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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Futterals), der Brief des Schauspielers ruhte auf
seiner Brust. Zärtlich drückte er alle diese Gegen-
stände an seinen Mund, als hätten sie sämmtlich glei-
ches Recht an ihn.

Ein leichter Regen begann zu fallen und Theo-
bald
erhob sich. Wir lassen ihn seine Straße unge-
stört fortziehn und sehen ihn nicht eher wieder, bis er
mit dem vierten Sonnenuntergang im lezten Dorfe ange-
langt ist, wo man ihn versichert, daß er von hier nur noch
drei kleine Stündchen nach Neuburg habe. Auf die-
ser lezten Station wollte er übernachten, sich zu stär-
ken, sich zu sammeln. Er that dieß nach seiner Art
mit der Feder in der Hand und legte sich sodann be-
ruhigt nieder. Der Morgen graute kaum und der
Mond schien noch kräftig wie um Mitternacht, als
Theobald den Ort verließ. So wie der Tag nun un-
aufhaltsam vordrang, zog sich die Brust des Freundes enger
und enger zusammen; aber der erste Blitz der Sonne
zuckt jezt im rothen Osten auf und entschlossen wirft er
allen Kleinmuth von sich. Mit einer unvermutheten
Wendung des Wegs öffnet sich ein stilles Thal, das
gar kein Ende nehmen will, aus ihm entwickelt sich
ein zweites und drittes, so daß der Maler zweifelt,
ob er das rechte wähle; doch ritt er zu, und die Berge
traten endlich ein wenig auseinander. Herz, halte
fest! ruft er laut aus, da er auf Einmal den Rauch
von Häusern zu entdecken glaubt. Er irrte nicht,
schon konnte man des Försters heitere einstockige Woh-

Futterals), der Brief des Schauſpielers ruhte auf
ſeiner Bruſt. Zärtlich drückte er alle dieſe Gegen-
ſtände an ſeinen Mund, als hätten ſie ſämmtlich glei-
ches Recht an ihn.

Ein leichter Regen begann zu fallen und Theo-
bald
erhob ſich. Wir laſſen ihn ſeine Straße unge-
ſtört fortziehn und ſehen ihn nicht eher wieder, bis er
mit dem vierten Sonnenuntergang im lezten Dorfe ange-
langt iſt, wo man ihn verſichert, daß er von hier nur noch
drei kleine Stündchen nach Neuburg habe. Auf die-
ſer lezten Station wollte er übernachten, ſich zu ſtär-
ken, ſich zu ſammeln. Er that dieß nach ſeiner Art
mit der Feder in der Hand und legte ſich ſodann be-
ruhigt nieder. Der Morgen graute kaum und der
Mond ſchien noch kräftig wie um Mitternacht, als
Theobald den Ort verließ. So wie der Tag nun un-
aufhaltſam vordrang, zog ſich die Bruſt des Freundes enger
und enger zuſammen; aber der erſte Blitz der Sonne
zuckt jezt im rothen Oſten auf und entſchloſſen wirft er
allen Kleinmuth von ſich. Mit einer unvermutheten
Wendung des Wegs öffnet ſich ein ſtilles Thal, das
gar kein Ende nehmen will, aus ihm entwickelt ſich
ein zweites und drittes, ſo daß der Maler zweifelt,
ob er das rechte wähle; doch ritt er zu, und die Berge
traten endlich ein wenig auseinander. Herz, halte
feſt! ruft er laut aus, da er auf Einmal den Rauch
von Häuſern zu entdecken glaubt. Er irrte nicht,
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[395/0081] Futterals), der Brief des Schauſpielers ruhte auf ſeiner Bruſt. Zärtlich drückte er alle dieſe Gegen- ſtände an ſeinen Mund, als hätten ſie ſämmtlich glei- ches Recht an ihn. Ein leichter Regen begann zu fallen und Theo- bald erhob ſich. Wir laſſen ihn ſeine Straße unge- ſtört fortziehn und ſehen ihn nicht eher wieder, bis er mit dem vierten Sonnenuntergang im lezten Dorfe ange- langt iſt, wo man ihn verſichert, daß er von hier nur noch drei kleine Stündchen nach Neuburg habe. Auf die- ſer lezten Station wollte er übernachten, ſich zu ſtär- ken, ſich zu ſammeln. Er that dieß nach ſeiner Art mit der Feder in der Hand und legte ſich ſodann be- ruhigt nieder. Der Morgen graute kaum und der Mond ſchien noch kräftig wie um Mitternacht, als Theobald den Ort verließ. So wie der Tag nun un- aufhaltſam vordrang, zog ſich die Bruſt des Freundes enger und enger zuſammen; aber der erſte Blitz der Sonne zuckt jezt im rothen Oſten auf und entſchloſſen wirft er allen Kleinmuth von ſich. Mit einer unvermutheten Wendung des Wegs öffnet ſich ein ſtilles Thal, das gar kein Ende nehmen will, aus ihm entwickelt ſich ein zweites und drittes, ſo daß der Maler zweifelt, ob er das rechte wähle; doch ritt er zu, und die Berge traten endlich ein wenig auseinander. Herz, halte feſt! ruft er laut aus, da er auf Einmal den Rauch von Häuſern zu entdecken glaubt. Er irrte nicht, ſchon konnte man des Förſters heitere einſtockige Woh-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/81>, abgerufen am 24.11.2024.