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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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erster Abschnitt.
§. 43.
Von der geheiligten Redlichkeit.

Da die Gewalt des Priesters auf keiner weltlichen
Macht; sondern lediglich auf der Ehrfurcht der Men-
schen beruhete: so war die Religion ausserordentlich
verstärkt; und bisweilen grausam; (a) ausserdem aber
die Redlichkeit mehr als eine gemeine Tugend; und
gleichsam geheiliget. (b) So daß jedes Versprechen
die Kraft eines Ehren-Wortes und jede Treulosigkeit
den Haß eines Meineydes mit sich führen mogte.
Dieses trug sehr viel zur Erhaltung ihrer Verfassung
bey. Und der Adel (c) insbesondre würde mit einer
gemeinen Redlichkeit sich nicht erhalten haben; weil
er fast durch nichts, als sein Wort verbunden werden
konnte. Doch waren Schimpf (d) und Ehre ihre
einzigen Mittel; und man bauete weniger auf künftige
Strafen (e) und Belohnungen.

(a) Dies beweisen die schrecklichen Ceremonien. Arcanus hinc
terror, sanctaque ignorantia, quid sit idud quod tantum
perituri vident. TAC. G.
40.
(b) So wie wir jetzt die moralische Tugend zur Christlichen
erheben. Man sieht dieses aus verschiedenen Stellen;
wovon ich nur eine wegen der Spiel-schulden anführen
will: Victus voluntariam servitutem adit --- ea est in re
prava pervicacia; ipsi sidem vocant. TAC. G.
24.
(c) Wenn die Fürsten sich jetzt nicht aus ihrer Parole eine
Religion machten; wo würden sie Credit finden? Auf
die Hofnung, sie durch die Reichs-Gerichte zur Zahlung
zu zwingen, borgte man ihnen gewiß nichts. Eben so
war es mit dem Adel. Sein Credit beruhete auf seinem
Worte. Der fides mercatorum hat etwas ähnliches da-
mit. Der ganze Handel fällt: so bald die Sicherheit
bloß durch Furcht für richterlichen Zwang und nicht
durch einen soy oder ton de corps gewirket wird.
(d) Nec
F 2
erſter Abſchnitt.
§. 43.
Von der geheiligten Redlichkeit.

Da die Gewalt des Prieſters auf keiner weltlichen
Macht; ſondern lediglich auf der Ehrfurcht der Men-
ſchen beruhete: ſo war die Religion auſſerordentlich
verſtaͤrkt; und bisweilen grauſam; (a) auſſerdem aber
die Redlichkeit mehr als eine gemeine Tugend; und
gleichſam geheiliget. (b) So daß jedes Verſprechen
die Kraft eines Ehren-Wortes und jede Treuloſigkeit
den Haß eines Meineydes mit ſich fuͤhren mogte.
Dieſes trug ſehr viel zur Erhaltung ihrer Verfaſſung
bey. Und der Adel (c) insbeſondre wuͤrde mit einer
gemeinen Redlichkeit ſich nicht erhalten haben; weil
er faſt durch nichts, als ſein Wort verbunden werden
konnte. Doch waren Schimpf (d) und Ehre ihre
einzigen Mittel; und man bauete weniger auf kuͤnftige
Strafen (e) und Belohnungen.

(a) Dies beweiſen die ſchrecklichen Ceremonien. Arcanus hinc
terror, ſanctaque ignorantia, quid ſit idud quod tantum
perituri vident. TAC. G.
40.
(b) So wie wir jetzt die moraliſche Tugend zur Chriſtlichen
erheben. Man ſieht dieſes aus verſchiedenen Stellen;
wovon ich nur eine wegen der Spiel-ſchulden anfuͤhren
will: Victus voluntariam ſervitutem adit --- ea eſt in re
prava pervicacia; ipſi ſidem vocant. TAC. G.
24.
(c) Wenn die Fuͤrſten ſich jetzt nicht aus ihrer Parole eine
Religion machten; wo wuͤrden ſie Credit finden? Auf
die Hofnung, ſie durch die Reichs-Gerichte zur Zahlung
zu zwingen, borgte man ihnen gewiß nichts. Eben ſo
war es mit dem Adel. Sein Credit beruhete auf ſeinem
Worte. Der fides mercatorum hat etwas aͤhnliches da-
mit. Der ganze Handel faͤllt: ſo bald die Sicherheit
bloß durch Furcht fuͤr richterlichen Zwang und nicht
durch einen ſoy oder ton de corps gewirket wird.
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[83/0113] erſter Abſchnitt. §. 43. Von der geheiligten Redlichkeit. Da die Gewalt des Prieſters auf keiner weltlichen Macht; ſondern lediglich auf der Ehrfurcht der Men- ſchen beruhete: ſo war die Religion auſſerordentlich verſtaͤrkt; und bisweilen grauſam; ⁽a⁾ auſſerdem aber die Redlichkeit mehr als eine gemeine Tugend; und gleichſam geheiliget. ⁽b⁾ So daß jedes Verſprechen die Kraft eines Ehren-Wortes und jede Treuloſigkeit den Haß eines Meineydes mit ſich fuͤhren mogte. Dieſes trug ſehr viel zur Erhaltung ihrer Verfaſſung bey. Und der Adel ⁽c⁾ insbeſondre wuͤrde mit einer gemeinen Redlichkeit ſich nicht erhalten haben; weil er faſt durch nichts, als ſein Wort verbunden werden konnte. Doch waren Schimpf ⁽d⁾ und Ehre ihre einzigen Mittel; und man bauete weniger auf kuͤnftige Strafen ⁽e⁾ und Belohnungen. ⁽a⁾ Dies beweiſen die ſchrecklichen Ceremonien. Arcanus hinc terror, ſanctaque ignorantia, quid ſit idud quod tantum perituri vident. TAC. G. 40. ⁽b⁾ So wie wir jetzt die moraliſche Tugend zur Chriſtlichen erheben. Man ſieht dieſes aus verſchiedenen Stellen; wovon ich nur eine wegen der Spiel-ſchulden anfuͤhren will: Victus voluntariam ſervitutem adit --- ea eſt in re prava pervicacia; ipſi ſidem vocant. TAC. G. 24. ⁽c⁾ Wenn die Fuͤrſten ſich jetzt nicht aus ihrer Parole eine Religion machten; wo wuͤrden ſie Credit finden? Auf die Hofnung, ſie durch die Reichs-Gerichte zur Zahlung zu zwingen, borgte man ihnen gewiß nichts. Eben ſo war es mit dem Adel. Sein Credit beruhete auf ſeinem Worte. Der fides mercatorum hat etwas aͤhnliches da- mit. Der ganze Handel faͤllt: ſo bald die Sicherheit bloß durch Furcht fuͤr richterlichen Zwang und nicht durch einen ſoy oder ton de corps gewirket wird. (d) Nec F 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/113>, abgerufen am 23.11.2024.