es recht zu sagen, bei viel Einnehmendem, manches unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer- ordentlich schön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf an sich von dem edelsten Umriß, und das ovale Ge- sicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die Stumpfnase, nicht zärter geformt seyn können; dazu kam eine braune, wenn gleich sehr frische Haut, und ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur unter den Männern, immer einige, denen eine so ei- gene Zusammensetzung gefiel; sie behaupteten, es wer- den die widersprechenden Theile dieses Gesichts durch den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli- ches Ganze auf die reizendste Art verschmolzen. Man hatte deßhalb den Bewunderern Margots den Spott- namen der afrikanischen Fremd- und Feinschmecker aufgetrieben, und wenn hieran gewisse allgemein ver- ehrte Schönheiten der Stadt sich nicht wenig erbauten, so war es doch verdrießlich, daß eben die geistreichsten Jünglinge sich am liebsten um diese Afrikanerin ver- sammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren indeß, der Eifersucht zum Troste, unerschöpflich. So hatte ein Lieutenant, der sonst eben nicht im Geruche des witzigsten Kopfes stand, den köstlichen Einfall aus- geheckt: man bemerke an des Präsidenten Tochter, bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um die Lippen, welches wohl daher komme, daß sie als Kind sich schon von den alten Knasterbärten, den Ci-
es recht zu ſagen, bei viel Einnehmendem, manches unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer- ordentlich ſchön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf an ſich von dem edelſten Umriß, und das ovale Ge- ſicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die Stumpfnaſe, nicht zärter geformt ſeyn können; dazu kam eine braune, wenn gleich ſehr friſche Haut, und ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur unter den Männern, immer einige, denen eine ſo ei- gene Zuſammenſetzung gefiel; ſie behaupteten, es wer- den die widerſprechenden Theile dieſes Geſichts durch den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli- ches Ganze auf die reizendſte Art verſchmolzen. Man hatte deßhalb den Bewunderern Margots den Spott- namen der afrikaniſchen Fremd- und Feinſchmecker aufgetrieben, und wenn hieran gewiſſe allgemein ver- ehrte Schönheiten der Stadt ſich nicht wenig erbauten, ſo war es doch verdrießlich, daß eben die geiſtreichſten Jünglinge ſich am liebſten um dieſe Afrikanerin ver- ſammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren indeß, der Eiferſucht zum Troſte, unerſchöpflich. So hatte ein Lieutenant, der ſonſt eben nicht im Geruche des witzigſten Kopfes ſtand, den köſtlichen Einfall aus- geheckt: man bemerke an des Präſidenten Tochter, bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um die Lippen, welches wohl daher komme, daß ſie als Kind ſich ſchon von den alten Knaſterbärten, den Ci-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0221"n="535"/>
es recht zu ſagen, bei viel Einnehmendem, manches<lb/>
unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer-<lb/>
ordentlich ſchön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf<lb/>
an ſich von dem edelſten Umriß, und das ovale Ge-<lb/>ſicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die<lb/>
Stumpfnaſe, nicht zärter geformt ſeyn können; dazu<lb/>
kam eine braune, wenn gleich ſehr friſche Haut, und<lb/>
ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur<lb/>
unter den Männern, immer einige, denen eine ſo ei-<lb/>
gene Zuſammenſetzung gefiel; ſie behaupteten, es wer-<lb/>
den die widerſprechenden Theile dieſes Geſichts durch<lb/>
den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli-<lb/>
ches Ganze auf die reizendſte Art verſchmolzen. Man<lb/>
hatte deßhalb den Bewunderern <hirendition="#g">Margots</hi> den Spott-<lb/>
namen der afrikaniſchen Fremd- und Feinſchmecker<lb/>
aufgetrieben, und wenn hieran gewiſſe allgemein ver-<lb/>
ehrte Schönheiten der Stadt ſich nicht wenig erbauten,<lb/>ſo war es doch verdrießlich, daß eben die geiſtreichſten<lb/>
Jünglinge ſich am liebſten um dieſe Afrikanerin ver-<lb/>ſammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren<lb/>
indeß, der Eiferſucht zum Troſte, unerſchöpflich. So<lb/>
hatte ein Lieutenant, der ſonſt eben nicht im Geruche<lb/>
des witzigſten Kopfes ſtand, den köſtlichen Einfall aus-<lb/>
geheckt: man bemerke an des Präſidenten Tochter,<lb/>
bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um<lb/>
die Lippen, welches wohl daher komme, daß ſie als<lb/>
Kind ſich ſchon von den alten Knaſterbärten, den Ci-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[535/0221]
es recht zu ſagen, bei viel Einnehmendem, manches
unangenehm Auffallende hatte. Die Figur war außer-
ordentlich ſchön, obgleich nur mäßig hoch, der Kopf
an ſich von dem edelſten Umriß, und das ovale Ge-
ſicht hätte, ohne den aufgequollenen Mund und die
Stumpfnaſe, nicht zärter geformt ſeyn können; dazu
kam eine braune, wenn gleich ſehr friſche Haut, und
ein Paar große dunkle Augen. Es gab, freilich nur
unter den Männern, immer einige, denen eine ſo ei-
gene Zuſammenſetzung gefiel; ſie behaupteten, es wer-
den die widerſprechenden Theile dieſes Geſichts durch
den vollen Ausdruck von Seele in ein unzertrennli-
ches Ganze auf die reizendſte Art verſchmolzen. Man
hatte deßhalb den Bewunderern Margots den Spott-
namen der afrikaniſchen Fremd- und Feinſchmecker
aufgetrieben, und wenn hieran gewiſſe allgemein ver-
ehrte Schönheiten der Stadt ſich nicht wenig erbauten,
ſo war es doch verdrießlich, daß eben die geiſtreichſten
Jünglinge ſich am liebſten um dieſe Afrikanerin ver-
ſammelten. Die Späße der ballgerechten Stutzer waren
indeß, der Eiferſucht zum Troſte, unerſchöpflich. So
hatte ein Lieutenant, der ſonſt eben nicht im Geruche
des witzigſten Kopfes ſtand, den köſtlichen Einfall aus-
geheckt: man bemerke an des Präſidenten Tochter,
bei genauerer Betrachtung, ein feines Bärtchen um
die Lippen, welches wohl daher komme, daß ſie als
Kind ſich ſchon von den alten Knaſterbärten, den Ci-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/221>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.