Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.den Vater klammernd und ihn nicht weiter lassend "Was?" ruft der Alte ungeduldig, da ihn der "Dort aber -- dort steht er ja auch und -- "Bist du von Sinnen? du bist blind! was ist "So wahr Gott lebt, ich sehe!" versezt der Knabe den Vater klammernd und ihn nicht weiter laſſend „Was?“ ruft der Alte ungeduldig, da ihn der „Dort aber — dort ſteht er ja auch und — „Biſt du von Sinnen? du biſt blind! was iſt „So wahr Gott lebt, ich ſehe!“ verſezt der Knabe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0317" n="631"/> den Vater klammernd und ihn nicht weiter laſſend<lb/> „Halt, Vater, halt! um Gotteswillen ſeht Ihr nicht<lb/> — dort in der Kammer“ —</p><lb/> <p>„Was?“ ruft der Alte ungeduldig, da ihn der<lb/> Knabe aufhält, „ſo laß mich doch! <hi rendition="#g">Hier, vor</hi> uns<lb/> liegt, was mich erſchreckt — der Maler, leblos am<lb/> Boden!“</p><lb/> <p>„Dort aber — dort ſteht er ja auch und —<lb/> o ſeht Ihr, noch Jemand“ —</p><lb/> <p>„Biſt du von Sinnen? du biſt blind! was iſt<lb/> mit dir?“</p><lb/> <p>„So wahr Gott lebt, ich ſehe!“ verſezt der Knabe<lb/> mit leiſer, von Angſt erſtickter Stimme und deutet<lb/> fortwährend nach der Tiefe der Kammer, auf die<lb/> Orgel, wo für den Gärtner nichts zu ſehen iſt; die-<lb/> ſer will nur immer dem Maler beiſpringen, über wel-<lb/> chen <hi rendition="#g">Henni</hi> weit wegſchaut. „Vater! jezt — jezt —<lb/> ſie ſchleichen auf uns zu — Schrecklich! o flieht“ —<lb/> Hier verſagt ihm die Sprache, er hängt ohnmächtig<lb/> dem Alten im Arm, der jezt ein verzweifeltes Noth-<lb/> geſchrei erhebt. Von allenthalben ruft es und rennt<lb/> es herbei, der Hausherr ſelbſt erſcheint mit den Er-<lb/> ſten und ſchon iſt der Wundarzt zur Hand, der dieſe<lb/> lezten Tage das Schloß nicht verließ; er läuft von<lb/><hi rendition="#g">Nolten</hi> zu <hi rendition="#g">Henni</hi>, von <hi rendition="#g">Henni</hi> zu <hi rendition="#g">Nolten</hi>. Beide<lb/> trägt man hinauf, ein Jedes will helfen, mit rathen,<lb/> mit anſehn, man hindert, tritt und ſtößt einander,<lb/> der Präſident entfernt daher Alles bis auf wenige<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [631/0317]
den Vater klammernd und ihn nicht weiter laſſend
„Halt, Vater, halt! um Gotteswillen ſeht Ihr nicht
— dort in der Kammer“ —
„Was?“ ruft der Alte ungeduldig, da ihn der
Knabe aufhält, „ſo laß mich doch! Hier, vor uns
liegt, was mich erſchreckt — der Maler, leblos am
Boden!“
„Dort aber — dort ſteht er ja auch und —
o ſeht Ihr, noch Jemand“ —
„Biſt du von Sinnen? du biſt blind! was iſt
mit dir?“
„So wahr Gott lebt, ich ſehe!“ verſezt der Knabe
mit leiſer, von Angſt erſtickter Stimme und deutet
fortwährend nach der Tiefe der Kammer, auf die
Orgel, wo für den Gärtner nichts zu ſehen iſt; die-
ſer will nur immer dem Maler beiſpringen, über wel-
chen Henni weit wegſchaut. „Vater! jezt — jezt —
ſie ſchleichen auf uns zu — Schrecklich! o flieht“ —
Hier verſagt ihm die Sprache, er hängt ohnmächtig
dem Alten im Arm, der jezt ein verzweifeltes Noth-
geſchrei erhebt. Von allenthalben ruft es und rennt
es herbei, der Hausherr ſelbſt erſcheint mit den Er-
ſten und ſchon iſt der Wundarzt zur Hand, der dieſe
lezten Tage das Schloß nicht verließ; er läuft von
Nolten zu Henni, von Henni zu Nolten. Beide
trägt man hinauf, ein Jedes will helfen, mit rathen,
mit anſehn, man hindert, tritt und ſtößt einander,
der Präſident entfernt daher Alles bis auf wenige
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