>
ten ließen, Herzog <hirendition="#g">Adolph</hi> habe ſich mit ſeinem<lb/>
fürſtlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und<lb/>ſo den Knoten mit Einemmal zerſchnitten. Dieß<lb/>
fand der Schauſpieler ſo unwahrſcheinlich nicht, ob-<lb/>
gleich der Herzog, wie es ſchien, ſeine Großmuth öffent-<lb/>
lich nicht Wort haben wollte und ſich übrigens jeder<lb/>
Berührung mit ſeinen Schützlingen entzog. Höchſt<lb/>
peinlich empfand daher <hirendition="#g">Larkens</hi>ſeine Ungewißheit<lb/>
über dieſen Punkt, ſo wie die Unmöglichkeit, dem<lb/>
Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieſer ſich<lb/>
wirklich in der Perſon des Herzogs verſteckt haben<lb/>ſollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt,<lb/>
und bald geſellte ſich hiezu noch eine weitere, obgleich<lb/>
noch ſehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls<lb/>
vor <hirendition="#g">Nolten</hi> auf das Sorgfältigſte zu verbergen gu-<lb/>
ten Grund haben mochte. Der Gedanke ſtieg nämlich<lb/>
bei ihm auf, ob nicht Gräfin <hirendition="#g">Conſtanze</hi>ſelbſt als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[329/0015]
entlaſſung war es eine ſeiner erſten Sorgen geweſen,
ob jene ſeltſame Eliſabeth, welche vor wenig Tagen
von Leopold war auf der Straße geſehen worden,
nicht etwa noch in der Nähe ſich befinde: mehrere
Gründe ſezten es jedoch außer Zweifel, daß ſie die
Stadt bereits wieder verlaſſen. Jezt wünſchte er ſich
über den Zuſtand der Gemüther im Zarlin’ſchen
Hauſe, ſo wie über den wahren Grund der eilfertigen
Erledigung jener anfänglich ſo ernſthaft behandelten
Rechtsſache genauer zu unterrichten. Er war um ſo
begieriger, als einige heimliche Stimmen ſich verlau-
ten ließen, Herzog Adolph habe ſich mit ſeinem
fürſtlichen Worte für die Gefangenen verbürgt und
ſo den Knoten mit Einemmal zerſchnitten. Dieß
fand der Schauſpieler ſo unwahrſcheinlich nicht, ob-
gleich der Herzog, wie es ſchien, ſeine Großmuth öffent-
lich nicht Wort haben wollte und ſich übrigens jeder
Berührung mit ſeinen Schützlingen entzog. Höchſt
peinlich empfand daher Larkens ſeine Ungewißheit
über dieſen Punkt, ſo wie die Unmöglichkeit, dem
Wohlthäter ausdrücklich zu danken, wenn dieſer ſich
wirklich in der Perſon des Herzogs verſteckt haben
ſollte. Lezteres ward er je länger je mehr überzeugt,
und bald geſellte ſich hiezu noch eine weitere, obgleich
noch ſehr entfernte Muthmaßung, welche er jedenfalls
vor Nolten auf das Sorgfältigſte zu verbergen gu-
ten Grund haben mochte. Der Gedanke ſtieg nämlich
bei ihm auf, ob nicht Gräfin Conſtanze ſelbſt als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/15>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.