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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Deine Sache mit Agnesen, die mich diese lezten
zehn Monate fast einzig beschäftigte. Mein Lieber!
ich bitte dich, höre mich ruhig und vernünftig an.

In der gewissesten Ueberzeugung, daß die Zeit
kommen müsse, wo Dein heißestes Gebet seyn werde,
mit diesem Mädchen verbunden zu seyn, ergriff ich
ein gewagtes Mittel, Dir den Weg zu diesem Heilig-
thume offen zu halten. Vergib den Betrug! nur
meine Hand war falsch, mein Herz gewißlich nicht:
ich glaubte das Deine treulich abzuschreiben; straf'
mich nicht Lügen! Laßt mich den Propheten eurer
Liebe gewesen seyn! Ihr Märtyrer war ich ohnehin;
denn indem ich Deiner Liebe Rosenkränze flocht, meinst
du, es habe sich nicht manchmal ein Dorn in mein
eigen Fleisch gedrückt? Doch das gehört ja nicht hie-
her; genug, wenn meine Episteln ihren Dienst ge-
than. Fahre Du nun mit der Wahrheit fort, wo ich
die Täuschung ließ. O Theobald -- wenn ich je-
mals etwas über Dich vermochte, wenn je der Name
Larkens den Klang der lautern Freundschaft für
Dich hatte, wenn Dir irgend das Urtheil eines Men-
schen richtiger, besser scheinen konnte als Dein eignes,
so folge mir dießmal! Hätt' ich Worte von durch-
dringendem Feuer, hätt' ich die goldne Rede eines
Gottes, jezt würd' ich sie gebrauchen, um Dein In-
nerstes zu rühren, Freund, Liebling meiner Seele! --
So aber kann ich's nicht; mein Kiel ist stumpf, mein
Ausdruck matt, Du weißt ja, es ist alle Schönheit

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Deine Sache mit Agneſen, die mich dieſe lezten
zehn Monate faſt einzig beſchäftigte. Mein Lieber!
ich bitte dich, höre mich ruhig und vernünftig an.

In der gewiſſeſten Ueberzeugung, daß die Zeit
kommen müſſe, wo Dein heißeſtes Gebet ſeyn werde,
mit dieſem Mädchen verbunden zu ſeyn, ergriff ich
ein gewagtes Mittel, Dir den Weg zu dieſem Heilig-
thume offen zu halten. Vergib den Betrug! nur
meine Hand war falſch, mein Herz gewißlich nicht:
ich glaubte das Deine treulich abzuſchreiben; ſtraf’
mich nicht Lügen! Laßt mich den Propheten eurer
Liebe geweſen ſeyn! Ihr Märtyrer war ich ohnehin;
denn indem ich Deiner Liebe Roſenkränze flocht, meinſt
du, es habe ſich nicht manchmal ein Dorn in mein
eigen Fleiſch gedrückt? Doch das gehört ja nicht hie-
her; genug, wenn meine Epiſteln ihren Dienſt ge-
than. Fahre Du nun mit der Wahrheit fort, wo ich
die Täuſchung ließ. O Theobald — wenn ich je-
mals etwas über Dich vermochte, wenn je der Name
Larkens den Klang der lautern Freundſchaft für
Dich hatte, wenn Dir irgend das Urtheil eines Men-
ſchen richtiger, beſſer ſcheinen konnte als Dein eignes,
ſo folge mir dießmal! Hätt’ ich Worte von durch-
dringendem Feuer, hätt’ ich die goldne Rede eines
Gottes, jezt würd’ ich ſie gebrauchen, um Dein In-
nerſtes zu rühren, Freund, Liebling meiner Seele! —
So aber kann ich’s nicht; mein Kiel iſt ſtumpf, mein
Ausdruck matt, Du weißt ja, es iſt alle Schönheit

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[353/0039] Deine Sache mit Agneſen, die mich dieſe lezten zehn Monate faſt einzig beſchäftigte. Mein Lieber! ich bitte dich, höre mich ruhig und vernünftig an. In der gewiſſeſten Ueberzeugung, daß die Zeit kommen müſſe, wo Dein heißeſtes Gebet ſeyn werde, mit dieſem Mädchen verbunden zu ſeyn, ergriff ich ein gewagtes Mittel, Dir den Weg zu dieſem Heilig- thume offen zu halten. Vergib den Betrug! nur meine Hand war falſch, mein Herz gewißlich nicht: ich glaubte das Deine treulich abzuſchreiben; ſtraf’ mich nicht Lügen! Laßt mich den Propheten eurer Liebe geweſen ſeyn! Ihr Märtyrer war ich ohnehin; denn indem ich Deiner Liebe Roſenkränze flocht, meinſt du, es habe ſich nicht manchmal ein Dorn in mein eigen Fleiſch gedrückt? Doch das gehört ja nicht hie- her; genug, wenn meine Epiſteln ihren Dienſt ge- than. Fahre Du nun mit der Wahrheit fort, wo ich die Täuſchung ließ. O Theobald — wenn ich je- mals etwas über Dich vermochte, wenn je der Name Larkens den Klang der lautern Freundſchaft für Dich hatte, wenn Dir irgend das Urtheil eines Men- ſchen richtiger, beſſer ſcheinen konnte als Dein eignes, ſo folge mir dießmal! Hätt’ ich Worte von durch- dringendem Feuer, hätt’ ich die goldne Rede eines Gottes, jezt würd’ ich ſie gebrauchen, um Dein In- nerſtes zu rühren, Freund, Liebling meiner Seele! — So aber kann ich’s nicht; mein Kiel iſt ſtumpf, mein Ausdruck matt, Du weißt ja, es iſt alle Schönheit 23

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/39>, abgerufen am 21.11.2024.