Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Nolten sah die Präsidentin auf kurze Zeit, neben
dem Gemahl, doch war es eben darum bei aller mög-
lichen Artigkeit von ihrer Seite eine ziemlich frostige
Bekanntschaft. Nannette, welche auch dabei zuge-
gen, konnte sich nicht genug verwundern über die hohle
Zärtlichkeit des vornehmen Ehepaars und sie machte
gleich hernach Agnesen die ganze Scene vor, wie
sich Beide geküßt, wie zierlich die Frau ihr Sprüch-
lein gelispelt habe.

Als Theobald wegen des dem armen Freunde ge-
widmeten Ehrenschmucks ein dankbares Wort an das
Fräulein richtete -- denn er vermuthete sonst Niemanden
darunter -- vernahm er, daß zwar der Schleier von
ihr, das Uebrige jedoch von einer edlen Dame gekom-
men, welche den Schauspieler vor mehreren Jahren in
einigen seiner vorzüglichsten Rollen gesehen habe.
Margot nannte ihren Namen mit Achtung und er-
zählte, daß sie dieselbe Frau noch vor ganz kurzer
Zeit gelegentlich in einer Gesellschaft sehr munter von
jenen Vorstellungen habe erzählen hören.

Montag Mittag endlich verließen die Freunde
erleichterten Muthes die Stadt. Die Neuburger Chaise
mit einem Theil des Gepäcks sollte hier zurückblei-
ben. Unsre Gesellschaft theilte sich in zwei Gefährte
des Präsidenten, so daß die Herren in dem einen, die
drei Frauenzimmer in dem andern für sich allein waren.

Nach einer Stunde schon sah man das Schloß
vor sich auf der flachen Anhöhe liegen, am Fuße der-

Nolten ſah die Präſidentin auf kurze Zeit, neben
dem Gemahl, doch war es eben darum bei aller mög-
lichen Artigkeit von ihrer Seite eine ziemlich froſtige
Bekanntſchaft. Nannette, welche auch dabei zuge-
gen, konnte ſich nicht genug verwundern über die hohle
Zärtlichkeit des vornehmen Ehepaars und ſie machte
gleich hernach Agneſen die ganze Scene vor, wie
ſich Beide geküßt, wie zierlich die Frau ihr Sprüch-
lein gelispelt habe.

Als Theobald wegen des dem armen Freunde ge-
widmeten Ehrenſchmucks ein dankbares Wort an das
Fräulein richtete — denn er vermuthete ſonſt Niemanden
darunter — vernahm er, daß zwar der Schleier von
ihr, das Uebrige jedoch von einer edlen Dame gekom-
men, welche den Schauſpieler vor mehreren Jahren in
einigen ſeiner vorzüglichſten Rollen geſehen habe.
Margot nannte ihren Namen mit Achtung und er-
zählte, daß ſie dieſelbe Frau noch vor ganz kurzer
Zeit gelegentlich in einer Geſellſchaft ſehr munter von
jenen Vorſtellungen habe erzählen hören.

Montag Mittag endlich verließen die Freunde
erleichterten Muthes die Stadt. Die Neuburger Chaiſe
mit einem Theil des Gepäcks ſollte hier zurückblei-
ben. Unſre Geſellſchaft theilte ſich in zwei Gefährte
des Präſidenten, ſo daß die Herren in dem einen, die
drei Frauenzimmer in dem andern für ſich allein waren.

Nach einer Stunde ſchon ſah man das Schloß
vor ſich auf der flachen Anhöhe liegen, am Fuße der-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="532"/><hi rendition="#g">Nolten</hi> &#x017F;ah die Prä&#x017F;identin auf kurze Zeit, neben<lb/>
dem Gemahl, doch war es eben darum bei aller mög-<lb/>
lichen Artigkeit von ihrer Seite eine ziemlich fro&#x017F;tige<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft. <hi rendition="#g">Nannette</hi>, welche auch dabei zuge-<lb/>
gen, konnte &#x017F;ich nicht genug verwundern über die hohle<lb/>
Zärtlichkeit des vornehmen Ehepaars und &#x017F;ie machte<lb/>
gleich hernach <hi rendition="#g">Agne&#x017F;en</hi> die ganze Scene vor, wie<lb/>
&#x017F;ich Beide geküßt, wie zierlich die Frau ihr Sprüch-<lb/>
lein gelispelt habe.</p><lb/>
          <p>Als <hi rendition="#g">Theobald</hi> wegen des dem armen Freunde ge-<lb/>
widmeten Ehren&#x017F;chmucks ein dankbares Wort an das<lb/>
Fräulein richtete &#x2014; denn er vermuthete &#x017F;on&#x017F;t Niemanden<lb/>
darunter &#x2014; vernahm er, daß zwar der Schleier von<lb/>
ihr, das Uebrige jedoch von einer edlen Dame gekom-<lb/>
men, welche den Schau&#x017F;pieler vor mehreren Jahren in<lb/>
einigen &#x017F;einer vorzüglich&#x017F;ten Rollen ge&#x017F;ehen habe.<lb/><hi rendition="#g">Margot</hi> nannte ihren Namen mit Achtung und er-<lb/>
zählte, daß &#x017F;ie die&#x017F;elbe Frau noch vor ganz kurzer<lb/>
Zeit gelegentlich in einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;ehr munter von<lb/>
jenen Vor&#x017F;tellungen habe erzählen hören.</p><lb/>
          <p>Montag Mittag endlich verließen die Freunde<lb/>
erleichterten Muthes die Stadt. Die Neuburger Chai&#x017F;e<lb/>
mit einem Theil des Gepäcks &#x017F;ollte hier zurückblei-<lb/>
ben. Un&#x017F;re Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft theilte &#x017F;ich in zwei Gefährte<lb/>
des Prä&#x017F;identen, &#x017F;o daß die Herren in dem einen, die<lb/>
drei Frauenzimmer in dem andern für &#x017F;ich allein waren.</p><lb/>
          <p>Nach einer Stunde &#x017F;chon &#x017F;ah man das Schloß<lb/>
vor &#x017F;ich auf der flachen Anhöhe liegen, am Fuße der-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[532/0218] Nolten ſah die Präſidentin auf kurze Zeit, neben dem Gemahl, doch war es eben darum bei aller mög- lichen Artigkeit von ihrer Seite eine ziemlich froſtige Bekanntſchaft. Nannette, welche auch dabei zuge- gen, konnte ſich nicht genug verwundern über die hohle Zärtlichkeit des vornehmen Ehepaars und ſie machte gleich hernach Agneſen die ganze Scene vor, wie ſich Beide geküßt, wie zierlich die Frau ihr Sprüch- lein gelispelt habe. Als Theobald wegen des dem armen Freunde ge- widmeten Ehrenſchmucks ein dankbares Wort an das Fräulein richtete — denn er vermuthete ſonſt Niemanden darunter — vernahm er, daß zwar der Schleier von ihr, das Uebrige jedoch von einer edlen Dame gekom- men, welche den Schauſpieler vor mehreren Jahren in einigen ſeiner vorzüglichſten Rollen geſehen habe. Margot nannte ihren Namen mit Achtung und er- zählte, daß ſie dieſelbe Frau noch vor ganz kurzer Zeit gelegentlich in einer Geſellſchaft ſehr munter von jenen Vorſtellungen habe erzählen hören. Montag Mittag endlich verließen die Freunde erleichterten Muthes die Stadt. Die Neuburger Chaiſe mit einem Theil des Gepäcks ſollte hier zurückblei- ben. Unſre Geſellſchaft theilte ſich in zwei Gefährte des Präſidenten, ſo daß die Herren in dem einen, die drei Frauenzimmer in dem andern für ſich allein waren. Nach einer Stunde ſchon ſah man das Schloß vor ſich auf der flachen Anhöhe liegen, am Fuße der-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/218
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/218>, abgerufen am 21.11.2024.