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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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lenkte sie das Gespräch auf die Gräfin und es traten
ihr Thränen in die Augen. "Leider muß ich Ihnen
sagen, lieber Nolten," fuhr sie fort, es ist bei Zar-
lins
seit einiger Zeit gar viel anders geworden; auch
unsre Kränzchen haben aufgehört. Constanze ist nicht
mehr die sie war, ein seltsamer Gram wirft sie nieder.
Lange wußte Niemand die Ursache, selbst ich nicht,
und mit Unrecht schrieb man Alles körperlichem Leiden
zu, denn freilich leidet ihre Gesundheit mehr als je.
Aber Gott weiß, wie Alles zusammenhängt. Vor-
gestern Nachts, als ich allein vor ihrem Bette saß,
sprach sie halb in der Hitze des Fiebers, halb mit
Bewußtseyn dasjenige aus, wovon ich glauben muß,
daß es wo nicht der einzige, doch immer ein Grund
ihres angstvollen Zustandes sey."

Nolten, dem diese Worte eine rasche und vor-
eilige Ahnung erweckten, that sehr wohl, noch an sich
zu halten, denn sogleich kam es ganz anders, als er
erwartet haben mochte.

"Ich bin überzeugt," fuhr die Gouvernantin fort,
"es handelt sich bloß um einen wunderlichen Zufall,
um eine Kleinigkeit, worüber mancher lächeln würde;
gleichwohl ist jezt sehr viel daran gelegen, und Sie
werden mich völlig darüber aufklären können. -- Sie
haben ein Gemälde, worauf eine Frau abgebildet
seyn soll, welche die Orgel spielt?"

"Ganz recht."

lenkte ſie das Geſpräch auf die Gräfin und es traten
ihr Thränen in die Augen. „Leider muß ich Ihnen
ſagen, lieber Nolten,“ fuhr ſie fort, es iſt bei Zar-
lins
ſeit einiger Zeit gar viel anders geworden; auch
unſre Kränzchen haben aufgehört. Conſtanze iſt nicht
mehr die ſie war, ein ſeltſamer Gram wirft ſie nieder.
Lange wußte Niemand die Urſache, ſelbſt ich nicht,
und mit Unrecht ſchrieb man Alles körperlichem Leiden
zu, denn freilich leidet ihre Geſundheit mehr als je.
Aber Gott weiß, wie Alles zuſammenhängt. Vor-
geſtern Nachts, als ich allein vor ihrem Bette ſaß,
ſprach ſie halb in der Hitze des Fiebers, halb mit
Bewußtſeyn dasjenige aus, wovon ich glauben muß,
daß es wo nicht der einzige, doch immer ein Grund
ihres angſtvollen Zuſtandes ſey.“

Nolten, dem dieſe Worte eine raſche und vor-
eilige Ahnung erweckten, that ſehr wohl, noch an ſich
zu halten, denn ſogleich kam es ganz anders, als er
erwartet haben mochte.

„Ich bin überzeugt,“ fuhr die Gouvernantin fort,
„es handelt ſich bloß um einen wunderlichen Zufall,
um eine Kleinigkeit, worüber mancher lächeln würde;
gleichwohl iſt jezt ſehr viel daran gelegen, und Sie
werden mich völlig darüber aufklären können. — Sie
haben ein Gemälde, worauf eine Frau abgebildet
ſeyn ſoll, welche die Orgel ſpielt?“

„Ganz recht.“

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[382/0068] lenkte ſie das Geſpräch auf die Gräfin und es traten ihr Thränen in die Augen. „Leider muß ich Ihnen ſagen, lieber Nolten,“ fuhr ſie fort, es iſt bei Zar- lins ſeit einiger Zeit gar viel anders geworden; auch unſre Kränzchen haben aufgehört. Conſtanze iſt nicht mehr die ſie war, ein ſeltſamer Gram wirft ſie nieder. Lange wußte Niemand die Urſache, ſelbſt ich nicht, und mit Unrecht ſchrieb man Alles körperlichem Leiden zu, denn freilich leidet ihre Geſundheit mehr als je. Aber Gott weiß, wie Alles zuſammenhängt. Vor- geſtern Nachts, als ich allein vor ihrem Bette ſaß, ſprach ſie halb in der Hitze des Fiebers, halb mit Bewußtſeyn dasjenige aus, wovon ich glauben muß, daß es wo nicht der einzige, doch immer ein Grund ihres angſtvollen Zuſtandes ſey.“ Nolten, dem dieſe Worte eine raſche und vor- eilige Ahnung erweckten, that ſehr wohl, noch an ſich zu halten, denn ſogleich kam es ganz anders, als er erwartet haben mochte. „Ich bin überzeugt,“ fuhr die Gouvernantin fort, „es handelt ſich bloß um einen wunderlichen Zufall, um eine Kleinigkeit, worüber mancher lächeln würde; gleichwohl iſt jezt ſehr viel daran gelegen, und Sie werden mich völlig darüber aufklären können. — Sie haben ein Gemälde, worauf eine Frau abgebildet ſeyn ſoll, welche die Orgel ſpielt?“ „Ganz recht.“

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/68>, abgerufen am 21.11.2024.