äußerste Zärtlichkeit für seine Tochter auf eine liebens- würdige Weise gemildert schien, so war dagegen der Schwiegersohn beinahe der einzige Mensch, vor dem er einen unbegränzten Respekt fühlte. Denn eigent- lich pflegte der Alte etwas auf sich zu halten, und da er als Forstmann, zumal in frühern Zeiten, mit einem hohen Jagdpersonal in vielfache Berührung kam, als erfahrner und gründlicher Mann gesucht und geschäzt war, so durfte er sich zu einer solchen Mei- nung gar wohl berechtigt glauben.
Als man nach eilf Uhr sich endlich erhob, ver- sicherten alle Drei, es werde vor freudiger Bewegung Keins schlafen können. "Kann ich's doch ohne das nicht!" seufzte der Förster, "hab' ich doch in jungen Jahren bei Tag und Nacht in Nässe und Kälte han- tierend, mich um den wohlverdienten Schlaf meines Alters bestohlen! nun hab' ich's an den Füßen. Doch mag's! Es denkt und lernt sich Manches so von Mitternacht bis an den lieben hellen Tag. Und wenn man sich dann so im guten Bette sagen kann, daß Haus und Eigenthum von allen Seiten wohl gesichert und geriegelt, kein heimlich Feuer nirgend ist, und so weit all das Ding wohl steht, und dann der Mond in meine Scheiben fällt, so stell' ich mir dann Tausen- derlei vor, stelle das Wild mir vor, wie's draußen im Dämmerschein auf'm Waldwasen wandelt und Fried' und Freud' auch hat von seinem Schöpfer; ich denke der alten Zeit, der vorigen Jahre, -- sagt der Psalmist
äußerſte Zärtlichkeit für ſeine Tochter auf eine liebens- würdige Weiſe gemildert ſchien, ſo war dagegen der Schwiegerſohn beinahe der einzige Menſch, vor dem er einen unbegränzten Reſpekt fühlte. Denn eigent- lich pflegte der Alte etwas auf ſich zu halten, und da er als Forſtmann, zumal in frühern Zeiten, mit einem hohen Jagdperſonal in vielfache Berührung kam, als erfahrner und gründlicher Mann geſucht und geſchäzt war, ſo durfte er ſich zu einer ſolchen Mei- nung gar wohl berechtigt glauben.
Als man nach eilf Uhr ſich endlich erhob, ver- ſicherten alle Drei, es werde vor freudiger Bewegung Keins ſchlafen können. „Kann ich’s doch ohne das nicht!“ ſeufzte der Förſter, „hab’ ich doch in jungen Jahren bei Tag und Nacht in Näſſe und Kälte han- tierend, mich um den wohlverdienten Schlaf meines Alters beſtohlen! nun hab’ ich’s an den Füßen. Doch mag’s! Es denkt und lernt ſich Manches ſo von Mitternacht bis an den lieben hellen Tag. Und wenn man ſich dann ſo im guten Bette ſagen kann, daß Haus und Eigenthum von allen Seiten wohl geſichert und geriegelt, kein heimlich Feuer nirgend iſt, und ſo weit all das Ding wohl ſteht, und dann der Mond in meine Scheiben fällt, ſo ſtell’ ich mir dann Tauſen- derlei vor, ſtelle das Wild mir vor, wie’s draußen im Dämmerſchein auf’m Waldwaſen wandelt und Fried’ und Freud’ auch hat von ſeinem Schöpfer; ich denke der alten Zeit, der vorigen Jahre, — ſagt der Pſalmiſt
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äußerſte Zärtlichkeit für ſeine Tochter auf eine liebens-
würdige Weiſe gemildert ſchien, ſo war dagegen der
Schwiegerſohn beinahe der einzige Menſch, vor dem
er einen unbegränzten Reſpekt fühlte. Denn eigent-
lich pflegte der Alte etwas auf ſich zu halten, und
da er als Forſtmann, zumal in frühern Zeiten, mit
einem hohen Jagdperſonal in vielfache Berührung
kam, als erfahrner und gründlicher Mann geſucht und
geſchäzt war, ſo durfte er ſich zu einer ſolchen Mei-
nung gar wohl berechtigt glauben.
Als man nach eilf Uhr ſich endlich erhob, ver-
ſicherten alle Drei, es werde vor freudiger Bewegung
Keins ſchlafen können. „Kann ich’s doch ohne das
nicht!“ ſeufzte der Förſter, „hab’ ich doch in jungen
Jahren bei Tag und Nacht in Näſſe und Kälte han-
tierend, mich um den wohlverdienten Schlaf meines
Alters beſtohlen! nun hab’ ich’s an den Füßen. Doch
mag’s! Es denkt und lernt ſich Manches ſo von
Mitternacht bis an den lieben hellen Tag. Und wenn
man ſich dann ſo im guten Bette ſagen kann, daß
Haus und Eigenthum von allen Seiten wohl geſichert
und geriegelt, kein heimlich Feuer nirgend iſt, und ſo
weit all das Ding wohl ſteht, und dann der Mond
in meine Scheiben fällt, ſo ſtell’ ich mir dann Tauſen-
derlei vor, ſtelle das Wild mir vor, wie’s draußen
im Dämmerſchein auf’m Waldwaſen wandelt und Fried’
und Freud’ auch hat von ſeinem Schöpfer; ich denke
der alten Zeit, der vorigen Jahre, — ſagt der Pſalmiſt
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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