mag Dir die alte Litanei nicht vorsingen; genug, mir ist in meiner eignen Haut nimmer wohl. Ich will mir weiß machen, daß ich sie abstreife, indem ich von mir thue, was bisher unzertrennlich von meinem We- sen schien, vor Allem den Theater-Rock, und dann noch das Eine und Andere, was ich nicht zu sagen brauche. Mancher grillenhafte Heilige ging in die Wüste und bildete sich ein, dort seine Tagedieberei gottgefälliger zu treiben. Ich habe noch immer etwas Besseres wie das im Sinn. Am End' ist's freilich nur eine neue Fratze, worin ich mich selber hinterge- hen möchte; und fruchtet's nicht, nun so geruht viel- leicht der Himmel, der armen Seele den lezten Dienst zu erweisen, davor mir denn auch gar nicht bang seyn soll.
Den Abschied, Lieber, erlass' mir! O ich darf nicht denken, was ich mit Dir verliere, herrlicher Junge! Aber still; Du weißt, wie ich Dich am Her- zen gehegt habe, und so ist auch mir Deine Liebe wohl bewußt. Das ist kein geringer Trost auf mei- nen Weg. Auch kann es ja gar wohl werden, daß wir uns an irgend einem Fleck der Erde die Hände wieder reichen. Aber wir thun auf alle Fälle gut, diese Möglichkeit als keine zu betrachten. Uebrigens forsche nicht nach mir, es würde gewiß vergeblich seyn.
Und nun die Hauptsache.
Mit den Paketen übergeb' ich Dir ein wichtiges, ich darf sagen, ein heiliges Vermächtniß. Es betrifft
mag Dir die alte Litanei nicht vorſingen; genug, mir iſt in meiner eignen Haut nimmer wohl. Ich will mir weiß machen, daß ich ſie abſtreife, indem ich von mir thue, was bisher unzertrennlich von meinem We- ſen ſchien, vor Allem den Theater-Rock, und dann noch das Eine und Andere, was ich nicht zu ſagen brauche. Mancher grillenhafte Heilige ging in die Wüſte und bildete ſich ein, dort ſeine Tagedieberei gottgefälliger zu treiben. Ich habe noch immer etwas Beſſeres wie das im Sinn. Am End’ iſt’s freilich nur eine neue Fratze, worin ich mich ſelber hinterge- hen möchte; und fruchtet’s nicht, nun ſo geruht viel- leicht der Himmel, der armen Seele den lezten Dienſt zu erweiſen, davor mir denn auch gar nicht bang ſeyn ſoll.
Den Abſchied, Lieber, erlaſſ’ mir! O ich darf nicht denken, was ich mit Dir verliere, herrlicher Junge! Aber ſtill; Du weißt, wie ich Dich am Her- zen gehegt habe, und ſo iſt auch mir Deine Liebe wohl bewußt. Das iſt kein geringer Troſt auf mei- nen Weg. Auch kann es ja gar wohl werden, daß wir uns an irgend einem Fleck der Erde die Hände wieder reichen. Aber wir thun auf alle Fälle gut, dieſe Möglichkeit als keine zu betrachten. Uebrigens forſche nicht nach mir, es würde gewiß vergeblich ſeyn.
Und nun die Hauptſache.
Mit den Paketen übergeb’ ich Dir ein wichtiges, ich darf ſagen, ein heiliges Vermächtniß. Es betrifft
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mag Dir die alte Litanei nicht vorſingen; genug, mir
iſt in meiner eignen Haut nimmer wohl. Ich will
mir weiß machen, daß ich ſie abſtreife, indem ich von
mir thue, was bisher unzertrennlich von meinem We-
ſen ſchien, vor Allem den Theater-Rock, und dann
noch das Eine und Andere, was ich nicht zu ſagen
brauche. Mancher grillenhafte Heilige ging in die
Wüſte und bildete ſich ein, dort ſeine Tagedieberei
gottgefälliger zu treiben. Ich habe noch immer etwas
Beſſeres wie das im Sinn. Am End’ iſt’s freilich
nur eine neue Fratze, worin ich mich ſelber hinterge-
hen möchte; und fruchtet’s nicht, nun ſo geruht viel-
leicht der Himmel, der armen Seele den lezten Dienſt
zu erweiſen, davor mir denn auch gar nicht bang
ſeyn ſoll.
Den Abſchied, Lieber, erlaſſ’ mir! O ich darf
nicht denken, was ich mit Dir verliere, herrlicher
Junge! Aber ſtill; Du weißt, wie ich Dich am Her-
zen gehegt habe, und ſo iſt auch mir Deine Liebe
wohl bewußt. Das iſt kein geringer Troſt auf mei-
nen Weg. Auch kann es ja gar wohl werden, daß
wir uns an irgend einem Fleck der Erde die Hände
wieder reichen. Aber wir thun auf alle Fälle gut,
dieſe Möglichkeit als keine zu betrachten. Uebrigens
forſche nicht nach mir, es würde gewiß vergeblich ſeyn.
Und nun die Hauptſache.
Mit den Paketen übergeb’ ich Dir ein wichtiges,
ich darf ſagen, ein heiliges Vermächtniß. Es betrifft
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/38>, abgerufen am 30.01.2025.
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