Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.es aber der Fall, so wurden ihre Augen, ohne eigent- "Der Vetter, der Lehrmeister, irrt sie, merk' ich "Wir wollen sie ja nicht stören!" versezte Theo- "Sonderbar!" sagte der Vater, mehr unmuthig Beim Frühstück hielt man Rath, was heute be- es aber der Fall, ſo wurden ihre Augen, ohne eigent- „Der Vetter, der Lehrmeiſter, irrt ſie, merk’ ich „Wir wollen ſie ja nicht ſtören!“ verſezte Theo- „Sonderbar!“ ſagte der Vater, mehr unmuthig Beim Frühſtück hielt man Rath, was heute be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0095" n="409"/> es aber der Fall, ſo wurden ihre Augen, ohne eigent-<lb/> lich zu thränen, plötzlich ſchwimmend und öffneten ſich<lb/> mächtig weit, wie man etwa bei Somnambülen dieß<lb/> bemerkt; es war unmöglich, ſie dann anzuſehn, denn<lb/> man ward innig bange, ſie ſtehe auf dem Punkt, wie<lb/> durch ein Wunder zu zerfließen, wie eine leichte Wolke<lb/> ſich völlig aufzulöſen. Sie trat ängſtlich hinter <hi rendition="#g">Theo-<lb/> balds</hi> Stuhl und ihr Finger ſpielte haſtig in ſeinem<lb/> Haar. Niemand wagte weiter etwas zu ſagen und<lb/> ſo entſtand eine drückende Pauſe. „Ein andermal!“<lb/> ſagte ſie kleinlaut und eilte in die Küche.</p><lb/> <p>„Der Vetter, der Lehrmeiſter, irrt ſie, merk’ ich<lb/> wohl, Ihnen gegenüber. Doch hätt’ ich das nicht<lb/> mehr erwartet, aufrichtig zu ſagen.“</p><lb/> <p>„Wir wollen ſie ja nicht ſtören!“ verſezte <hi rendition="#g">Theo-<lb/> bald</hi>, „laſſen Sie uns ja vorſichtig ſeyn. Ich denke<lb/> mich recht gut in ihr Gefühl. Des Mädchens Anblick<lb/> aber hat mich erſtaunt, erſchreckt beinah! Merkten Sie<lb/> nicht, wie ſie bei’m Weggehn die Farbe zum zweiten<lb/> Mal wechſelte und ſchneebleich wurde?“</p><lb/> <p>„Sonderbar!“ ſagte der Vater, mehr unmuthig<lb/> als beſorgt, „in jener ſchwermüthigen Periode konnte<lb/> man daſſelbe manchmal an ihr ſehn und inzwiſchen<lb/> nie wieder, bis dieſen Augenblick.“ Beide Männer<lb/> wollten nachdenklich werden, aber <hi rendition="#g">Agnes</hi> brachte die<lb/> Taſſen.</p><lb/> <p>Beim Frühſtück hielt man Rath, was heute be-<lb/> gonnen werden ſollte. „Eh ich an irgend etwas wei-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [409/0095]
es aber der Fall, ſo wurden ihre Augen, ohne eigent-
lich zu thränen, plötzlich ſchwimmend und öffneten ſich
mächtig weit, wie man etwa bei Somnambülen dieß
bemerkt; es war unmöglich, ſie dann anzuſehn, denn
man ward innig bange, ſie ſtehe auf dem Punkt, wie
durch ein Wunder zu zerfließen, wie eine leichte Wolke
ſich völlig aufzulöſen. Sie trat ängſtlich hinter Theo-
balds Stuhl und ihr Finger ſpielte haſtig in ſeinem
Haar. Niemand wagte weiter etwas zu ſagen und
ſo entſtand eine drückende Pauſe. „Ein andermal!“
ſagte ſie kleinlaut und eilte in die Küche.
„Der Vetter, der Lehrmeiſter, irrt ſie, merk’ ich
wohl, Ihnen gegenüber. Doch hätt’ ich das nicht
mehr erwartet, aufrichtig zu ſagen.“
„Wir wollen ſie ja nicht ſtören!“ verſezte Theo-
bald, „laſſen Sie uns ja vorſichtig ſeyn. Ich denke
mich recht gut in ihr Gefühl. Des Mädchens Anblick
aber hat mich erſtaunt, erſchreckt beinah! Merkten Sie
nicht, wie ſie bei’m Weggehn die Farbe zum zweiten
Mal wechſelte und ſchneebleich wurde?“
„Sonderbar!“ ſagte der Vater, mehr unmuthig
als beſorgt, „in jener ſchwermüthigen Periode konnte
man daſſelbe manchmal an ihr ſehn und inzwiſchen
nie wieder, bis dieſen Augenblick.“ Beide Männer
wollten nachdenklich werden, aber Agnes brachte die
Taſſen.
Beim Frühſtück hielt man Rath, was heute be-
gonnen werden ſollte. „Eh ich an irgend etwas wei-
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