Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite
erster Abschnitt.
Frieden aufgenommen wurde: so muste er der Parthey,
dem Richter, und dem Priester genug thun. Die letz-
tere Genugthuung ist von der christlichen Kirche in die
Kirchen-Busse verwandelt worden; wie aus der Folge
zu ersehen seyn wird.
§. 41.
Von der Religion des Staats und
dessen Gottheit.

Jch muß hier zugleich der Religion gedenken, in fo
fern sie ein Band des Staats (a) war. Man ver-
ehrte ein allgemeines unsichtbares Wesen; und
glaubte nicht, daß sich solches durch ein Bild vor-
stellen oder in Tempel (b) einsperren liesse. Der
Grund dieses Glaubens lag aller Wahrscheinlichkeit
nach darinn, daß das Bild und der Tempel eines
National-Gottes auf der Erde keinen Platz haben
konnte. Denn die Mark, worin Gott seinen Tem-
pel hat, erhält bald einen Vorzug und leicht die
Herrschaft über andre, wie die Erfahrung (c) bey
allen Völkern zeiget. Jm Heer-Lager war ein be-
wegliches
(d) Götter-Bild möglich und vielleicht
nöthig; um unter dem Schutz desselben, einer ver-
samleten unabhängigen Menge kräftiger zu gebieten
und den Priester sichtbar zu unterstützen.

(a) ROVSSEAV in seinen contract social beschuldigt die Christ-
liche Religion, daß sie diese Absicht zu sehr verlasse. Al-
lein Christus ist auch der einzige von allen Religions-
Stiftern der kein Reich von dieser Welt hat errichten
wollen.
(b) Caeterum neque cohibere parietibus deos, neque in ullam
humani oris speciem assimilare ex magnitudine coelestium
atbitrantur. Lucos & nemora consecrant; deorumque no-

erſter Abſchnitt.
Frieden aufgenommen wurde: ſo muſte er der Parthey,
dem Richter, und dem Prieſter genug thun. Die letz-
tere Genugthuung iſt von der chriſtlichen Kirche in die
Kirchen-Buſſe verwandelt worden; wie aus der Folge
zu erſehen ſeyn wird.
§. 41.
Von der Religion des Staats und
deſſen Gottheit.

Jch muß hier zugleich der Religion gedenken, in fo
fern ſie ein Band des Staats (a) war. Man ver-
ehrte ein allgemeines unſichtbares Weſen; und
glaubte nicht, daß ſich ſolches durch ein Bild vor-
ſtellen oder in Tempel (b) einſperren lieſſe. Der
Grund dieſes Glaubens lag aller Wahrſcheinlichkeit
nach darinn, daß das Bild und der Tempel eines
National-Gottes auf der Erde keinen Platz haben
konnte. Denn die Mark, worin Gott ſeinen Tem-
pel hat, erhaͤlt bald einen Vorzug und leicht die
Herrſchaft uͤber andre, wie die Erfahrung (c) bey
allen Voͤlkern zeiget. Jm Heer-Lager war ein be-
wegliches
(d) Goͤtter-Bild moͤglich und vielleicht
noͤthig; um unter dem Schutz deſſelben, einer ver-
ſamleten unabhaͤngigen Menge kraͤftiger zu gebieten
und den Prieſter ſichtbar zu unterſtuͤtzen.

(a) ROVSSEAV in ſeinen contract ſocial beſchuldigt die Chriſt-
liche Religion, daß ſie dieſe Abſicht zu ſehr verlaſſe. Al-
lein Chriſtus iſt auch der einzige von allen Religions-
Stiftern der kein Reich von dieſer Welt hat errichten
wollen.
(b) Cæterum neque cohibere parietibus deos, neque in ullam
humani oris ſpeciem aſſimilare ex magnitudine cœleſtium
atbitrantur. Lucos & nemora conſecrant; deorumque no-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <note place="end" n="(e)"><pb facs="#f0109" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Frieden aufgenommen wurde: &#x017F;o mu&#x017F;te er der Parthey,<lb/>
dem Richter, und dem Prie&#x017F;ter genug thun. Die letz-<lb/>
tere Genugthuung i&#x017F;t von der chri&#x017F;tlichen Kirche in die<lb/>
Kirchen-Bu&#x017F;&#x017F;e verwandelt worden; wie aus der Folge<lb/>
zu er&#x017F;ehen &#x017F;eyn wird.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 41.<lb/><hi rendition="#b">Von der Religion des Staats und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Gottheit.</hi></head><lb/>
          <p>Jch muß hier zugleich der Religion gedenken, in fo<lb/>
fern &#x017F;ie ein Band des Staats <note place="end" n="(a)"/> war. Man ver-<lb/>
ehrte ein allgemeines un&#x017F;ichtbares We&#x017F;en; und<lb/>
glaubte nicht, daß &#x017F;ich &#x017F;olches durch ein Bild vor-<lb/>
&#x017F;tellen oder in Tempel <note place="end" n="(b)"/> ein&#x017F;perren lie&#x017F;&#x017F;e. Der<lb/>
Grund die&#x017F;es Glaubens lag aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit<lb/>
nach darinn, daß das Bild und der Tempel eines<lb/>
National-Gottes auf der Erde keinen Platz haben<lb/>
konnte. Denn die Mark, worin Gott &#x017F;einen Tem-<lb/>
pel hat, erha&#x0364;lt bald einen Vorzug und leicht die<lb/>
Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber andre, wie die Erfahrung <note place="end" n="(c)"/> bey<lb/>
allen Vo&#x0364;lkern zeiget. Jm Heer-Lager war ein <hi rendition="#fr">be-<lb/>
wegliches</hi> <note place="end" n="(d)"/> Go&#x0364;tter-Bild mo&#x0364;glich und vielleicht<lb/>
no&#x0364;thig; um unter dem Schutz de&#x017F;&#x017F;elben, einer ver-<lb/>
&#x017F;amleten unabha&#x0364;ngigen Menge kra&#x0364;ftiger zu gebieten<lb/>
und den Prie&#x017F;ter &#x017F;ichtbar zu unter&#x017F;tu&#x0364;tzen.</p><lb/>
          <note place="end" n="(a)"><hi rendition="#aq">ROVSSEAV</hi> in &#x017F;einen <hi rendition="#aq">contract &#x017F;ocial</hi> be&#x017F;chuldigt die Chri&#x017F;t-<lb/>
liche Religion, daß &#x017F;ie die&#x017F;e Ab&#x017F;icht zu &#x017F;ehr verla&#x017F;&#x017F;e. Al-<lb/>
lein Chri&#x017F;tus i&#x017F;t auch der einzige von allen Religions-<lb/>
Stiftern der kein Reich von die&#x017F;er Welt hat errichten<lb/>
wollen.</note><lb/>
          <note place="end" n="(b)"> <hi rendition="#aq">Cæterum neque cohibere parietibus deos, neque in ullam<lb/>
humani oris &#x017F;peciem a&#x017F;&#x017F;imilare ex magnitudine c&#x0153;le&#x017F;tium<lb/>
atbitrantur. Lucos &amp; nemora con&#x017F;ecrant; deorumque no-</hi><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">mini-</hi> </fw><lb/>
          </note>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0109] erſter Abſchnitt. ⁽e⁾ Frieden aufgenommen wurde: ſo muſte er der Parthey, dem Richter, und dem Prieſter genug thun. Die letz- tere Genugthuung iſt von der chriſtlichen Kirche in die Kirchen-Buſſe verwandelt worden; wie aus der Folge zu erſehen ſeyn wird. §. 41. Von der Religion des Staats und deſſen Gottheit. Jch muß hier zugleich der Religion gedenken, in fo fern ſie ein Band des Staats ⁽a⁾ war. Man ver- ehrte ein allgemeines unſichtbares Weſen; und glaubte nicht, daß ſich ſolches durch ein Bild vor- ſtellen oder in Tempel ⁽b⁾ einſperren lieſſe. Der Grund dieſes Glaubens lag aller Wahrſcheinlichkeit nach darinn, daß das Bild und der Tempel eines National-Gottes auf der Erde keinen Platz haben konnte. Denn die Mark, worin Gott ſeinen Tem- pel hat, erhaͤlt bald einen Vorzug und leicht die Herrſchaft uͤber andre, wie die Erfahrung ⁽c⁾ bey allen Voͤlkern zeiget. Jm Heer-Lager war ein be- wegliches ⁽d⁾ Goͤtter-Bild moͤglich und vielleicht noͤthig; um unter dem Schutz deſſelben, einer ver- ſamleten unabhaͤngigen Menge kraͤftiger zu gebieten und den Prieſter ſichtbar zu unterſtuͤtzen. ⁽a⁾ ROVSSEAV in ſeinen contract ſocial beſchuldigt die Chriſt- liche Religion, daß ſie dieſe Abſicht zu ſehr verlaſſe. Al- lein Chriſtus iſt auch der einzige von allen Religions- Stiftern der kein Reich von dieſer Welt hat errichten wollen. ⁽b⁾ Cæterum neque cohibere parietibus deos, neque in ullam humani oris ſpeciem aſſimilare ex magnitudine cœleſtium atbitrantur. Lucos & nemora conſecrant; deorumque no- mini-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/109
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/109>, abgerufen am 23.11.2024.